Freitag, 14. Juni 2013

Countdown to nowhere

Mein letztes "freies" Wochenende...
Und es gibt viel zu tun - oder auch nichts. Je nachdem, wie man es sieht.

Ich bereite meine Ausfälle vor, Dinge um die ich mich kümmern muss, auch wenn ich nicht kann. Meine Blumen ein letztes Mal pflegen, ausmisten und entrümpeln, Wäsche waschen und aufräumen. Die Zeit zerrinnt.
Ich habe noch Katzenzettel, die im Viertel aufgehängt werden müssen, obwohl ich ja ganz bestimmte Nachbarn im Verdacht habe, dass sie mehr wissen. Es ist sehr seltsam, wie die Menschen reagieren. Der Argwohn, mit dem die Tür geöffnet wird, wenn man klingelt... das stärkt meinen Glauben in die menschliche Gemeinschaft nicht. Die Mehrheit verhält sich, als würde sie mir nicht glauben, dass ich an einem Samstag Mittag klingle, um nach meiner Katze zu suchen. Seh ich aus wie ein Räuber? Haben die Menschen wirklich soviel Angst voreinander? Am idyllischen Münchner Stadtrand?
Schweren Herzens widme ich mich nach getaner Gartenarbeit (nochmal gründlich gießen) einigen unausweichlichen Telefonaten.

Alle sind geschockt, aber doch reagieren sie sehr unterschiedlich. Sprachlose Verlegenheit herrscht vor. Einige fragen, wie sie helfen können, machen dazu auch Vorschläge, was ich sehr hilfreich finde. Meine Tante macht sich so Sorgen, dass ich mich selbst aufrege. Meine liebe Schwiegermutter hingegen wird allen Klischees gerecht und erklärt mir erst einmal auf die Neuigkeit hin unverblümt: "Ich kann die übrigens nicht helfen" - und verkennt dabei, dass ich sie gar nicht um Hilfe gebeten habe. Unveräußerliche Restwürde. Soweit kommt's noch. Trotzdem ärgert es mich, dass mein Unglück tatsächlich nur daran gemessen wird, was es für sie bedeuten könnte. Gar nix, übrigens. Sie hat mir ja vorher auch nicht geholfen. So ein Blödsinn. Mit meiner besten Freundin verlief das Gespräch auch sehr seltsam. Sie wollte eigentlich von sich erzählen, war dann völlig überrumpelt, weil ich mal mit der Krebs-Story den Überraschungsehrenpreis geholt habe und das Gespräch endet ziemlich seltsam - peinlich fast. Was traurig ist, weil wir ja wirklich sehr gut befreundet sind.
Ich lege auf und fühl mich scheiße.
Am Nachmittag beim Reiten freunde ich mich im Nieselregen damit an, künftig wieder nur noch Unterricht zu geben und meine Reitkarriere vorerst – so fürs nächste Jahr – an den Nagel zu hängen. Zu Sport im eigentlichen Sinne werde ich wohl nicht in der Lage sein.
Am Abend schauen wir mit Freunden WM, ich weiß nicht mehr, wen gegen wen, bin mit meinen Gedanken woanders. Es gibt Bolognese. Ob ich bei der Chemo, auch noch Spaß am Essen haben werde. Den Gedanken finde ich ganz furchtbar. Trotzdem wäre es alles in allem ein guter Tag, wenn meine Katze da wäre
Es ist in hohem Maße eine Übung, sich nicht hängen zu lassen. Meine bescheidenen spirituellen Esoterikkünste bewähren sich erstaunlicherweise.

Gedankenhygiene ist wichtig! Man macht sich viel zu viel Sorgen um die Zukunft und stöbert viel zu viel in der Vergangenheit, statt einfach die Gegenwart, das Jetzt zu leben, das mit jedem vertanen Augenblick tatsächlich unwiederbringlich vorbei ist. Also los: Augen schließen - Gedanken aus dem Kopf fließen lassen (vielleicht durch die Ohren, wenn die Augen doch geschlossen sind)... Der Angst in einem Nachspüren und sich körperlich hineinfühlen, stofflich machen und dann zwischen den Fingern zerreiben. Die Leere, die entsteht, mit Kraft und Zuversicht und Wärme füllen.
Es klingt blöd, aber danach geht es einem besser.

 
Was auch hilft, ist eine Atemübung. Augen schließen, Ruhig durch den Mund ein- und wieder ausatmen. Dabei die Atmung wie einen ewigen Kreislauf vorstellen, ewig, beruhigend, ohne Pause (und dabei auch darauf achten, dass man keine Pause beim Atmen macht und das Einatmen genauso lang dauert wie das Ausatmen, ein perfekter Kreis...) Das beruhigt und gibt Kraft und Zuversicht. Vor allem, wenn man Gedanken kommen und gehen lässt, ein- und ausatmen, das Leben leben.


Und was auch erstaunlich wirksam ist, ist ein Wasserritual - oder einfacher ausgedrückt:
Duschen oder wenigstens Händewaschen.
Wenn man unter dem Gefühl von fließendem Wasser auf der Haut sich vorstellt, wie das Wasser alles Böse und Schlechte, alles Belastende fortspült und wegnimmt, fühlt man sich befreit.
Und wenn man sich danach bei dem Element Wasser für seine reinigende Wirkung bedankt, dann fühlt sich das wirklich gut an.
Auch für einen verkopften, zynischen Rechtsanwalt wie mich.
Dankbarkeit fürs Leben, das ist wichtig, denn darauf fußt der Lebenswille, den ich jetzt brauche.

Sauber, gelüftet und entspannt gehe ich ins Bett. Die nächste Woche wird wieder spannend.
Oh ja!

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