Mittwoch, 12. Juni 2013

Aller guten Dinge sind drei...

Donnerstag und hochtechnisch geht es weiter!
Auch im 3. Ultraschall ist der Krebs immer noch da, ich begrüße ihn mit Vornamen, immerhin verbringen wir ja viel Zeit miteinander zurzeit und da kann man sich auch mit Gegnern anfreunden. Ob das so eine Art bizarres Oslo-Syndrom ist? Egal, vielleicht schnappe ich auch nur allmählich über, wär auch eine Erklärung. Dieser Ultraschall befasst sich intensiv mit meinen Lymphknoten, damit mein Tumor auch seinen Künstlernamen erhält, unter den ihn meine Ärzte kennenlernen sollen, sprich seine Klassifikation.
Das inzwischen am weitesten verbreitete Verfahren zur Tumorklassifikation ist das TNM-System. Ein Codesystem aus Buchstaben und Zahlen steht dabei für bestimmte Merkmale wie zum Beispiel den Tumor (T), das Fehlen oder Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen (N) oder das Vorhandensein von Fernmetastasen (M). So kann ein Hausarzt aus dem Befundbericht einer Klinik schnell und eindeutig die wichtigsten Angaben über das Ausmaß der Tumorerkrankung seines Patienten entnehmen.
http://www.krebsinformation.de/themen/untersuchung/tnm.php
Zwei Lymphknoten sind in den Tumor miteingewachsen, jetzt ist es spannend, wieviele da sonst noch sind, denn davon hängen maßgeblich auch die Heilungschancen ab. Bis vier ist es ok.
Allmählich erkenne auch ich schon was bei diesen Ultraschall-Grissel-Bildern. Heute sieht der Tumor allerdings verändert aus (eher wie ein Kleeblatt statt der kompakten Kugel als die ich ihn kennen gelernt habe. Das liegt an den Blutergüssen wegen der Biopsie, meint der Arzt und ich grinse. geschieht ihm grade recht, dem Saukerl (womit ich den Tumor meine).
Vielleicht auch doch den Arzt, denn der murmelt nun bedröppelt, dass Fettröpfchen fehlen, was ein Zeichen für Befall sei...
Das ist eine schlechte aber aus meiner Sicht keine völlig niederschmetternde Nachricht, es heißt ja, bis zu vier Knoten wenn befallen sind, ist es noch egal... Nach meiner Rechnung hab ich also noch einen in Reserve.
Anders sieht es die hinzugerufene Ärztin (mit weniger Krusch im den Kitteltaschen, was ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass sie wichtiger ist als der Ultraschall-Boy - Im Ernst, je mehr Krempel ein Arzt in den Taschen mitschleppt, desto tiefer ist in der Hierarchie der Klinik. Die Chefs haben nur einen Kuli dabei und verzichten gelegentlich sogar auf ein Namensschild - Gott hat ja auch keins). Die Ärztin jedenfalls wünscht mir so lange Beileid wünscht, bis es mir auch ganz schlecht geht. Das sollte man den Ärzten mal sagen, dass zu viel beruhigen und trösten KONTRAPRODUKTIV ist. Wenn ich ein Pferd ausbilde, das nun von Natur aus sehr erfolgreich feige ist (Fluchttier und so), dann kann ich es auch nicht überzeugen, sich einem gefährlichen Thema zu stellen, wenn ich es beruhige - damit gebe ich ja zu, dass es was zu beruhigen gibt. Sachliche Info oder meinetwegen freundliches Auslachen wären mir lieber.
Es ärgert mich jedenfalls, dass alle so mies drauf sind, denn mein Bauch ist so optimistisch, dass er selbst meine Verstandesrüge (Und was, wenn die Lymphe nicht hält und da jetzt überall Metastasen sind?) mit einem gleichgültigen Zucken abtut (Selbst wenn sie da nach der Chemo noch sind, wird das dein Leben nicht beeinflussen. Krebs ist nicht dein Todesthema!)
Kopf ist nicht überzeugt, sieht aber ein, dass es mit diesem Glauben besser ist als ohne und beschließt, ihn vorerst gelten zu lassen.
