Dienstag, 27. August 2013
Cancer-Noa: Unter Krebskollegen
Cancer-Noa: Unter Krebskollegen: Fraglos ist es nicht lustig, wenn man all die spannenden Erkenntnisse, über die ich mich hier so ergehe, im großen Krebsprogramm gewinnt. D...
Unter Krebskollegen
Fraglos ist es nicht lustig, wenn man all die spannenden Erkenntnisse, über die ich mich hier so ergehe, im großen Krebsprogramm gewinnt. Das ginge einfacher auch und daher empfehle ich all meinen Lesern ausdrücklich Mäßigung. Ich bin überzeugt, dass man den Großteil meiner kleinen philosophischen Schule auch einfacher hätte entwickeln können.
Meine Schwägerin hat heute mit ihrer Chemo begonnen. Sie hatte vor ein paar Jahren schon einmal die Ochsentour durchgemacht, danach ein paar Metastasen als Souvenir behalten, die zwischendrin immer mal ein bisschen bestrahlen lassen - doch jetzt ist es wieder schlimmer geworden. Oder besser gesagt - ganz schlimm. Chemo, 8 Zyklen, Taxan. Großes Programm.
Und das bringt mich in eine schwierige Situation. Sie verträgt die Chemo im Gegensatz zu mir, die ich eigentlich recht gut über die Runden komme, nämlich überhaupt nicht.
Sie tut mir leid, weil es mir schlecht genug geht, dass ich weiß, wie schlecht es ihr geht.
Und ich leide mit ihr, weil es mir genauso gehen könnte.
Und ich bin froh, wenn ich ehrlich bin, dass mir das wenigstens erspart bleibt.
Und doch leide ich mit ihr, da ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich froh bin.
Das ist charakterlich hässlich. Und schon leide ich mit. Aktiv. Das bringt beiden nichts.
Ich würde ihr gerne helfen. Aber ich weiß nicht wie. Das ist noch so ein hässliches Gefühl. Fühlen sich so meine Freunde? Ich bin verwirrt.
Im Gegensatz zu meinen Freunden kann ich wenigstens sinnvolle Tipps geben.
In den Disziplinen
bin ich ziemlich gut und habe viel Expertise zu bieten. Im Direktvergleich mit meinen Chemo-Kollegen bin ich da sogar so etwas wie ein Kreativ-Genie, auch wenn das jetzt überheblich klingt. Aber dieses "Wenn es keine Chemo ohne Nebenwirkungen gibt, muss man eben am Patienten ohne Nebenwirkungen basteln", hat für mich eine Eigendynamik entwickelt, schon fast eine Obsession... Nun, es gibt gefährlichere Obsessionen. Und ich war schon immer der Wettkampftyp.
Aber drängt man sich auf, wenn man das aktiv anspricht, obwohl man nicht gefragt wird? Vielleicht aber ist auch die Schwägerin scheu und spricht nicht an, wovon sie annimmt, dass es auch mich belastet?
Oh je.
Ein schmaler, ein sehr schmaler Grat würd ich mal sagen und glitschig obendrein, vermutlich von all den Fettnäpfchen außen herum.
Die Situation hat schon was von Parzifal, der sich nicht getraut hat, den Gralskönig nach seinem Leid zu fragen und deshalb prompt den Gral verspielt und dann gefühlte 100 Millionen Strophen lang über sein Schweigen gebrütet hat. Ich kann's nicht richtig machen und je länger ich nachdenke, desto schwieriger wird es. Sonst bin ich nicht so verkrampft, aber ich sehe, wie sehr die Beschäftigung mit dem Thema viele Patienten und so auch meine Schwägerin belasten, sodass es unter Umständen genau den gegenteiligen Effekt hätte, ihr Ratschläge zu erteilen.
Ich könnte mal meine Nichte fragen... und der die Tipps geben. Von der Tochter nimmt sie die Tipps vielleicht an und die erwischt sie eher mal zu einem Zeitpunkt, wo sie eh drüber reden will. Ein bisschen Jammern ist ja ok...
Das ist vielleicht feige, aber vielleicht ist es auch ein guter Kompromiss.
So wird's gemacht.
Meine Schwägerin hat heute mit ihrer Chemo begonnen. Sie hatte vor ein paar Jahren schon einmal die Ochsentour durchgemacht, danach ein paar Metastasen als Souvenir behalten, die zwischendrin immer mal ein bisschen bestrahlen lassen - doch jetzt ist es wieder schlimmer geworden. Oder besser gesagt - ganz schlimm. Chemo, 8 Zyklen, Taxan. Großes Programm.
Und das bringt mich in eine schwierige Situation. Sie verträgt die Chemo im Gegensatz zu mir, die ich eigentlich recht gut über die Runden komme, nämlich überhaupt nicht.
Sie tut mir leid, weil es mir schlecht genug geht, dass ich weiß, wie schlecht es ihr geht.
Und ich leide mit ihr, weil es mir genauso gehen könnte.
Und ich bin froh, wenn ich ehrlich bin, dass mir das wenigstens erspart bleibt.
Und doch leide ich mit ihr, da ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich froh bin.
Das ist charakterlich hässlich. Und schon leide ich mit. Aktiv. Das bringt beiden nichts.
Ich würde ihr gerne helfen. Aber ich weiß nicht wie. Das ist noch so ein hässliches Gefühl. Fühlen sich so meine Freunde? Ich bin verwirrt.
Im Gegensatz zu meinen Freunden kann ich wenigstens sinnvolle Tipps geben.
In den Disziplinen
- leichte Nebenwirkungen ignorieren
- schwere Nebenwirkungen bekämpfen
- resistente Nebenwirkungen ertragen
bin ich ziemlich gut und habe viel Expertise zu bieten. Im Direktvergleich mit meinen Chemo-Kollegen bin ich da sogar so etwas wie ein Kreativ-Genie, auch wenn das jetzt überheblich klingt. Aber dieses "Wenn es keine Chemo ohne Nebenwirkungen gibt, muss man eben am Patienten ohne Nebenwirkungen basteln", hat für mich eine Eigendynamik entwickelt, schon fast eine Obsession... Nun, es gibt gefährlichere Obsessionen. Und ich war schon immer der Wettkampftyp.
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Aber drängt man sich auf, wenn man das aktiv anspricht, obwohl man nicht gefragt wird? Vielleicht aber ist auch die Schwägerin scheu und spricht nicht an, wovon sie annimmt, dass es auch mich belastet?
Oh je.
Ein schmaler, ein sehr schmaler Grat würd ich mal sagen und glitschig obendrein, vermutlich von all den Fettnäpfchen außen herum.
Die Situation hat schon was von Parzifal, der sich nicht getraut hat, den Gralskönig nach seinem Leid zu fragen und deshalb prompt den Gral verspielt und dann gefühlte 100 Millionen Strophen lang über sein Schweigen gebrütet hat. Ich kann's nicht richtig machen und je länger ich nachdenke, desto schwieriger wird es. Sonst bin ich nicht so verkrampft, aber ich sehe, wie sehr die Beschäftigung mit dem Thema viele Patienten und so auch meine Schwägerin belasten, sodass es unter Umständen genau den gegenteiligen Effekt hätte, ihr Ratschläge zu erteilen.
Ich könnte mal meine Nichte fragen... und der die Tipps geben. Von der Tochter nimmt sie die Tipps vielleicht an und die erwischt sie eher mal zu einem Zeitpunkt, wo sie eh drüber reden will. Ein bisschen Jammern ist ja ok...
Das ist vielleicht feige, aber vielleicht ist es auch ein guter Kompromiss.
So wird's gemacht.
Montag, 19. August 2013
Wetterhexe - Krebs und Jammern
Und der Regen, Regen, Regen fällt - vom Himmelszelt auf meine Welt, oh yeah!
Ich muss aufpassen, dass ich im trauten Kreise meiner Kollegen nicht zuviel jammere, weniger über den Krebs an sich als über all die Probleme im Büro, das schlechte Benehmen von den Chefs, diese furchtbare Art von unserem einen Chef, der die Angewohnheit hat, missliebige Mitarbeiter nicht zu kündigen, sondern beim "Rausmobben" in den Wahnsinn zu treiben. Wahnsinn!
Wie ein paar Idioten zig Menschen das Leben vermiesen können, würde mich auch dann ärgern, wenn es mich nicht direkt beträfe.
