Montag, 14. Oktober 2013

Schierlingsbecher - Krebs und Chemo

Drop it 2 - Debbie (www.piqs.de)
Chemo mit Taxan...

Oh mein Gott, es ist erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht, selbst dann, wenn man sich vor etwas fürchtet.
Das ganze wunderbare Herbst-Wochenende habe ich darüber gehadert, ob das jetzt gut oder schlecht ist, dass meine Blutwerte gut genug für die Fortsetzung mit Taxan sind.
Da half auch all die Aufregung rund um die Frankfurter Buchmesse nicht und auch nicht meine anderen Ängste, die meiner Autorenseele entspringen (aber von diesen Abenteuern berichte ich in meinem anderen Blog...).

Hier geht es aber um die Blutwerte. Und ob das jetzt gut oder schlecht ist, dass die so gut sind.
Na, das ist Jammern auf hohem Niveau, wenn meine Werte nämlich nicht gut genug wären, wäre es ja nicht vom Tisch, das leidige Chemo-Thema, sondern nur aufgeschoben.
Eine Schonfrist wäre dieser Aufschub aber nicht, weil ich dann ja mehr Zeit dafür hätte, mich höchst qualifiziert vor dem Unausweichlichen zu fürchten. Und machen wir uns nix vor - so schlimm wie man es sich ausmalt, wird es eigentlich nie.

Das ist das Wesen der Angst. Und über die Angst sollte man sich Gedanken machen, denn sie macht uns kränker als die Chemo.

Das Grauen hinter der Angst hat den einfachen Grund, dass niemand besser als die eigene Fantasie weiß, wovor man sich am meisten fürchtet. Und genau um diese düsterste der dunklen Ecken unserer Seele kreisen dann die Angstgeier und mit geradezu perverser Leidwolllust malt man sich das Grässliche ganz grauenhaft aus und gibt dann noch ein Quentchen Verzweiflung dazu, rührt kräftig mit Panik um und.... und bestellt den zweiten Gang! Angst ist eine Krankheit ganz eigener Art, man kann sich so schwer von ihr befreien, denn wir tragen sie eigentlich immer mit uns, seit dem Neandertal. Da haben wir sie auch gebraucht. Angst nährt Vorsicht. Doch dabei frisst sie unsere Seele auf. Also sollte sie nur punktuell und wohldosiert eingesetzt werden.
Angst lebt im Keller unserer Seele und nagt an den Fundamenten unserer Existenz. Sie holt das Schlechteste aus uns heraus und zwingt uns, uns selbst ins Gesicht zu sehen und sich selbst zu überwinden, denn nur so kann man auch sie überwinden.
Es ist ein schwerer Kampf, denn der Gegner kennt Dich so gut, besser als du selbst und anders als Du hat er Verstärkung dabei. Nein, da ist es schon besser, den Drachen zu fliegen. Aber wie?
Nun, andererseits - und das darf man nicht vergessen - bietet jeder einzelne Atemzug alle Möglichkeiten dieser Welt. Hoffnung, Kraft und Zuversicht. Und mit ihr kann man dann die Ängste meistern. Denn Angst ändert nichts an der Situation, aber sie hindert uns, es selbst zu tun. Darum ist es besser, sich den Ängsten zu stellen als mit ihnen zu leben.

Also atmete ich tief durch, wappne mich dem jedenfalls mittelfristig Unausweichlichen und trabe in die Klinik zur zweiten großen Chemo-Einheit mit dem gefürchteten Taxan, einer besonders fiesen Mischung, die vom Körper im Krieg gegen den Krebs maximale Leistungen abverlangt.
Morituri te salutant - wie die Asterix-Belesenen sagen würden... Ob Cäsars Soldaten das auch gesagt haben, als sie durch den kalten Rubicon geplanscht sind, während ihr Feldherr gewiss beritten und trockenen Fußes auf sie hinuntergesehen und müßig die berühmten Würfel in seiner Hand gerollt hat?
Egal - oder auch nicht, denn solche Gedanken lenken mich ab. Da vergeht die Zeit schneller.

Es klappt. Und siehe da, die Chemo ist erfreulich gut gelaufen.
Die Prozedur ähnelt der alten. 
Hingehen, warten, Blutabnehmen, Quicktest, Fusion anstöpseln, Tee trinken und dem Gifteinlauf aus dem an seinem Gestänge hängenden Schierlingsbeutel zusehen oder lesen...
Taxan läuft schneller und es ist auch weniger. Also bin ich erfreulich schnell fertig. Super.
Daheim komm ich mir albern vor, weil es nicht so schlimm war und meine Angst jetzt ein neues Opfer sucht und dort findet, wo mich alle anderen anschauen werden, mit diesem "Na, was hab ich gesagt"-Blick. 
Ich schäme mich vorsorglich, bis mir auffällt, dass ich eigentlich mit keinem so richtig darüber gesprochen habe. 
Das heißt, keiner weiß, dass es mir vor diesem Termin so ganz besonders gegraut hatte. Also muss ich auch keine Angst vor blöden Sprüchen haben.... die eh keine Berechtigung hätten, weil keiner weiß, was Chemo ist.
Etwas verspätet fällt mir auf, dass ich mich jetzt nicht meiner Angst, sondern meiner queren Gedanken schäme. Hilfe! Ich bin umzingelt.
Das ist aber ein gutes Zeichen. 
Wer sich über so was aufregt, scheint keine größeren Probleme zu haben. 
Und mit dieser relativ befriedigenden Erkenntnis gehe ich zufrieden früh ins Bett. 

Hab ich mir ja auch verdient.

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