Auf in die neue Woche. Die Sonne scheint und damit ist das beste eigentlich schon gesagt.
Mit anderen Worten, beginnt der Morgen damit, dass mein Mann sich freut, heuer keine Partys mehr zu haben, was mir irgendwie die Freude am Morgenkaffee vermiest.
Auch im Bad wird es nicht netter. Es ist nicht ungewöhnlich, dass mein Spiegelbild am Montagmorgen nicht besonders nett zu mir ist. Aber neben den üblichen Augenringen und unvorteilhaften Pickeln ist heut ein echter Bad Hair Day.
Mir gehen die Haare nämlich leider inzwischen von selber inzwischen aus. In großer Zahl - feiges Pack, soviel zu wir stehen das gemeinsam durch. Andererseits darf man nicht unfair sein. Sie sind die ersten Opfer im Feldzug gegen den Krebs. Gefallen in Verrichtung ihrer Pflicht, an der Front - Jawohl.
Wenn ich besser pfeifen könnte, würde ich den Zapfenstreich blasen (pfeifen), während ich zwei Handvoll Haare dem Mülleimer überantworte.
Auf dem Weg ins Büro mache ich einen Termin beim Friseur aus. Mir bricht das Herz, aber es wird nicht leichter, wenn ich es aufschiebe. Das macht dafür der Friseur, der hat heute nämlich keinen Termin mehr frei.
In der Arbeit geht es zäh, aber immerhin komme ich endlich mal wieder dazu, mich ordentlich um meine Fälle zu kümmern. Die Verkaufswerte von "Einfach kein Held" liegen auch nicht da, wo sie sein sollten. Das deprimiert mich. Ich grüble auf dem Rückweg, während ich hinter den Kollegen herdackle, woran das liegen könnte? Entweder daran, dass ich einfach und mit gutem Grund viel dünnhäutiger als früher bin und meine Nerven blank liegen. Oder aber daran, dass man dem ganzen Chemo-Terror am Besten dadurch entkommt, dass man sich mit anderen Problemen ablenkt. Oder aber daran, dass ich den Fantasyautoren-Schmarrn doch ernster nehme als gedacht?! Vielleicht ist diese Schreib-Manie ansteckend? Meine Immunwerte sind ja schlecht?!
Schmunzelnd sitze ich mit einer feiner Tasse Sommertee am PC und widme mich wieder brav und pflichtbewusst meinen Fällen. Fantasy muss warten, die neu zu schreibende ebenso wie die verkaufsbedürftige...
Ich lehne mich zurück und massiere meine Schläfen, das hilft oft. Dabei stütze ich jedenfalls meine Finger an meiner Stirn ab, genauer gesagt, in der Nähe meiner Augenbrauen. Das ist praktisch, bietet sich ergonomisch an und erlaubt gezieltes Massieren. Dumm ist nur, dass man dabei auch die Augenbrauen ein bisschen mitmassiert. Normalerweise kein Problem, aber jetzt schon, denn offenbar gehen die mir auch aus. Entsetzt starre ich auf den Schreibtisch, wo deutlich sichtbar weitere tote Haare liegen. Augenbrauen.
Ich atme tief ein und beschließe entgegen dem ersten Impuls NICHT zu schreien.
Bis mich Kopfschmerzen beim Denken stören. Offenbar bekomme ich neuerdings von der Klimaanlage Migräne, das ist neu, das war noch nie da.
Als ich an einem schwülen Münchner Sommertag völlig durchgeschwitzt Zuhause ankomme, rügt mich meine medizinstudierte Cousine, dass ich mir körperlich zuviel zumute.
Außer etwas Walken und vielleicht "langsam im Schatten radeln" dürfte ich eigentlich gar nichts tun ... außer mich umbringen vielleicht? Im Augenblick, so als Momentaufnahme, wäre das echt eine Alternative. So ein Mist! Ich schwanke zwischen Heulen und Um-Mich-Schlagen. Auf dem Weg in den Speicher, wo ein Sandsack hängt, komme ich am Schlafzimmer vorbei und werfe mich spontan aufs Bett, um ein bisschen zu Heulen.
Dabei fällt mir ein, dass Heulen schlecht für die Wimpern ist und ich entscheide mich lieber wieder um. Wimpern fallen bisher noch nicht auf und ich will dieses Glück nicht überstrapazieren.
Die Foren im Internet, die mein Mann beim Abendessen erwähnte (auf der Suche nach „künstlichen Augenbrauen“), sind der Frust pur, mal abgesehen von den höchst deprimierenden Heulstories dort, sind auch die Fakten selbst tatsächlich zum Heulen, was ja - siehe oben - den noch vorhandenen Wimpern schadet!
Zudem sieht man ohne Haare seltsam genug aus, da braucht man nicht auch noch rote Augen, eine geschwollene Nase und fleckige Backen - andererseits erkennt einen dann vermutlich keiner mehr? Entscheidungen über Entscheidungen.
Wo war ich stehen geblieben? Ich bin schon ganz durch den Wind!
Ach ja - Haarfakten: Also scheinbar kann es es kann mehrere Monate dauern, bis die Haare wieder zu wachsen anfangen und dann langsam, ungleichmäßig und zunächst kraus und grau... Entsetzlich!
Mein Kater bleibt verschollen und sonst gibt es auch nichts Erfreuliches zu berichten, weil ich in meinem Leben gerade nichts Erfreuliches entdecke.
Und jetzt, wo ich dringend reden müsste, ist da keiner und ich bin allein, allein, allein...
Das war heute nicht mein Tag - 10,5:4,5
Montag, 15. Juli 2013
Chemo - Bad Hair Day
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