Trotzdem macht das darüber Reden das Arbeiten nur schlimmer.
Naja, natürlich muss man sich mal auskotzen, aber irgendwie bekommt das Gejammer in letzte Zeit eine verzweifelte Komponente, die uns runterzieht, statt zu erleichtern. Darüber muss ich noch nachdenken, das macht mir Sorgen. Es ist ganz allgemein so, dass man über das Jammern sich unweigerlich auf das Elend fokussiert. Auf den Gegenstand, den man Beklagen will. So erhalten diese Dinge Macht über uns, unsere Befindlichkeiten und erobern sich damit einen Platz im Leben, der ihnen doch nach unserem eigenen Empfinden nicht zusteht. Natürlich nicht, sonst würden wir ja nicht jammern. So aber gewinnt durch das Artikulieren das Thema an Bedeutung und wenn man sich mit Leidensgenossen unterhält, dann wird das eigene Leid noch besser erfasst, denn womöglich hat man ja einen kleinen Aspekt übersehen, der einem Mitleidenden aufgefallen ist und der das eigene Klagelied ergänzt.
Es ist gut, über seine Sorgen zu sprechen und tatsächlich ist es tröstlich, wenn man mit seinen Problemen nicht allein ist. Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es. Das bedeutet aber nicht, dass arithmetisch nachvollziehbar sich Leid dadurch, dass es geteilt, also "umverteilt" wird, halbiert, sondern vielmehr, dass Leid erträglich ist, wenn wir nicht allein damit sind, wenn andere also richtig "mitleiden". Die Leidensgenossenschaft lebt von der kleinlichen Erkenntnis, dass es nicht so schlimm ist, wenn es für alle gleich schlimm ist. Egal ob das jetzt Armut oder Hunger ist. So lässt sich z.B. die überaus erstaunliche Tatsache erklären, dass die nach eigenem Bekunden glücklichsten Menschen in Ländern leben, die mit 3. Welt womöglich noch euphemistisch beschrieben wären.
Daraus lässt sich ableiten, dass Jammern eine hohe Kunst ist. Etwas, das man präzise ausführen sollte. Huh, jetzt wird es schon wieder kompliziert.
Jammern ist gut, wenn man mal Mitgefühl und Verständnis braucht. Jammern ist gut, wenn der Leidensdruck unerträglich wird, und man dann einmal ein Ventil benötigt. Jammern ist gut, weil eine Dosis Selbstmitleid eben zum Leben dazugehört, diese dunklen Stunden, wenn man sich wie in einer griechischen oder wenigsten shakespearschen Tragödie fühlt und ernsthaft fragt, wer sich nicht alles gegen einen verschworen hat..
Aber Jammern bedarf der Kontrolle. Speziell in Bezug auf die Wirkung.
Wenn es einem danach nicht besser geht, ist es schade um den Aufwand. Dann ist es vergeudete Zeit, dann ist es dumm.
Wenn es einem sogar schlechter geht danach, wenn einen das Jammern runterzieht, dann sollte man sich den Spaß versagen. Ein unfeines arabisches Sprichwort sagt, dass Scheiße erst dann zu stinken anfängt, wenn man darin herumrührt. Das hat viel Wahres.
Die Magen-Tabletten, die ich vorgestern vergessen habe, nehme ich jetzt noch nach, aus diätischen Gründen und damit ich die Mengenangaben halte. Ansonsten fühle ich mich einfach genervt, mir geht in meinem privaten Krebs-Feldzug – wie so oft in solchen Dingen, die sich nicht in Wochenfrist erledigen lassen – der Elan aus.
Ich müsste mich dringend bei zig Freunden melden und schaffe es nicht, ebenso wie ich nicht hinbekomme, mein Krebsprogramm so brav weiter durchzuziehen. Vielleicht geht es mir insgesamt zu gut?
Vielleicht liegt es auch am Wetter, denn es regnet, regnet, regnet.
Ich muss aufpassen, dass ich im trauten Kreise meiner Kollegen nicht zuviel jammere, weniger über den Krebs an sich als über all die Probleme im Büro, das schlechte Benehmen von den Chefs, diese furchtbare Art von unserem einen Chef, der die Angewohnheit hat, missliebige Mitarbeiter nicht zu kündigen, sondern beim "Rausmobben" in den Wahnsinn zu treiben. Wahnsinn!
Wie ein paar Idioten zig Menschen das Leben vermiesen können, würde mich auch dann ärgern, wenn es mich nicht direkt beträfe.
Trotzdem macht das darüber Reden das Arbeiten nur schlimmer.
Naja, natürlich muss man sich mal auskotzen, aber irgendwie bekommt das Gejammer in letzte Zeit eine verzweifelte Komponente, die uns runterzieht, statt zu erleichtern. Darüber muss ich noch nachdenken, das macht mir Sorgen. Es ist ganz allgemein so, dass man über das Jammern sich unweigerlich auf das Elend fokussiert. Auf den Gegenstand, den man Beklagen will. So erhalten diese Dinge Macht über uns, unsere Befindlichkeiten und erobern sich damit einen Platz im Leben, der ihnen doch nach unserem eigenen Empfinden nicht zusteht. Natürlich nicht, sonst würden wir ja nicht jammern. So aber gewinnt durch das Artikulieren das Thema an Bedeutung und wenn man sich mit Leidensgenossen unterhält, dann wird das eigene Leid noch besser erfasst, denn womöglich hat man ja einen kleinen Aspekt übersehen, der einem Mitleidenden aufgefallen ist und der das eigene Klagelied ergänzt.
Es ist gut, über seine Sorgen zu sprechen und tatsächlich ist es tröstlich, wenn man mit seinen Problemen nicht allein ist. Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es. Das bedeutet aber nicht, dass arithmetisch nachvollziehbar sich Leid dadurch, dass es geteilt, also "umverteilt" wird, halbiert, sondern vielmehr, dass Leid erträglich ist, wenn wir nicht allein damit sind, wenn andere also richtig "mitleiden". Die Leidensgenossenschaft lebt von der kleinlichen Erkenntnis, dass es nicht so schlimm ist, wenn es für alle gleich schlimm ist. Egal ob das jetzt Armut oder Hunger ist. So lässt sich z.B. die überaus erstaunliche Tatsache erklären, dass die nach eigenem Bekunden glücklichsten Menschen in Ländern leben, die mit 3. Welt womöglich noch euphemistisch beschrieben wären.
Daraus lässt sich ableiten, dass Jammern eine hohe Kunst ist. Etwas, das man präzise ausführen sollte. Huh, jetzt wird es schon wieder kompliziert.
Jammern ist gut, wenn man mal Mitgefühl und Verständnis braucht. Jammern ist gut, wenn der Leidensdruck unerträglich wird, und man dann einmal ein Ventil benötigt. Jammern ist gut, weil eine Dosis Selbstmitleid eben zum Leben dazugehört, diese dunklen Stunden, wenn man sich wie in einer griechischen oder wenigsten shakespearschen Tragödie fühlt und ernsthaft fragt, wer sich nicht alles gegen einen verschworen hat..
Aber Jammern bedarf der Kontrolle. Speziell in Bezug auf die Wirkung.
Wenn es einem danach nicht besser geht, ist es schade um den Aufwand. Dann ist es vergeudete Zeit, dann ist es dumm.
Wenn es einem sogar schlechter geht danach, wenn einen das Jammern runterzieht, dann sollte man sich den Spaß versagen. Ein unfeines arabisches Sprichwort sagt, dass Scheiße erst dann zu stinken anfängt, wenn man darin herumrührt. Das hat viel Wahres.
Die Magen-Tabletten, die ich vorgestern vergessen habe, nehme ich jetzt noch nach, aus diätischen Gründen und damit ich die Mengenangaben halte. Ansonsten fühle ich mich einfach genervt, mir geht in meinem privaten Krebs-Feldzug – wie so oft in solchen Dingen, die sich nicht in Wochenfrist erledigen lassen – der Elan aus.
Ich müsste mich dringend bei zig Freunden melden und schaffe es nicht, ebenso wie ich nicht hinbekomme, mein Krebsprogramm so brav weiter durchzuziehen. Vielleicht geht es mir insgesamt zu gut?
Vielleicht liegt es auch am Wetter, denn es regnet, regnet, regnet.
