Donnerstag, 17. Oktober 2013

Halali - Krebs und Chemonebenwirkungen

Heute war in Schwaiganger die wohl schwerste Jagd der Saison und natürlich war ich nicht dabei.
An Tagen wie diesen ist es immer besonders traurig, krank zu sein. Wenn vor dem eigenen Leben ein Schild angebracht ist mit einem Spiegel und der Aufschrift "Wir müssen leider draußen bleiben"... 
Aber ich will nicht jammern, mit meinem Schussel-Ross würde ich auch unter günstigeren Vorzeichen diese spezielle Jagd nicht reiten können. Also nicht weit... bis zum ersten Hindernis vermutlich... und dann müsste ich mein wehklagendes Ross zurücktragen. 
Meine Reitfreundin dagegen nimmt teil und als wir abends telefonieren ist sie immer noch total high vom Endorphin-Adrenalin-Cocktail. Das Schild vor meinem Leben quietscht sacht im Wind und ich bin down vom Chemo-Cocktail. Aber kein Spaßverderber. Immerhin verbuche ich so einen Trainingserfolg.
Nein, fraglos - heut ist nicht mein Tag.
Tag 3 ist allerdings nie lustig. Trotzdem macht es gerade noch viel weniger Spaß.
Ich fühl mich seit zwei Tagen wie auf einer Treibjagd. Dumm nur, dass ich eben nicht hoch zu Ross einen Fuchs verfolge, sondern eher der Hase bei der Sache bin, hinter dem ein Hunderudel her ist. (Angesichts dieses Bildes möchte ich darauf hinweisen, dass in Deutschland keine Tiere gejagt werden, sondern die Hunde eine Lebertranspur verfolgen... Mit Riesenbegeisterung für alle Beteiligten und die Zuschauer.)

Nein, vielleicht hatte ich mit der Taxan-Angst doch recht. Blöd, dass ich sie so vorschnell nieder gerungen und zurück gelassen habe, denn jetzt könnte ich sie brauchen, damit ich nicht ganz so allein wäre. Oder vielmehr so in der Minderheit. 
Allein bin ich nämlich nicht, sondern umringt von einer Schar ekliger Nebenwirkungen.
Der einzige und mich allein aufrechthaltende Trost ist der Gedanke, dass es meinem blöden Tumor laut letzter Ultraschallbilder noch schlechter geht als mir. Da lohnt es durchzuhalten, denn wenn der am Ende platt ist und ich noch stehe... Ha! 
Abgerechnet wird zum Schluss und Krebs ist keine Krankheit sondern Krieg. Last man standing.
Also zwinge ich mich, mich meinen ganzen Wehwehchen anzunehmen. 
Es ist, auch das muss man klar sagen, nicht so, dass die einzelnen Nebeneffekte so schrecklich wären. Jeder einzelne ist für sich ... sagen wir ... lästig. Aber in der Summe, ist es eben mehr als eine einfache Addition vermuten ließe.

Fazit: Man darf sie sich nicht zusammenrotten lassen, die Biester, sondern muss rambo-mäßig jeden einzelnen Nebeneffekt beobachten und in einem unaufmerksamen Moment aus dem Hinterhalt erledigen, bis irgendwann keiner mehr da ist. 
Guerilla-Treibjagd mit Stockcar-Finale oder so.
Seht mir das wirre Zeug nach.
Offenbar schlägt Taxan auch aufs Hirn. Na, da kann ich jetzt grad nix machen, da müssen wir alle miteinander durch.
Also Step by Step und erst mal Bestandsaufnahme:
  • Schweißausbrüche...
    Sauber waschen, kein Parfüm, gute T-Shirts tragen
  • Kopfschmerzen...
    Ignorieren, so schlimm sind sie nicht, etwas massieren der Schläfen hilft.
  • Müdigkeit...
    Ausschlafen, das ist gut, dann verschläft man wie ein kleiner Braunbär die Tiefphasen. Seit ich Chemo habe, entwickle ich mich zum Bärenfreund.
    Aber wenn man wach ist, aufrecht stehen und gezielt machen, was man sich vornimmt.
  • Trockene Haut...
    sauber eincremen - auch wenn ich das sonst frauenuntypisch nicht gerade zelebriere.
  • Haarloses Gesicht....
    Schminken. ein gekonnter Lidstrich ersetzt Wimpern, mit Kajal und Mascara entstehen Augenbrauen und zwar endlich so, wie ich sie mag. Ein schwacher Trost ist besser als keiner.
  • Wunde Nagelbetten ...
    Pflegetinktur auftragen. Onyx Nailcare kann ich da sehr empfehlen. Gibt es in der Apotheke
  • Brüchige Nägel ...
    kann man tapen - idealerweise nachdem man auch sie mit Onyx eingepinselt hat. Denen hilft es auch.
  • Wunder Mund...
    sehr lästig, aber in der Apotheke gibt es Minerallutschguttis, die so einen Film im Mund hinterlassen. Sehr gut. Dazu die Gurgellösung auch gut, stoppt den Schmerz gerade nach dem Essen.
  • Fehlender Geschmackssinn...
    Das ist ein Thema, zu dem in den einschlägigen Foren nur Passiv-Tipps stehen. Blödsinn. Klagt nicht, kämpft! Und das geht so:
    Erst riechen, dann kauen und an den Geruch und den Geschmack denken und auf Hinweise warten. Man schmeckt dann was, nicht viel, aber genug. Es lohnt den Aufwand. Wirklich und man verändert sein Bewusstsein in Bezug auf das Essen. Was zu neuer Lebensqualität an anderer Stelle führt. Und das meine ich ernst. Respekt vor dem Essen wird belohnt.
  • Prickelnde Finger...
    Das ist neu, kühl halten hilft. Ansonsten ignorieren, was sich nicht ändern lässt. Ihr Nerven geht mir nicht auf die Nerven!
  • Übelkeit...
    ist nicht so schlimm. wenn man Reizkost weglässt. Kohlensäure ist schlecht, auch für den wunden Mund. Da ist echt "Säure" drin, war mir bisher nie aufgefallen. Am besten geht Tee mit Milch. Auch Kaffee scheint säurehaltig zu sein? Man lernt nie aus.
Nachdem ich mit diesen Notizen hier fertig bin, arbeite ich noch ein bisschen an meinem Buch. Das Schöne an einem Fantasy-Roman ist, dass man sich austoben kann. Ich schreibe also an einer Szene mit einem Dämonen, der von den Helden böse überrascht wird und fordere meinen Krebs auf, mir beim Korrekturlesen zuzuhören, damit er weiß, was ungeladene Gäste erwartet. Lautes Korrekturlesen verbessert nicht nur den Ausdruck, sondern auch die Motivation. Und dann poste ich noch ein bisschen im #BlogdurchsBuch. Das ist mein Trost in nächtlicher Stunde. Da habe ich auch schon eine kleine aber feine Fangemeinde überzeugen dürfen, die wie eine kleine Karawane brav durch die Blogs zieht... Das freut mich.

So gesehen... Hm. Hinten raus fühlt sich der Tieftag besser an, als von vorn rein erwartet... Ein bisschen Federn lässt man immer. Auch als Fuchs.

53,5 : 8,5

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