Bauch grinst, das ist kein Glauben, sondern absolute Gewissheit. Wenn Du zweifelst, lässt Du die bösen Mächte zu.
Okay, was ist Zweifel? Woran zweifle ich?
Bauch grindt, Krebs wird überbewertet.
Ich horche nach innen, ärgere mich über die Ärztin, die mir meine Sicherheit nimmt, in dem sie mich behandelt, als sei ich längst totgeweiht und gehe. Selbst wenn ich mich irren sollte (Bauch: Tust Du nicht), ist es auf dem Weg bis zur Aufklärung so deutlich angenehmer.
Bis zum CT, der Kernspinthomografie, ist es noch eine Weile hin, also lasse ich mich über die nächste Studie informieren (Vitamin D und Krebs). Das ist dann endlich mal ein gutes Gespräch. Brustkrebs ist heutzutage nicht mehr lethal. Na, das ist doch mal eine Aussage, der Rest ist verhandelbar.
Das Gespräch mit der Krankenschwester ist sehr interessant und beschäftigt Bauch und Kopf. Es geht über Priorisierung im Leben und dass man Angst zulassen soll
Soll man? Hindert mich das nicht? Ich bin mir nicht sicher, und sage das auch.
Soll ich nicht besser erst mal alles wegstecken, um mich ihm später in Ruhe zu stellen?
Die Schwester lächelt. Was, aber wenn es dann zur Unzeit kommt?
Der Wunsch, dass ich die Chemo nicht so gut vertrage, ist befremdlich, drastisch, aber richtig.
Die Schwester sagt, und das klingt logisch, dass der Körper bei der Chemo Ruhe braucht, und die werde ich ihm wahrscheinlich nicht geben, wenn ich die Möglichkeit habe
Ich nicke., Hm... ein Punkt, über den nachzudenken lohnt.
Aber ich bin im Augenblick wie ein Kreisel. Beständig und ruhig in Bewegung. Wenn ich anfange, zu bremsen, werde ich instabil.
Der Hinweis der Schwster, dass man vom außen dann aber auch nichts sieht und mitnimmt, stimmt mich nachdenklich. Darüber muss ich noch nachdenken.
Derweil habe ich meine nächste Station wahrzunehmen, den Kernspin, eine Art Super-Röntgen.
http://www.krebsinformation.de/themen/untersuchung/computertomographie.php
Der Kernspin steht im Keller und die ganze Umgebung schaut arg nach Gruft aus, bis auf die falsche Farbe. Kann aber auch an den Schwestern liegen, die eher unfreundlich sind. Mir tuts auch Leid, dass ich den Mittagstermin habe, draußen scheint die Sonne und im Park könnte ich mit netten Leuten Spatzen füttern, also ich bin auch nicht gern in der Gruft hier - und im Gegensatz zu Ludmilla hier bekomme ich auch kein Geld dafür.
Na egal.
Viele haben Angst vor der Untersuchung, aber das ist unnötig. Rückwirkend würde ich es eher als Warm-up sehen. Schlimm ist es jedenfalls nicht.
Als Erstes kriegt man das Kontrastmittel, wird in einen Kittel, so ein Krankenhaus-Nachthemd gesteckt und durch die Röhre gezogen.
In der Röhre ist es laut, aber man spürt nichts und wird auch nicht berührt. Also muss man sich keine Sorgen machen. Dann ist es auch schon wieder vorbei und ich kann mich wieder anziehen. Neugierig bin ich ja schon, wie der Befund ist.
Aber Pech gehabt. Dass ich entgegen früherer Termine meine Befunde nicht gleich erklärt bekomme, finde ich extrem belastend. Vor allem, weil ich damit gerechnet habe. Meine größte persönliche Stärke, nämlich meine Flexibilität, leidet unter den Krankenhausaufenthalten sichtbar. Und auch das ärgert mich.
Frustriert trolle ich mich in den Sommertag. Warum muss ich eigentlich durchs Krankenhaus schleichen und darf nicht Eis schleckend wie die anderem im Cafe sitzen?