30:7
Freitag, 16. August 2013
Cancer-Noa: Katzenjammer - Krebs im Alltag
Cancer-Noa: Katzenjammer - Krebs im Alltag: Ich wache auf, habe verschlafen und es regnet. Super! Ich rumple aus dem Bett, hüpfe über den Hund, weil ich ihn erst in letzter Sekunde ...
Mittwoch, 14. August 2013
Katzenjammer - Krebs im Alltag
Ich wache auf, habe verschlafen und es regnet.
Super!
Ich rumple aus dem Bett, hüpfe über den Hund, weil ich ihn erst in letzter Sekunde sehe, rutsche aus und rumple gegen den Schrank. Es scheppert als wäre ich eine Abrissbirne.
Mein Mann erschrickt, sprintet die Treppe rauf, sieht das nichts passiert ist und brüllt mich vor Erleichterung erst einmal an.
Auch in der Arbeit ist viel zu viel zu tun und dass ich verspätet anfange, verbessert die trostlose Ausgangslage an meinem unter seiner Last zusammenbrechenden Schreibtisch nicht gerade.
Es wird einfach nicht weniger, nur die Aufgaben werden hässlicher. Man traut sich nicht, mir gute Projekte (anspruchsvolle, spannende Mandate mit Außenkontakt) zu geben.
Vielleicht aus Angst, dass ich krank - oder vielmehr kränker - werden und dann ausfallen könnte. Und dann müsste sich einer meiner Kollegen einarbeiten oder einer meiner Mandanten an einen neuen Anwalt gewöhnen. Was bleibt, sind also die traurigen Fälle, die sonst liegen blieben. Bzw. schon ewig liegen geblieben sind. Aus gutem Grund.
Ich sitze davor, versuche mich von der bösen Papierschlange nicht in die Kanninchen-Rolle drängen zu lassen und nehme mir vor, lieber ein Mungo zu sein.
Auch für Mungos war es ein langer Tag und ein harter Kampf. Kriegerische Gedanken verlieren an Schwung, wenn man zur Ruhe kommt. Stattdessen kommen sie ins Trudeln.
Als ich abends durch den Regen heim patsche bin ich fix und fertig. Es gewitterregnet und es ist nass.
Und kalt. Und dunkel.
Ich fühle mich vom Leben überfordert und vom Regen persönlich angegriffen.
Auf dem Nachhauseweg treffe ich den gleichfalls schlecht gelaunten Kater meines Mannes, der bei solchem Wetter tatsächlich mal heimkommt, ohne dass man ihn ruft. Das ist zwar nett, führt mir aber vor Augen, dass mir mein Kater unendlich fehlt.
Im neu gestrichenen Wohnzimmer auf der neuen Couch sitzen wir - der Kater und ich - aber dann leicht feucht, aber doch sehr einträchtig beisammen und warten auf das Abendessen. "Tapetenwechsel" hat schon nicht umsonst den Weg in die Sprichwortlexika geschafft, das hat echt was tolles.
Ich hatte erst Angst, dass trotz heller Couch (cremegelb) die zwei schokobraunen Wände den Raum zu dunkel machen, aber das tun sie nicht.
Im Gegenteil, sie wirken gemütlich aber edel.
Eine gute Kombi.
Ich schlafe ein und werde erst zum Abendessen geweckt - Pasta Aglio e Olio mit Salat.
Eines meiner Leibgerichte!
Super!
Ich rumple aus dem Bett, hüpfe über den Hund, weil ich ihn erst in letzter Sekunde sehe, rutsche aus und rumple gegen den Schrank. Es scheppert als wäre ich eine Abrissbirne.
Mein Mann erschrickt, sprintet die Treppe rauf, sieht das nichts passiert ist und brüllt mich vor Erleichterung erst einmal an.
Auch in der Arbeit ist viel zu viel zu tun und dass ich verspätet anfange, verbessert die trostlose Ausgangslage an meinem unter seiner Last zusammenbrechenden Schreibtisch nicht gerade.
Es wird einfach nicht weniger, nur die Aufgaben werden hässlicher. Man traut sich nicht, mir gute Projekte (anspruchsvolle, spannende Mandate mit Außenkontakt) zu geben.
Vielleicht aus Angst, dass ich krank - oder vielmehr kränker - werden und dann ausfallen könnte. Und dann müsste sich einer meiner Kollegen einarbeiten oder einer meiner Mandanten an einen neuen Anwalt gewöhnen. Was bleibt, sind also die traurigen Fälle, die sonst liegen blieben. Bzw. schon ewig liegen geblieben sind. Aus gutem Grund.
Ich sitze davor, versuche mich von der bösen Papierschlange nicht in die Kanninchen-Rolle drängen zu lassen und nehme mir vor, lieber ein Mungo zu sein.
Als ich abends durch den Regen heim patsche bin ich fix und fertig. Es gewitterregnet und es ist nass.
Und kalt. Und dunkel.
Ich fühle mich vom Leben überfordert und vom Regen persönlich angegriffen.
Auf dem Nachhauseweg treffe ich den gleichfalls schlecht gelaunten Kater meines Mannes, der bei solchem Wetter tatsächlich mal heimkommt, ohne dass man ihn ruft. Das ist zwar nett, führt mir aber vor Augen, dass mir mein Kater unendlich fehlt.
Im neu gestrichenen Wohnzimmer auf der neuen Couch sitzen wir - der Kater und ich - aber dann leicht feucht, aber doch sehr einträchtig beisammen und warten auf das Abendessen. "Tapetenwechsel" hat schon nicht umsonst den Weg in die Sprichwortlexika geschafft, das hat echt was tolles.
Ich hatte erst Angst, dass trotz heller Couch (cremegelb) die zwei schokobraunen Wände den Raum zu dunkel machen, aber das tun sie nicht.
Im Gegenteil, sie wirken gemütlich aber edel.
Eine gute Kombi.
Ich schlafe ein und werde erst zum Abendessen geweckt - Pasta Aglio e Olio mit Salat.
Eines meiner Leibgerichte!
29:7
Dienstag, 13. August 2013
Schusseldussel - Krebs Nebenwirkungen
Am Tag 1 nach der Chemo bin ich müde.
Aber das weiß ich schon und ist ja auch ganz praktisch, weil man dann die mauen Tage auslässt. Ich schlaf mich den Nebenwirkungen einfach davon. Ha!
Die Aufregung gestern war mir aber zuviel, glaube ich, und so bin ich weniger müder als sonst und mir ist immer noch ein bisschen schlecht. Nicht schlimm, nur so als... wie soll ich sagen... als würde man spüren, dass was im Anzug ist, aber es noch nicht da ist.
Bei Erkältungen hat man das ja öfter, nur hier ist es eben im Bauch.

Blöd nur, dass ich dieses Mal nicht schlafen kann.
Also arbeite ich ein bisschen.
Nur mal kurz E-Mails checken und so.
Allerdings überfordert mich an Tagen wie diesen auch das "nur kurz" Arbeiten.
Blöd, dass ich es trotzdem tue.
So zockel ich durch den Tag, der sich zieht wie Kaugummi.
Ich komm mir vor wie das Schaf auf der Postkarte... "Alles blöd".
In der Stimmung ist der Umgang mit meinem Mann schwierig.
Einerseits geht es mir nicht gut genug, um keine Rücksicht zu brauchen, andererseits aber auch zu gut, um pflegebedürftig zu wirken.
Und um ganz ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht, was ich erwarte.
Einerseits will ich keine Pflege, weil ich mich dann wie ein Krüppel fühle, andererseits aber wäre ich schon froh, um etwas Hilfe...
Das offenbar intelligentere Männchen auf meiner Schulter fasst sich an den Kopf und stöhnt - Dir ist nicht zu helfen!
Das andere Männchen, das etwas langsamer ist, fällt höhnisch ein - Selbst schuld, schön blöd.
Das diskretere versucht es mit Fremdschämen. Schwierig, denn sie alle sind ein Teil von mir.
Der Vorteil der Schizophrenie ist, dass man nie allein ist.
Wir, also meine Männchen, mein Mann und ich eiern etwas umeinander herum, aber eigentlich ist der Abend dann doch ganz harmonisch.
Im Nachgang, nach dem Zähneputzen, fällt mir dann auf, dass ich heute keine Tabletten genommen habe.
