Mittwoch, 7. August 2013

Triumphe - Krebseuphorie

Nach all dem Blues der letzten Tage, habe ich doch auch mal wieder was gutes verdient. Finde ich. 
Und das Schicksal findet es auch. Das ist so gut wie selten.




Aber der Reihe nach:

Heute ist Untersuchungstag im Krankenhaus. 
Vormittags bin ich brav in der Kanzlei und arbeite an meinen Fällchen, damit ich vielleicht vom Abstellgleis wieder herunterkomme, auch wenn ich es nicht glaube. 

Dann fahre ich rüber in die Klinik für diverse Tests und Ultraschall-Untersuchungen.
Natürlich habe ich brav meine Termine ausgemacht und alles schön durchgetaktet.
Natürlich hält sich außer mir keiner dran und ich warte wieder stundenlang in irgendwelchen muffigen Gängen.
Aber ich bin ja lernfähig und habe ein sehr erbauliches Buch dabei und daher stört es mich überhaupt nicht.
Naja, jedenfalls deutlich weniger als sonst.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Ich hätte es ja nicht geglaubt, aber der Spruch könnte tatsächlich in einem Krankenhaus-Wartebereich entstanden sein...  Erstaunlich, wie sich die Wahrheiten wandeln, wenn man sie in einem anderen Zusammenhang beleuchtet. Ob man daraus eine philosophische Schule machen könnte?
Meinem Ross habe ich letztens erklärt, das Leben sei eben kein Ponyhof... Und der Blick, mit dem es mich bedachte, war ganz anders, als diejenigen, die ich sonst dafür ernte...
Egal.
Als ich dann endlich durchgecheckt und bis zum Oberarztzimmer vorgedrungen bin, ist das Buch fast ausgelesen und ich habe drei vergnügliche Stunden mit einem neurotischen Drachen und einem schlecht gelaunten Troll verbracht.
Ersterer ist meine literarische Bekanntschaft und letzterer die Oberschwester, die mich tatsächlich barsch aber lautstark anpflaumt, warum ich zu spät bin, den Doktor dürfe man doch nicht warten lassen.
"Ein sehr guter Ansatz, wenn man ihn ganzheitlich betrachtet, von dem dann auch Patienten profitieren würden." Ich lächle bei meinen Worten. Sehr lieb. Kann ich auch.
Der Troll lächelt nicht, sonder erklärt mir, dass er nicht weiß, ob ich heute noch drankomme.
Nun lächle ich auch nicht mehr, sondern räuspere mich. "Ich bin später dran, weil ich auf jedes einzelne Gerät warten musste, nachdem sich in dem Laden niemand an Termine hält! Ich gebe nur einen Bruchteil der Verspätung weiter, die ich hier bekommen habe! Es ist meine Lebenszeit, die hier in diesen Gängen vergeudet werden und da ich ja nicht für eine Botox-Behandlung hier bin, können wir beide mal davon ausgehen, dass diese Zeit tatsächlich ziemlich kostbar ist. Krebspatienten hören die große Uhr ticken!"
Jetzt weiß ich wenigstens, warum der Troll nicht lächelt. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Ich hab nicht angefangen und der Troll sollte wissen, wie es in diesem Laden mit der Termindisziplin bestellt ist!
Dann komme ich zum Arzt.
Na also, geht doch.
Da ich weiß, dass Streiten beim Troll zum guten Ton gehört, komme ich damit recht gut zurecht.
Es ist wie ein Spiel, vermute ich. Vermutlich wäre dem Troll sonst langweilig. Vielleicht ist es auch ein Test? Nur verdiente Patienten, dürfen zum Arzt... So eine Art Assessment-Center? Oder doch eher ein Boot-Camp?
Egal. Ich bin ein Krieger.
Der Befund, den der Herr Arzt mit mir besprechen will, ist so gut, dass der sonst so coooooooooole Oberarzt tatsächlich euphorisch wurde.
Nach nur zwei Zyklen ist der Krebs soweit geschrumpft, dass er im Tastbefund schwer zu finden ist und im Ultraschall zeigt sich, dass schon mehr als die Hälfte weg ist.
Besser geht es nicht. Das ist besser als jeder vermutet hätte. Das ist ein Wunder.
Sagt er.
Ich staune.
Der Arzt meint glückselig grinsend, ich hätte mir jetzt eine echte Belohnung verdient und will wissen, was ich genau mache, dass das soooo gut anschlägt.
Willig erläutere ich ihm all das, was ich auch hier so brav aufschreibe, aber sonderbarerweise weiß ich nichts, womit ich mich nun belohnen könnte und das fromm-bescheidene „der Befund ist Belohnung genug“ klingt auch geheuchelt.
Im Ergebnis bin ich also tiefendeprimiert, weil ich gar nicht mehr weiß, was an meinem Leben gut sein könnte...
Aber das ist vermutlich die Rückkoppelung einer emotional äußerst anstrengenden Woche, die ich auch am darauffolgenden Dienstag noch nicht verarbeitet habe.
Ich glaub der Krebs kann nichts dafür und außerdem hat er heute eine richtig miese Schlappe hinnehmen müssen. Aber bitte kein Mitleid. Damit kann er nicht umgehen und ich auch nicht.
Nein, nein, das "deprimiert" aktzeptiere ich heute nicht.
Kopf ist oben - Bauchgefühle halten die Klappe.
Mitten in der Nacht wache ich auf und weiß, was ich mir zur Belohnung gönne:
Ich drucke mein Fantasy-Buch!
Das heißt, ich bastle aus meinen tausend Skizzen ein echtes Buch, sowas zwischen Karl May und Tolkien.
Das hat neben der Aussicht auf Ruhm und Reichtum, begeisterten Fans und schleichenden Größenwahn vor allem den unleugbaren Vorteil, dass ich vermutlich noch etwa 40 Jahre leben muss, um das Werk zu vollenden.
Tja, Krebschen, Pech für Dich.
Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass es mir leid tut.

Ich schlafe zufrieden und tief wie lang nicht mehr...
24:6 

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