Mittwoch, 5. Juni 2013

Radio Gaga

Der nächste Tag war auch nicht besser, da ging die muntere Ärzte-Ralley weiter.
Ich hab den Termin über einen Freund bekommen, der mich ohne Wartezeiten in eine Spezialpraxis gelotst hat.
Das war mein letzter Urlaubstag, den hab ich mir auch anders vorgestellt. Von meiner tollen Peking-Reise ist jedenfalls nichts mehr zu spüren.
Eine Mammografie kennen ja viele schon von der Vorsorge, aber für mich, war es das erste Mal und entsprechend spannend. Ich habe mich davor informiert, unter www.krebsinformation.de einem sehr umfangreichen Info-Portal, das auch zu anderen Fragen gute und verständliche Info bietet:
"Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Mammographie?
Der beste Zeitpunkt für eine Mammographie wäre theoretisch während der Periode oder in der ersten Woche danach. In dieser Zeit ist der Flüssigkeitsgehalt der Brust am geringsten. Dann ist die Mammographie am besten beurteilbar. Ist eine Frau wegen eines Knotens oder anderer Veränderungen beunruhigt, kann die Untersuchung aber zu jedem beliebigen Zeitpunkt vorgenommen werden. Für Frauen nach der Menopause ist der Zeitpunkt unwesentlich.
Falls Hormone zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden oder die "Pille" zur Empfängnisverhütung eingenommen werden, kann die Beurteilung allerdings erschwert sein, weil das Brustdrüsengewebe durch die Hormoneinwirkung dichter ist. Der Frauenarzt berät darüber, ob es sinnvoll ist, die Arzneimittel im Monat der Untersuchung abzusetzen.
Vor der Untersuchung empfehlen Fachleute auf Deos und Cremes im Brust- und Achselbereich zu verzichten: Diese Körperpflegemittel können je nach Zusammensetzung einen in der Röntgenaufnahme sichtbaren Film auf der Haut hinterlassen. Für die Untersuchung muss der Oberkörper frei gemacht werden, es empfiehlt sich also Kleidung, die sich leicht ablegen lässt.
Zur Untersuchung tritt die Frau vor das Mammographie-Gerät, in der Regel wird die Aufnahme im Stehen gemacht.
Die Brust wird zwischen zwei strahlendurchlässigen Plexiglasscheiben möglichst flach zusammengedrückt. Abhängig von der Beschaffenheit der Brust wird dies von Frauen gelegentlich als unangenehm oder auch etwas schmerzhaft empfunden. Je flacher die Brust zusammengedrückt wird, desto aussagekräftiger ist allerdings das Röntgenbild. Es werden jeweils zwei Aufnahmen angefertigt, einmal von oben nach unten und einmal schräg von der Mitte her zur Seite. Dadurch entstehen zweidimensionale Schwarzweißbilder vom Brustgewebe. Durch den Abgleich der beiden Bilder kann der Arzt sich einen räumlichen Eindruck von der Lage einzelner Strukturen, auch möglicher Veränderungen, in der Brust verschaffen.
Zwei Techniken stehen zur Verfügung: die "klassische" analoge Röntgenaufnahme, bei der das Bild auf einer Filmfolie festgehalten wird, und die digitale Mammographie, bei der die Bilddaten elektronisch gespeichert und auf dem Computerbildschirm begutachtet werden. Für die Frau läuft die Untersuchung mit beiden Verfahren gleich ab. Auch die Aussagekraft gilt bei optimaler Durchführung und Einhaltung der Vorschriften als gleichwertig."
Nun, soviel zur Theorie. Ich bin dann also am nächsten Tag brav in die Innenstadt gefahren und habe mich ins nächste Abenteuer gestürzt. Es ging ja offiziell darum, Krebs auszuschließen.
Spannend ist sie ja schon, diese Medizintechnik. Blöd nur, dass man sie als Laie nur zu sehen kriegt, wenn man sie nicht sehen mag. Aber egal, man kann ja das Beste daraus machen und sich ein bisschen Neugier leisten.
Mammografie ist eine sehr seltsame Technik. Da wird die Brust zwischen Eisenplatten gequetscht, so wie ein Burger zwischen zwei Semmeln geplättet wird. Dabei soll man gerade stehen, sich mit der Flatsch-Brust zur Platte drehen, möglichst viel vom Restkörper aus der Maschine raushalten und dabei - jetzt wird es spannend - nicht verkrampfen!
Ha, ich habe dann gelacht und gefragt, für was sich die Mammo-Schwester entscheidet, denn beides geht nicht. An der Platte bleiben ODER unverkrampft sein. Sie hat mich dann nur ganz komisch angeschaut. Krebspatienten dürfen offenbar nicht lachen. Vielleicht lags aber auch daran, dass der Scherz nun auch wieder nicht sooo gut war. Wer weiß?
Die Ärzte wussten jedenfalls nichts, weil man in der Mammografie trotz Riesenquetscherei nichts erkennen konnte. Gar nichts, was insofern für mich sehr seltsam war, weil der Tastbefund ja überdeutlich war. Aber mein Tumor saß so weit oben in der Brust, fast schon in der Achsel, dass man bei allem Zerren und Quetschen nicht richtig hinkam.
Weiter gings zum Ultraschall. Das war weniger spannend. Gel und Kamerakopf und gemeinsames Starren auf den Monitor, bei dem ich immer rätsle, wie man da jemals was erkennen können kann. Ich jedenfalls fühle mich immer sehr frustriert, weil ich meist auch dann nichts erkennen, wenn der freundliche Arzt mir erklärt, was man da angeblich sehen kann. Im vorliegenden Fall allerdings konnte man den Tumor gut erkennen. Ein dicker schwarzer Knubbel, den sogar ich selbständig gesehen hätte.
Der Arzt erklärte mir dann recht sachlich, dass der Tumor mit großer Wahrscheinlichkeit sehr bösartig ist und die Lymphe angegriffen hat. Dann hat er mich mit einer sehr seltsamen Mischung aus Mitleid und Desinteresse über seinen Brillenrand hinweg angeschaut und die folgenschweren Worte gesprochen: "Der Tumor ist bösartig, da brauchen sie sich gar keine Illusionen machen, Ihr Leben wird sich dramatisch, radikal und endgültig ändern."
Punkt. Basta. Urteil gefällt. Ich wollte noch fragen, etwas sagen, irgendwie planen. Aber der Arzt zuckte nur die Schultern. Aus radiologischer Sicht sei alles getan, für alles weitere müsse ich in die Onkologie.
Ich bin an meinen Fragen fast erstickt. So hatte mich zuletzt meine Grundschullehrerin abgekanzelt - und dagegen hatte ich mich gewehrt. Aber jetzt... schwieg ich.
Jetzt brach in einem Augenblick wirklich alles in mir zusammen und meine Angst, die ich bis dahin gut verstaut in den Tiefen meiner Heldenbrust verstaut hatte, übernahm das Ruder. Seltsamerweise hatte ich weniger Angst vor dem Krebs, als vor dem, dass mich die Welt aufgibt. Ich fühlte mich so ausgestoßen und allein wie ein Aussätziger, völlig durcheinander und mir selbst gänzlich fremd.
Wie in Trance fuhr ich nach Hause und setzte mich auf den Balkon, wo gerade die Kirschen blühten. Blühen sie noch für mich?

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