So wie gestern auch schon!
Schusseldussel - das ist der Nachteil, wenn der Bauch die Chemo verträgt - dann rächt sie sich am Gehirn!
Nö, das war vom Start nicht besser - da kann die Chemo ausnahmsweise mal nix dafür. Vergesslich war ich schon immer. Ein Schussel halt. Vor allem in eigener Sache.
Ich nehme die Tabletten eben jetzt und wiege mich, ein abendliches Ritual, dass seit Beginn der Krebsstory wie schon erwähnt, deutlich an Schrecken verloren hat.
Fazit: Es geht auch ohne Pillen, aber schlechter. Das zeigt, dass man sie nehmen sollte. So wie der Arzt es gesagt hat.
Insbesondere scheint das Abnehmen an den Tabletten zu liegen, denn nun habe ich wieder zugelegt.
Aber das ist ein Luxusproblem. Und verdiente Schusselstrafe. Ich gelobe Besserung.
28:7
Montag, 12. August 2013
Hitzewallungen - Krebs im Büro
Der Chemotag bricht an und ich stelle fest, dass es auch da sowas wie Routine gibt.
Egal, vorwärts durch, rückwärts bringt es auch nix.
Das ist vermutlich das Erfolgskonzept des Menschen. Diese Fähigkeit, sich mit dem Unvermeidlichen zu arrangieren. Heute ist es heiß. Sommerheiß ist keine gute Voraussetzung für die Chemo. Wäre Winter besser? Wahrscheinlich. Oder auch nicht. Es ist immer das, was man hat, das, dass man als falsch empfindet. Klar, denn das, was man nicht hat, bleibt den Beweis der vermuteten Qualität schuldig. Ob die Chemo aufs Hirn schlägt? Damit man den Krebs schwindlig denkt? Scheint zu klappen!
Beim Arztgespräch hab ich wenig zu sagen.
Ich habe keine Nebenwirkungen außer diesen Stimmungsschwankungen und die können auch an etwas anderem liegen...
Das könnte Übelkeit auch, aber das will der Arzt nicht hören.
Auch recht.
Ich spreche nochmals meine medizinischen Bedenken an, aber dafür werde ich an die Spezialisten verwiesen, was sehr deprimierend ist. Weil dass der sagen wird, dass ich mit dem Chemo-Experten reden soll, das kann ich auch sagen, ohne erst wieder einen Termin zu erzwingen.
Wenn man mit Depressionen und kaputten Knien (was nun beides nicht so wahnsinnig exotische Leiden sind) Krebs bekommt (was nun zwar nicht lustig, aber statistisch gesprochen auch eher Mainstream ist), dann bräuchte ich einen Chemoarzt, einen Kniespezialisten und einen Psychiater.
Irritiert schau ich nochmal auf die Stempel in meinem Patientenausweis.
Da steht brettelbreit, dass ich in einem interdisziplinären Brustzentrum sitze.
Interdisziplinär - das klingt gut und trendy und ein bisschen so wie international - nein, ich bin mir sicher, dass der Name besagt, dass man da Ärzte im Rudel trifft und zwar aus verschiedenen Disziplinen.
In der Praxis heißt das aber, dass da zwar verschiedene Ärzte da sind, aber nicht gleichzeitig. Außer in der Kantine. Aber sonst? Never ever. Weiß nicht, warum.
Deshalb jedenfalls scheint es schier unmöglich, mit einer so überaus außergewöhnlichen Frage wie der, ob angesichts der Vorverletzungen am Knie und der bereits vorhandenen Depressionen eine ebenjene Symptome verstärkende Medikation die individuell beste ist, gehört zu werden.
Oder vielmehr hierauf eine Antwort zu kriegen.
Na, man wird sehen, das andere Medikament, dieses Taxan kommt ja erst ab dem 4. oder 5. Zyklus - je nachdem ob es 6 oder 8 Runden werden, was sich jetzt nach dieser Chemoeinheit entscheiden wird. Ich habe also noch etwas Zeit zum Nerven. Welch erbauliche Aussicht.
Kurz darauf sitze ich auf meinem Stühlchen an meinem Tropf und sehe zu, wie das Zeug in mich eintröpfelt... Dieses Mal wird mir etwas schummrig beim Abfüllen, aber das kann auch daran liegen, dass ich nicht ganz so gut vorbereitet bin, wie ich schon war (elende Schlamperei, wenn ich einmal einer Katastophe entgehe, lasse ich sofort alle Disziplin fahren!).
Normalerweise nämlich sammle ich mich. Mache morgens ein paar Atemübungen, die mich je nach persönlichem Glauben entweder mit Sauerstoff versorgen und so meinen Körper stärken, oder aber auch meine mentalen Kräfte fördert. So wie man vor einer Rede anders einatmet als danach und somit Stimmungen die Atmung beeinflusst, so sehr kann nach dieser These auch die Atmung die Emotion beeinflussen. Ich gehöre zur zweiten Spezies, der das plausibel erscheint. Was nun zuerst da war, der Glaube oder die Wirkung, sei hier dahingestellt. Ich kann nur festhalten, dass es mir schlechter geht, wenn ich vorher nicht schnaufe. Argh! Natürlich geht es dann schlechter. Ich meine, wenn man nicht bewusst schnauft, also im Sinne dieser Übungen.
Dieses Mal jedenfalls ist es schwieriger. Ich leide jedenfalls unter sommerlich passenden Hitzewallungen, leichtem Schwindel und dem Gefühl, als hätte ich zuviel gegessen, was nicht stimmt.
Nach der Chemo habe ich dann das Vergnügen, die neue Kollegin kennen zu lernen. Mein Chef hat sehr deutlich gemacht, dass es sich um einen Pflichttermin handelt, den ich ungeachtet solcher Banalitäten wie einer Chemo wahrzunehmen habe.
Mein Vorschlag, das um ein paar Tage zu verschieben, wurde damit abgetan, dass die Dame nur heute in München sei und man ihr nicht zumuten könne, den neuen Arbeitsplatz ein zweites Mal zu besuchen.
Na gut.
Das Gespräch lief recht gut, bis auf den Umstand, dass ich schwitze wie ein Schwein und mir leicht übel ist. Die Kollegin scheint menschlich nicht unangenehm zu sein, wobei auf die Frage nach den Mandaten, die sie ja angeblich mitbringt und weshalb man sie unbedingt einstellen muss, für mich zumindest klipp und klar gesagt wird, dass sie keine sicheren Mandate mitbringt und speziell nicht aus dem Energierecht, weil sie in die Branche erst reinwill.
Na, das relativiert dieses "Die müssen wir einstellen, so eine Chance kommt nie wieder" doch erheblich.
Aber gut, des Menschen Wille ist sein Himmelreich und das gilt auch für Chefs.
Mir ist furchtbar heiß, aber das könnte am Sommer liegen.
Ein anderer Kollege führt jetzt das Gespräch und erzählt, weil er sich so gerne reden hört, weitschweifig, was er sich als Antwort auf seine Fragen vorstellt und die neue Kollegin nickt höflich und denkt sich vermutlich ihren Teil (oder auch nicht) und ich wäre lieber Daheim.
Bei der Verabschiedung sage ich freundlich, dass mich das Gespräch gefreut hat, was sogar halbwegs stimmt, und ob sie zum Oktoberfest nach München kommt... Und sie antwortet völlig arglos, dass sie eh jedes Wochenende hier ist, weil ihr Lebensgefährte ja in München lebt, weshalb sie ja auch herziehen will.
Dieses Mal weiß ich woher die neue Hitzewallung kommt. Rotglühender Zorn aus den tiefsten Tiefen der Hölle und das teuflisch intensive Gefühl, auf der Stelle jemanden zu erwürgen!
Wertet es als Zeichen meiner inneren Größe, dass ich das nicht zum Anlass genommen habe, meinem Chef auf seinen Tisch zu kotzen, damit er sieht, dass es einem bei solchen Lügen noch viel schlechter geht als mit der Chemo, auf die wenigstens ein bisschen Rücksicht zu nehmen nun wirklich nicht als übertriebenes Softie-Gebaren angesehen würde.
Immerhin ärgere ich mich jetzt so über meine Kanzlei, die wiedermal einem Irrenhaus gleicht, dass ich über den Zorn die Übelkeit vergesse.
