Mittwoch, 17. Juli 2013

Chemo - EMMA

Heute kommt die Putzfrau.
Der Gedanke, dass sie sieht, dass mir die Haare ausgehen - oder vielmehr, wie viel mir ausgehen, ist mir furchtbar peinlich.
Eine Stimme meint, dass sei außerordentlich albern, etwas Unabänderliches aufzuschieben. Eine andere meint, dass die Putzfrau doch nett ist und ich mich nicht schämen muss. Eine dritte meint pragmatisch, dass es doch keiner spannt, wenn ich einfach die Haare aus dem Bad-Mülleimer in die Tonne leere.
Gesagt, getan.
Die anderen Stimmen sollen die Klappe halten! Ich muss mich erst selbst daran gewöhnen, dass ich künftig polieren, statt kämmen muss.
Auf der Fahrt in die Kanzlei erzählt mir mein Mann, dass er heute mal mit seinen Kollegen bei sich auf der Arbeit darüber reden will, was ihm alles missfällt. Ich bin hocherfreut, weil er endlich initiativ wird. (Kann man das so sagen? Oder heißt es immer nur, die Initiative ergreifen? Egal, ich bin jedenfalls stolz auf ihn).
Auf dem Weg vom Auto führt mich mein Weg am Dom vorbei, was nicht ungewöhnlich ist, der steht da schon länger.
Es ist seltsam, weil ich an sich völlig ungläubig bin - oder jedenfalls mit "Kirche" als Verein nichts anfangen kann.
Jedenfalls jetzt zieht es mich ins Innere. Etwas fremdelnd, zaghaft, linkisch stehe ich da und komme mir doof vor. Das ist nicht meine Welt, hier gehöre ich nicht hin. Ich bin als Teenie aus der Kirche geflogen und habe sie seither nie vermisst.
Aber trotzdem, bin ich da.
Ich lasse den Hauptaltar liegen und schleiche in eine Ecke, wo vor einem sehr anrührenden Marienbild ganz viele Kerzen brennen. Dort setze ich mich hin und denke nach. Die Mutter Gottes, die Erbin der heidnischen Muttergöttinnen, das Sinnbild für Leben und Liebe...
Prüfend sehe ich ihr ins Gesicht und sie lächelt. Etwas resigniert, aber freundlich, liebevoll. "Da bist Du also. Lange nicht gesehen."
Soviel zur Resignation.
"Aber es wird schon. Es geht immer weiter. Immer. Irgendwie".
Das ist freundlich.
"Du bist nicht allein."
Ich entzünde eine Kerze. Für meine vermisste Katze, für mich, fürs Gesund werden.
Ich muss dann zu einem Mandanten an den Flughafen fahren und es wird ein langer Tag.
In langen Gesprächen, versuche ich die Wogen zu glätten und Details für die Sachverhaltsaufarbeitung zu ermitteln. Es zeigt sich, dass man sehr lange vermeintlich einträchtig über Obst sprechen kann, ohne je zu bemerken, dass der eine Äpfel und der andere Birnen meint. Oh je, wie ich hier Frieden schaffen soll, zwischen der Personalvertretung und der Geschäftsführung ist mir nicht ein Rätsel.
Auf der Heimfahrt ist es brütend heiß im Auto, mir reicht's.
Am Abend kauf ich dann noch meine Perücke - Emma - und weil mir die nette Dame im Perückenladen in der Löwenhofpassage ("Höhle des Löwen" - wie passend *g*) einen so guten Preis macht, schaut auch noch eine Trasse raus, mit der man ein Kopftuch oder so haarig aufpeppen kann. Mein Mann schleift mich noch in den nächsten Laden, wo wir ein paar Käppis und Mützchen kaufen. Huäh! Hurra! Ich weiß es nicht, emotional schwierig das alles.

Perückenkaufen
Auf dieser Seite habe ich ganz gute erste Tipps zu diesem Thema gefunden und alles ist recht unaufgeregt und sachlich dargestellt:
http://www.haarausfall-und-peruecken.de/echthaar-peruecken/die-erste-peruecke-auswaehlen/10010

Meine persönlichen Tipps zum Perückenkaufen:
  1. Rechtzeitig gehen (wenn man seine eigenen Haare noch hat, kann man viel besser besprechen, was man für eine Perücke haben will, es erleichtert die Beratung)
  2. eine Freundin mitnehmen (das ist moralische Stütze und Stilberatung in einem!)
  3. mehrere Läden ansehen und dorthin gehen, wo die Beratung und das Ambiente am Besten ist (ich hatte solche Angst vor diesem Schritt und in dem einen ("meinem") Laden, war ich dann so erleichtert. Das nimmt einem so viel Angst vor diesem Krebskrieg, wenn man gerade dieses emotional so grässlich haarige Haar/Perückenthema gelöst bekommt und sich da gut aufgehoben fühlt)
  4. Drüber schlafen und "seine" Perücke nochmals besuchen.


Alles in allem war's heute in Ordnung.
12,5:4,5

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