Weil er gleich ums Eck ist, beschließe ich zu meinem Friseur zu gehen und mit ihm die Nebenwirkung der Chemo aufs Haar zu erörtern. Er ist betroffen, hat aber viel Erfahrung damit, erzählt mir spannende Dinge über das Haar an sich und meine Frisurmöglichkeiten im Besonderen und bietet an, mit mir gemeinsam Perücken kaufen zu gehen, wenn es soweit ist.
Das ist nämlich knifflig, denn die meisten Haare (die allerallermeisten) fallen aus, aber man weiß nicht wann und auch nicht alle auf einmal, sondern in Schüben büschelweise. Die Chemo wirkt nicht nur auf die Krebszellen, sondern auf alle schnell wachsenden Zellen, zu denen neben den Tumorzellen, v.a. auch alle Hautzellen und Haarzellen gehören. Wenn die Sterben, fallen die Haare aus. So einfach ist das. Und so traurig.
Dazu sind „tolerante“ Frisuren wichtig. Andererseits will ich keinen Bubikopf, wenn noch nicht raus ist, ob sie ausfallen... Schwierig.
Kann man eigentlich aus meinem wunderbaren Haar dann wenigstens ein Haarteil machen?
Fakt ist, dass man damit rechnen sollte, seine Haare zu verlieren und sich darauf vorbereiten sollte. Es ist leichter, wenn man eine schöne Perücke (ja, das gibt's!) im Haus hat, wenn die Haare in der Bürste hängen. Und auch bei einer Kurzhaarfrisur tut es nicht ganz so weh.
Kopftücher sind übrigens auch ein Thema...
http://www.brustkrebsdeutschland.de/infos/img/kopftuch_broschuere.pdf
Mittags kümmere ich mich um meinen Job - ich hab ja was anderes auch noch zu tun! Zwinge mich zur telefonischen und e-Mail-Bearbeitung der wichtigsten Sachen. Ich bin ja noch da! Artikel schreiben, Rechtsprechung prüfen, Verträge weiterleiten... Langweilig wird mir nicht!
Ich stelle fest, dass ich argwöhnisch alle Frauen mit kurzen Haaren betrachte und nach für mein Gesicht verträglichen Lösungen suche.
Und dafür fühle mich entsetzlich:
a) weil das tatsächlich mein Hauptproblem ist (wo ist eigentlich die Katze, die kommt gleich an 2. Stelle, auch wenn es peinlich ist, weil die Haare nachwachsen werden) und
b) weil mir nichts auffällt, was ich mir auch nur als Notlösung vorstellen könnte und
c) weil ich mich schäme, dass es so ist... Ich habe ja eingangs schon gesagt, dass ich allmählich überschnappe!
Nachmittags bin ich dann noch beim Hausarzt wegen der Blutbefunde. Mein Blutbild ist in Ordnung, die Werte sind alle gut, wenngleich ein paar Entzündungshinweise enthalten sind (sehr witzig, wir kennen den Tumor und die drei wackeren Lymphknoten ja!).
Die Tumormarker sind unauffällig, was mich freut, denn ich lerne, dass das bei metastasierenden Tumoren in den weit überwiegenden Fällen (60-90%) nicht so ist.
Sonst sind so Befunde für die nicht eingeweihten Patienten sehr unverständlich und ich verstehe auch nicht, warum man keine Tumormarker vom Krankenhaus verlangt hat, denn auch wenn deren Fehlen nichts darüber aussagt, dass KEINE Tumore da sind, ist ihr Vorhandensein immerhin ein Warnsignal, dass es sich lohnt, mal genauer nachzusehen (finde ich).
http://www.tk.de/tk/untersuchungen-a-z/t/tumormarker/32890
Obwohl ich natürlich weiß, dass also mein Blutbild KEIN Grund zur Vorfreude ist, ist es nach über einer Woche fröhlichen Katastrophensteigerns endlich, endlich mal eine gute Nachricht und die will ich genießen und mir ausmalen, dass alles doch gar nicht so ganz Dicke kommt (Halbdick reicht ja wirklich auch).
Kopf meint, wird eh nicht halten, aber Bauch hat recht und ich zudem Hunger. Ende für heute!

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