Ja, ich sitze in einem Irrenhaus - ich konnte nur noch nicht entscheiden, ob das hier die oft zitierte Zentrale oder vielmehr die Abteilung für aussichtslose Fälle ist.
Meine Tante holt mich ab und fährt mich heim und das ist sehr nett, weil ich mir so die U-Bahn spare. Jetzt ist mir nur leicht schlecht, gerade genug, um zu merken, dass sich was tut.
Und das ist gut!
Egal, vorwärts durch, rückwärts bringt es auch nix.
Das ist vermutlich das Erfolgskonzept des Menschen. Diese Fähigkeit, sich mit dem Unvermeidlichen zu arrangieren. Heute ist es heiß. Sommerheiß ist keine gute Voraussetzung für die Chemo. Wäre Winter besser? Wahrscheinlich. Oder auch nicht. Es ist immer das, was man hat, das, dass man als falsch empfindet. Klar, denn das, was man nicht hat, bleibt den Beweis der vermuteten Qualität schuldig. Ob die Chemo aufs Hirn schlägt? Damit man den Krebs schwindlig denkt? Scheint zu klappen!
Ich habe keine Nebenwirkungen außer diesen Stimmungsschwankungen und die können auch an etwas anderem liegen...
Das könnte Übelkeit auch, aber das will der Arzt nicht hören.
Auch recht.
Ich spreche nochmals meine medizinischen Bedenken an, aber dafür werde ich an die Spezialisten verwiesen, was sehr deprimierend ist. Weil dass der sagen wird, dass ich mit dem Chemo-Experten reden soll, das kann ich auch sagen, ohne erst wieder einen Termin zu erzwingen.
Wenn man mit Depressionen und kaputten Knien (was nun beides nicht so wahnsinnig exotische Leiden sind) Krebs bekommt (was nun zwar nicht lustig, aber statistisch gesprochen auch eher Mainstream ist), dann bräuchte ich einen Chemoarzt, einen Kniespezialisten und einen Psychiater.
Irritiert schau ich nochmal auf die Stempel in meinem Patientenausweis.
Da steht brettelbreit, dass ich in einem interdisziplinären Brustzentrum sitze.
Interdisziplinär - das klingt gut und trendy und ein bisschen so wie international - nein, ich bin mir sicher, dass der Name besagt, dass man da Ärzte im Rudel trifft und zwar aus verschiedenen Disziplinen.
In der Praxis heißt das aber, dass da zwar verschiedene Ärzte da sind, aber nicht gleichzeitig. Außer in der Kantine. Aber sonst? Never ever. Weiß nicht, warum.
Deshalb jedenfalls scheint es schier unmöglich, mit einer so überaus außergewöhnlichen Frage wie der, ob angesichts der Vorverletzungen am Knie und der bereits vorhandenen Depressionen eine ebenjene Symptome verstärkende Medikation die individuell beste ist, gehört zu werden.
Oder vielmehr hierauf eine Antwort zu kriegen.
Na, man wird sehen, das andere Medikament, dieses Taxan kommt ja erst ab dem 4. oder 5. Zyklus - je nachdem ob es 6 oder 8 Runden werden, was sich jetzt nach dieser Chemoeinheit entscheiden wird. Ich habe also noch etwas Zeit zum Nerven. Welch erbauliche Aussicht.
Kurz darauf sitze ich auf meinem Stühlchen an meinem Tropf und sehe zu, wie das Zeug in mich eintröpfelt... Dieses Mal wird mir etwas schummrig beim Abfüllen, aber das kann auch daran liegen, dass ich nicht ganz so gut vorbereitet bin, wie ich schon war (elende Schlamperei, wenn ich einmal einer Katastophe entgehe, lasse ich sofort alle Disziplin fahren!).
Normalerweise nämlich sammle ich mich. Mache morgens ein paar Atemübungen, die mich je nach persönlichem Glauben entweder mit Sauerstoff versorgen und so meinen Körper stärken, oder aber auch meine mentalen Kräfte fördert. So wie man vor einer Rede anders einatmet als danach und somit Stimmungen die Atmung beeinflusst, so sehr kann nach dieser These auch die Atmung die Emotion beeinflussen. Ich gehöre zur zweiten Spezies, der das plausibel erscheint. Was nun zuerst da war, der Glaube oder die Wirkung, sei hier dahingestellt. Ich kann nur festhalten, dass es mir schlechter geht, wenn ich vorher nicht schnaufe. Argh! Natürlich geht es dann schlechter. Ich meine, wenn man nicht bewusst schnauft, also im Sinne dieser Übungen.
Nach der Chemo habe ich dann das Vergnügen, die neue Kollegin kennen zu lernen. Mein Chef hat sehr deutlich gemacht, dass es sich um einen Pflichttermin handelt, den ich ungeachtet solcher Banalitäten wie einer Chemo wahrzunehmen habe.
Mein Vorschlag, das um ein paar Tage zu verschieben, wurde damit abgetan, dass die Dame nur heute in München sei und man ihr nicht zumuten könne, den neuen Arbeitsplatz ein zweites Mal zu besuchen.
Na gut.
Das Gespräch lief recht gut, bis auf den Umstand, dass ich schwitze wie ein Schwein und mir leicht übel ist. Die Kollegin scheint menschlich nicht unangenehm zu sein, wobei auf die Frage nach den Mandaten, die sie ja angeblich mitbringt und weshalb man sie unbedingt einstellen muss, für mich zumindest klipp und klar gesagt wird, dass sie keine sicheren Mandate mitbringt und speziell nicht aus dem Energierecht, weil sie in die Branche erst reinwill.
Na, das relativiert dieses "Die müssen wir einstellen, so eine Chance kommt nie wieder" doch erheblich.
Aber gut, des Menschen Wille ist sein Himmelreich und das gilt auch für Chefs.
Mir ist furchtbar heiß, aber das könnte am Sommer liegen.
Ein anderer Kollege führt jetzt das Gespräch und erzählt, weil er sich so gerne reden hört, weitschweifig, was er sich als Antwort auf seine Fragen vorstellt und die neue Kollegin nickt höflich und denkt sich vermutlich ihren Teil (oder auch nicht) und ich wäre lieber Daheim.
Bei der Verabschiedung sage ich freundlich, dass mich das Gespräch gefreut hat, was sogar halbwegs stimmt, und ob sie zum Oktoberfest nach München kommt... Und sie antwortet völlig arglos, dass sie eh jedes Wochenende hier ist, weil ihr Lebensgefährte ja in München lebt, weshalb sie ja auch herziehen will.
Dieses Mal weiß ich woher die neue Hitzewallung kommt. Rotglühender Zorn aus den tiefsten Tiefen der Hölle und das teuflisch intensive Gefühl, auf der Stelle jemanden zu erwürgen!
Immerhin ärgere ich mich jetzt so über meine Kanzlei, die wiedermal einem Irrenhaus gleicht, dass ich über den Zorn die Übelkeit vergesse.
Ja, ich sitze in einem Irrenhaus - ich konnte nur noch nicht entscheiden, ob das hier die oft zitierte Zentrale oder vielmehr die Abteilung für aussichtslose Fälle ist.
Meine Tante holt mich ab und fährt mich heim und das ist sehr nett, weil ich mir so die U-Bahn spare. Jetzt ist mir nur leicht schlecht, gerade genug, um zu merken, dass sich was tut.
Und das ist gut!
26:7
Sonntag, 11. August 2013
Frische Farbe - Krebs und Psyche
Aber das ist immer so. Ganz normal.
Der positive Befund von dieser Woche lässt mich hoffen, dass der zweite Teil der Chemotherapie vielleicht entschärft werden kann. DAS wäre mal eine Belohnung! Ein Gedanke, der belebt.
Gerade weil es heiß ist.
Insofern frustriert mich, dass kein Arzt sich die Zeit nimmt, mit mir mal in Ruhe den Chemoplan zu besprechen. Das ist insofern ärgerlich, als ich ausdrücklich keine psychologische Betreuung will, sondern konkrete fachliche Fragen habe, die zu beantworten, nun mal Teil der Job Description eines Arztes ist. Wer nicht mit Leuten reden will, sollte nicht Arzt werden, sondern sich als Mediziner in irgendeinem Labor verdingen. Oder in der Forensik... Augen auf bei der Berufswahl. Man kann es nicht oft genug sagen.
Um was geht's?
Ich weiß immer noch nicht, ob das präferierte Mittel in Anbetracht meiner in vielen, vielen Sportlerjahren kaputten Knie (ein Pferd hätte man erschossen!) wegen der athrosefördernden Wirkung wirklich klug ist. Auch dass das aktuelle Mittel Depressionen auslöst, zeigt sich beim Lesen meiner Einträge. Dass das neue Mittel nach dem Waschzettel ebenso wie nach allem, was man so von Tante Google erfährt, noch viel schlimmer ist, weckt in mir Besprechungsbedarf. Haben die Ärzte die Medikation für die Chemo nur nach dem Tumorbefund gestellt, oder haben sie das berücksichtigt, was ich gleich zu Beginn so sorgfältig im Patientenfragebogen notiert habe (Depressionsdisposition in der Familie und kaputte Gelenke). Ist dann aber das für meinen Tumor beste Mittel auch das für mich beste Mittel?
Aber ich finde keinen Gesprächspartner. Offenbar geht das Depressionsthema unter, solange man sich nicht unmittelbar umbringen will. Oder vielmehr, erfolglos versucht hat, es zu tun! Ganz toll.
Mein Arzt-Freund ist aber auch sehr zufrieden mit meinen Ergebnissen, als er uns am Freitag besucht.
Das freut mich natürlich schon.
Vor allem, weil er und auch die anderen Mediziner im Freundeskreis jetzt allmählich damit rausrücken, wie unwahrscheinlich es war, dass bei dem Befund die Chemo überhaupt anspricht, geschweige denn so gut.
Ich sag's ja immer, die Kraft der positiven Gedanken.
Auf den Krebs, den miesen kleinen Stinker, wirken sie - auch wenn ich mich nicht daran erfreuen mag.
Herrje... Diese Depressionen sind wie ein mauliger klebriger Teppich, der sofort in Bewegung gerät, wenn irgendwelche Emotionen in Bewegung geraten... Der andere Nicht-Mediziner-Freund, der noch dabei ist, reagiert auch nach anfänglicher Befangenheit positiv.
Das alles bestärkt mich darin, diese Geschichte zu veröffentlichen.
Der Weg ist richtig.
Die Angst vorm Krebs kann und soll man gerade denen nehmen, die da schon dann panisch werden, wenn es sie gar nicht betrifft.

Auch dass mein Mann sich endlich erbarmt und trotz Heimwerker-Phobie mit mir das Wohnzimmer neu streicht, tut mir soooo gut.
Endlich habe ich das Gefühl, dass sich was tut.
Ich übertünche die doofen
Depressionen mit frischer Farbe.
25:7
Freitag, 9. August 2013
Cancer-Noa: Triumphe - Krebseuphorie
Cancer-Noa: Triumphe - Krebseuphorie: Nach all dem Blues der letzten Tage, habe ich doch auch mal wieder was gutes verdient. Finde ich. Und das Schicksal findet es auch. Das...
Mittwoch, 7. August 2013
Triumphe - Krebseuphorie
Nach all dem Blues der letzten Tage, habe ich doch auch mal wieder was gutes verdient. Finde ich.
Und das Schicksal findet es auch. Das ist so gut wie selten.
Aber der Reihe nach:
Heute ist Untersuchungstag im Krankenhaus.
Vormittags bin ich brav in der Kanzlei und arbeite an meinen Fällchen, damit ich vielleicht vom Abstellgleis wieder herunterkomme, auch wenn ich es nicht glaube.
Dann fahre ich rüber in die Klinik für diverse Tests und Ultraschall-Untersuchungen.
Natürlich habe ich brav meine Termine ausgemacht und alles schön durchgetaktet.Natürlich hält sich außer mir keiner dran und ich warte wieder stundenlang in irgendwelchen muffigen Gängen.
Aber ich bin ja lernfähig und habe ein sehr erbauliches Buch dabei und daher stört es mich überhaupt nicht.
Naja, jedenfalls deutlich weniger als sonst.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Ich hätte es ja nicht geglaubt, aber der Spruch könnte tatsächlich in einem Krankenhaus-Wartebereich entstanden sein... Erstaunlich, wie sich die Wahrheiten wandeln, wenn man sie in einem anderen Zusammenhang beleuchtet. Ob man daraus eine philosophische Schule machen könnte?
Meinem Ross habe ich letztens erklärt, das Leben sei eben kein Ponyhof... Und der Blick, mit dem es mich bedachte, war ganz anders, als diejenigen, die ich sonst dafür ernte...
Egal.
Als ich dann endlich durchgecheckt und bis zum Oberarztzimmer vorgedrungen bin, ist das Buch fast ausgelesen und ich habe drei vergnügliche Stunden mit einem neurotischen Drachen und einem schlecht gelaunten Troll verbracht.
+LOTR_stone_troll_by_Valardghast.jpg)
"Ein sehr guter Ansatz, wenn man ihn ganzheitlich betrachtet, von dem dann auch Patienten profitieren würden." Ich lächle bei meinen Worten. Sehr lieb. Kann ich auch.
Der Troll lächelt nicht, sonder erklärt mir, dass er nicht weiß, ob ich heute noch drankomme.
Nun lächle ich auch nicht mehr, sondern räuspere mich. "Ich bin später dran, weil ich auf jedes einzelne Gerät warten musste, nachdem sich in dem Laden niemand an Termine hält! Ich gebe nur einen Bruchteil der Verspätung weiter, die ich hier bekommen habe! Es ist meine Lebenszeit, die hier in diesen Gängen vergeudet werden und da ich ja nicht für eine Botox-Behandlung hier bin, können wir beide mal davon ausgehen, dass diese Zeit tatsächlich ziemlich kostbar ist. Krebspatienten hören die große Uhr ticken!"
Jetzt weiß ich wenigstens, warum der Troll nicht lächelt. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Ich hab nicht angefangen und der Troll sollte wissen, wie es in diesem Laden mit der Termindisziplin bestellt ist!
Dann komme ich zum Arzt.
Na also, geht doch.
Da ich weiß, dass Streiten beim Troll zum guten Ton gehört, komme ich damit recht gut zurecht.
Es ist wie ein Spiel, vermute ich. Vermutlich wäre dem Troll sonst langweilig. Vielleicht ist es auch ein Test? Nur verdiente Patienten, dürfen zum Arzt... So eine Art Assessment-Center? Oder doch eher ein Boot-Camp?
Egal. Ich bin ein Krieger.
Der Befund, den der Herr Arzt mit mir besprechen will, ist so gut, dass der sonst so coooooooooole Oberarzt tatsächlich euphorisch wurde.
Nach nur zwei Zyklen ist der Krebs soweit geschrumpft, dass er im Tastbefund schwer zu finden ist und im Ultraschall zeigt sich, dass schon mehr als die Hälfte weg ist.
Besser geht es nicht. Das ist besser als jeder vermutet hätte. Das ist ein Wunder.
Sagt er.
Ich staune.
Der Arzt meint glückselig grinsend, ich hätte mir jetzt eine echte Belohnung verdient und will wissen, was ich genau mache, dass das soooo gut anschlägt.
Willig erläutere ich ihm all das, was ich auch hier so brav aufschreibe, aber sonderbarerweise weiß ich nichts, womit ich mich nun belohnen könnte und das fromm-bescheidene „der Befund ist Belohnung genug“ klingt auch geheuchelt.
Im Ergebnis bin ich also tiefendeprimiert, weil ich gar nicht mehr weiß, was an meinem Leben gut sein könnte...
Aber das ist vermutlich die Rückkoppelung einer emotional äußerst anstrengenden Woche, die ich auch am darauffolgenden Dienstag noch nicht verarbeitet habe.
Ich glaub der Krebs kann nichts dafür und außerdem hat er heute eine richtig miese Schlappe hinnehmen müssen. Aber bitte kein Mitleid. Damit kann er nicht umgehen und ich auch nicht.
Nein, nein, das "deprimiert" aktzeptiere ich heute nicht.
Kopf ist oben - Bauchgefühle halten die Klappe.
Mitten in der Nacht wache ich auf und weiß, was ich mir zur Belohnung gönne:
Ich drucke mein Fantasy-Buch!
Das heißt, ich bastle aus meinen tausend Skizzen ein echtes Buch, sowas zwischen Karl May und Tolkien.
Das hat neben der Aussicht auf Ruhm und Reichtum, begeisterten Fans und schleichenden Größenwahn vor allem den unleugbaren Vorteil, dass ich vermutlich noch etwa 40 Jahre leben muss, um das Werk zu vollenden.
Tja, Krebschen, Pech für Dich.
Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass es mir leid tut.
Ich schlafe zufrieden und tief wie lang nicht mehr...
24:6
Montag, 5. August 2013
Die Lücken, die der Krebs reißt...
Mit den Super-Ersatz-Kollegen im Rücken kann ich in der Arbeit nicht anders als Gas geben.
Ich sollte vermutlich das Gegenteil tun, aber das fühlt sich falsch an.
Es ist gemein, wenn man nicht nur gegen den Krebs um sein Leben würfelt, sondern auch mit dem eigentlichen Leben um den Platz ringen muss, den man in ihm haben will.
So muss es sich anfühlen, wenn man in einem gordischen Knoten gefangen ist. Egal, an welcher Strippe man zieht, irgendwie würgt es einen immer.
Aber habe ich eine Wahl?
Wenn ich meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr genüge, würde ich weder mir noch irgendwem sonst glauben, dass ich nicht ein komplettes Wrack bin und so beiße ich meine Zähne zusammen und schraube meine Mundwinkel nach oben. Das geht bei oberflächlicher Betrachtung als Lächeln durch, und wer schaut je genauer hin?!
Fassaden sind was Tolles. Keiner ahnt, welche Mordgelüste dahinter in den Schatten lauern und nur auf einen lohnenden Anlass warten...
Ob jedes Büro so ein unerkannt gefährlicher Platz ist?
Ich erwäge kurz mir ein paar Jingles auf den Schreibtisch zu schalten, sodass man auf Knopfdruck immer die passende Musik spielen kann.
Terminator - der weiße Hai - Darth Vaders Theme - Psycho - Drama Button...
Nach diesem also wie üblich viel zu arbeitsamen Tag treffe ich mit abends mit zwei guten Freunden zum Abendessen.
Beide schildern mir über einem Teller Pasta verstockt und verlegen, dass sie sich nicht mehr bei mir melden, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen...
Ich bin nicht oft sprachlos. Genau genommen konnte man bisher die Gelegenheiten an einer Hand abzählen. Jetzt muss ich die zweite anpatzen.
Darüber denke ich erst mal nach. Oder vielmehr über den Anlass.
Und entdeckte dabei Abgründe, von denen ich nichts ahnte... (*weißer Hai-Button*)
Das alles ist sehr verwirrend und ich packe das ganze Thema erst mal in meinen mentalen Rucksack, um in Ruhe darüber nachzudenken, was mir das sagen soll. Bin ich egozentrisch und zu selbstbezogen, wenn ich sie nicht vermisse? Bin ich zu oberflächlich, weil ich sie nicht vermisse? Ist diese Freundschaft keine Freundschaft, wenn man sich nicht meldet? Sollte ich dann den Kontakt streichen? Das wird doch gepredigt - weniger aber intensiver? Pffffffffffff und wieder ist alles schwierig. Ich klinge schon wie Lyri, einer der Charaktere aus meiner Fantasy-Geschichte.
Ich gehe dann in der Abendrunde nach Monaten zum ersten Mal wieder mit zum Bouldern.
Chemoverwrackt geht es wenig überraschend nicht so besonders, weil mir Kraft und vor allem Routine fehlen. Mit Port geht es auch nicht besonders, weil das blöde Ding auf den Unterarm-Muskel drückt, wenn ich den anspanne, was ich beim Festkrallen am Fels automatisch mache.
Aber andererseits: ES GEHT und in Anbetracht des Umstands, wie anstrengend Bouldern eigentlich ist und wie sehr die Chemo schlaucht - geht es erstaunlich gut.
Kein Grund zu Jammern.
Das ist auch gut so, denn viel bejammernswerter ist, wie weit meine Freunde in der Zeit, in der ich ausgefallen bin, gekommen sind. (*Psycho-Button*)
Ich klettere eigentlich nur wie ein Trottel hinterher, was nun überhaupt nicht das ist, was ich will. Ja, so isses und alles andere wäre schamlos gelogen. Ich bin ein geltungssüchtiges, ehrgeiziges Ungeheuer, das sich mit Mittelmaß never ever zufriedengeben will. Das ist die Schattenseite meines Kampfgeistes, der mir tags in der Chemo-Büro-Falle so hilft. Ich bin halt nicht zufrieden, wenn ich nicht so kann, wie ich will.
Die Laune sinkt. Der naheliegende und rational betrachtet ganz und gar richtige Gedanke, dass es nämlich ganz anders aussähe, wenn die anderen auch in der Chemo wären und ich stolz sein sollte, dass ich wenigstes einigermaßen mithalten kann, tröstet nicht im Geringsten.
Die Lücke, die der Krebs in mein Leben reißt, werden immer offensichtlicher. Der Spagat über der Kluft immer fordernder. Da ist das Leben, wie ich es leben kann. Und auf der anderen Seite jenes, das ich gerne hätte. Das ich HATTE! Fies ist das...
Da hilft es auch nichts, sich vorzubeten, dass Kluften förmlich das natürliche Biotop von Kletterern sind. Meine Freunde heitern mich auf, was ich denn erwarte, ich müsse realistisch sein. Ich wäre doch mitten in der Chemo.
Ich will mich ja gerade nicht mit Invaliden sondern mit Gesunden messen.
Ich fühl mich nicht daher krank, sondern ausgeschlossen.
Umso mehr, je besser es mir geht, wobei "besser" eben deutlich relativ ist und noch lange nicht "gut". So wie die beste Idee (Bouldern gehen) eben noch lange keine gute ist. Mein Kampfgeist treibt mich täglich voran, hält mich vom gefürchteten Krebsloch fern, doch der Sog ist enorm, und er wächst, je tiefer und breiter die Kluft wird.
Aber Ergeben, Aufgeben, Hingeben ist keine Alternative. Aber Hinnehmen vielleicht?
Meingott ist das alles schwierig... Aber das hatte ich schon.
Nun ja, wenn es einfach wäre... könnte es dann nicht jeder?
Nur Fledermäuse lassen sich hängen.
Ha!
Andererseits sind Fledermäuse außerordentlich putzig, genau betrachtet...
Ob sich wer erbarmen würde und mein Leben in Ordnung brächte, wenn er mich so sähe?
Mein Mann, meine Freunde, einer meiner Freunde? Mein Chef (nein! *Irres Gelächter-Button*, der fehlt noch in der Sammlung). Gott?
Ich bin vielleicht zu ehrgeizig. Ich verlange zu viel. Bin unrealistisch. Maßlos. Undankbar...
Vielleicht.
Wer kann denn mitten in der Chemo überhaupt nach einem langen, fordernden Arbeitstag zum Klettern gehen?
Mit Bescheidenheit käme ich vielleicht weiter. Oder auch christlicher Demut.
Denn andererseits ist die Chemo definitiv endlich und dann wird's auch wieder besser gehen.
Durchhalten ist also die Parole. Im Zweifel allein (*Darth Vader Theme-Button*)
Wieder einmal.
Das Schicksal könnt sich auch mal was Neues einfallen lassen.
23:7
Ich sollte vermutlich das Gegenteil tun, aber das fühlt sich falsch an.
Es ist gemein, wenn man nicht nur gegen den Krebs um sein Leben würfelt, sondern auch mit dem eigentlichen Leben um den Platz ringen muss, den man in ihm haben will.
So muss es sich anfühlen, wenn man in einem gordischen Knoten gefangen ist. Egal, an welcher Strippe man zieht, irgendwie würgt es einen immer.
Aber habe ich eine Wahl?
Wenn ich meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr genüge, würde ich weder mir noch irgendwem sonst glauben, dass ich nicht ein komplettes Wrack bin und so beiße ich meine Zähne zusammen und schraube meine Mundwinkel nach oben. Das geht bei oberflächlicher Betrachtung als Lächeln durch, und wer schaut je genauer hin?!
Fassaden sind was Tolles. Keiner ahnt, welche Mordgelüste dahinter in den Schatten lauern und nur auf einen lohnenden Anlass warten...
Ob jedes Büro so ein unerkannt gefährlicher Platz ist?
Ich erwäge kurz mir ein paar Jingles auf den Schreibtisch zu schalten, sodass man auf Knopfdruck immer die passende Musik spielen kann.
Terminator - der weiße Hai - Darth Vaders Theme - Psycho - Drama Button...
Nach diesem also wie üblich viel zu arbeitsamen Tag treffe ich mit abends mit zwei guten Freunden zum Abendessen.
Beide schildern mir über einem Teller Pasta verstockt und verlegen, dass sie sich nicht mehr bei mir melden, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen...
Ich bin nicht oft sprachlos. Genau genommen konnte man bisher die Gelegenheiten an einer Hand abzählen. Jetzt muss ich die zweite anpatzen.
Darüber denke ich erst mal nach. Oder vielmehr über den Anlass.
Und entdeckte dabei Abgründe, von denen ich nichts ahnte... (*weißer Hai-Button*)
- Erstaunlich, dass ich sie nicht vermisst habe, was mir erst jetzt auffällt.
- Erstaunlicher, dass ich trotzdem ärgerlich bin, wegen dieser Haltung.
Ich meine, es ist doch eigentlich ganz einfach:
Wenn ich sie brauchen würde, wäre es egal, was sie sagen, solange sie nur da sind.
Wenn es mir gut geht, müssen sie sich aber umgekehrt auch keine Gedanken machen, was sie sagen, weil es nicht drauf ankommt... - Und dann ärgere ich mich noch, dass ich mich ärgere... (*Lachsack-Button*)
Das alles ist sehr verwirrend und ich packe das ganze Thema erst mal in meinen mentalen Rucksack, um in Ruhe darüber nachzudenken, was mir das sagen soll. Bin ich egozentrisch und zu selbstbezogen, wenn ich sie nicht vermisse? Bin ich zu oberflächlich, weil ich sie nicht vermisse? Ist diese Freundschaft keine Freundschaft, wenn man sich nicht meldet? Sollte ich dann den Kontakt streichen? Das wird doch gepredigt - weniger aber intensiver? Pffffffffffff und wieder ist alles schwierig. Ich klinge schon wie Lyri, einer der Charaktere aus meiner Fantasy-Geschichte.
Chemoverwrackt geht es wenig überraschend nicht so besonders, weil mir Kraft und vor allem Routine fehlen. Mit Port geht es auch nicht besonders, weil das blöde Ding auf den Unterarm-Muskel drückt, wenn ich den anspanne, was ich beim Festkrallen am Fels automatisch mache.
Aber andererseits: ES GEHT und in Anbetracht des Umstands, wie anstrengend Bouldern eigentlich ist und wie sehr die Chemo schlaucht - geht es erstaunlich gut.
Kein Grund zu Jammern.
Das ist auch gut so, denn viel bejammernswerter ist, wie weit meine Freunde in der Zeit, in der ich ausgefallen bin, gekommen sind. (*Psycho-Button*)
Ich klettere eigentlich nur wie ein Trottel hinterher, was nun überhaupt nicht das ist, was ich will. Ja, so isses und alles andere wäre schamlos gelogen. Ich bin ein geltungssüchtiges, ehrgeiziges Ungeheuer, das sich mit Mittelmaß never ever zufriedengeben will. Das ist die Schattenseite meines Kampfgeistes, der mir tags in der Chemo-Büro-Falle so hilft. Ich bin halt nicht zufrieden, wenn ich nicht so kann, wie ich will.

Die Lücke, die der Krebs in mein Leben reißt, werden immer offensichtlicher. Der Spagat über der Kluft immer fordernder. Da ist das Leben, wie ich es leben kann. Und auf der anderen Seite jenes, das ich gerne hätte. Das ich HATTE! Fies ist das...
Da hilft es auch nichts, sich vorzubeten, dass Kluften förmlich das natürliche Biotop von Kletterern sind. Meine Freunde heitern mich auf, was ich denn erwarte, ich müsse realistisch sein. Ich wäre doch mitten in der Chemo.
Ich will mich ja gerade nicht mit Invaliden sondern mit Gesunden messen.
Ich fühl mich nicht daher krank, sondern ausgeschlossen.
Umso mehr, je besser es mir geht, wobei "besser" eben deutlich relativ ist und noch lange nicht "gut". So wie die beste Idee (Bouldern gehen) eben noch lange keine gute ist. Mein Kampfgeist treibt mich täglich voran, hält mich vom gefürchteten Krebsloch fern, doch der Sog ist enorm, und er wächst, je tiefer und breiter die Kluft wird.
Aber Ergeben, Aufgeben, Hingeben ist keine Alternative. Aber Hinnehmen vielleicht?
Meingott ist das alles schwierig... Aber das hatte ich schon.
Nun ja, wenn es einfach wäre... könnte es dann nicht jeder?

Ha!
Andererseits sind Fledermäuse außerordentlich putzig, genau betrachtet...
Ob sich wer erbarmen würde und mein Leben in Ordnung brächte, wenn er mich so sähe?
Mein Mann, meine Freunde, einer meiner Freunde? Mein Chef (nein! *Irres Gelächter-Button*, der fehlt noch in der Sammlung). Gott?
Ich bin vielleicht zu ehrgeizig. Ich verlange zu viel. Bin unrealistisch. Maßlos. Undankbar...
Vielleicht.
Wer kann denn mitten in der Chemo überhaupt nach einem langen, fordernden Arbeitstag zum Klettern gehen?
Mit Bescheidenheit käme ich vielleicht weiter. Oder auch christlicher Demut.
Denn andererseits ist die Chemo definitiv endlich und dann wird's auch wieder besser gehen.
Durchhalten ist also die Parole. Im Zweifel allein (*Darth Vader Theme-Button*)
Wieder einmal.
Das Schicksal könnt sich auch mal was Neues einfallen lassen.
23:7
Freitag, 2. August 2013
Ersatzbank-Blues - Krebs im Büro
Heute war der Tag der Tage...
Mir wurde meine neue Kollegin vorgestellt. Ein Vorstellungstermin der besonderen Art. Erfolgreiche Anwältin, ein paar Jahre älter, viel erfahrener, mit sensationellen Kontakten, die alles kann, was ich auch kann - nur dass sie gesund ist und alle an sie glauben.
Was man von mir nicht behaupten kann - ich bin weder gesund, noch glaubt jemand an mich - sonst gäbe es ja nicht dieses Gespräch.
Mein Chef versichert mir noch, dass sie natürlich auf mich setzen und das vorher mit mir besprechen wollen, damit ich nicht auf die Idee komme, es könne hier um Ersatz für mich gehen.
Dumm nur, dass das genau dadurch, dass man mir das ungefragt mehrfach versichert, umso wahrscheinlicher wird, dass es sich in Wahrheit genau umgekehrt verhält.
Es ist mein Job, die Motivlage hinter solchen Aussagen zu erkennen. Darauf bauen die Verhandlungserfolge auf, für die sie mich bezahlen...
Aber ich bin nicht paranoid, wenn ich mir die Situation so bedenke, wäre es bescheuert etwas anderes anzunehmen:
Selbst keine gescheite Arbeit mehr kriegen (man will mich schonen), mich aber allen Müll abarbeiten lassen (Sie wollen doch was tun); dann eine Kollegin, die exakt mein Profil hat und noch dazu gesund ist und „Millionenmandate“ im Rücken hat (angeblich) ...
Nein! Ich müsste lügen, wenn mir das nicht zu denken gäbe.
Mein Chef-Chef wiegelt ab ...
Er halte von dem Projekt auch nichts, wolle aber wohl meinen direkten Chef, der die Dame aufgetan hat, nicht von vornherein ausbremsen...
Auch mein Chef versichert mir, dass diese Dame in einer anderen Liga (Partnereinkauf) spielt, was mich beruhigen soll... aber den exakt gegenteiligen Effekt hat.
Die Konkurrentin tritt also nicht als Kollegin auf, sondern als Vorgesetzte. SUPER.
Wofür werde ich eigentlich gesund?
Wozu kämpfe ich, wenn mir mein Leben hinterrücks wegbricht.
Ich fahre Taxi statt U-Bahn. Das ist gut, denn tatsächlich weint es sich im Taxi besser als in der U-Bahn.
23:6
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