Sonntag, 23. Februar 2014

Nix wie weg... - Nach der OP

Cord - Andrew Magill (www.piqs.de)
So allmählich spricht es sich herum, dass ich nicht so gern im Krankenhaus bin. Könnte daran liegen, dass ich diesbezüglich ein selbst mich überraschendes Äußerungsbedürfnis entwickle.
Allen, die mir zuzuhören gezwungen sind, mein aufrichtiges Mitgefühl. Geteiltes Leid ist halbes Leid, eh?
Trotzdem wollten sie mich da behalten. Ich vermute, dass das an dem von mir flugs organisierten Catering-Service liegt. Meine Freunde sind brav und versorgen mich mit Säften, Früchten, Pizza, Brot und Wurst und Edelkonfiserie Cupcakes, die ich mir selber niemals never ever gönnen würde. Das lockt nicht nur Mitpatienten an, sondern auch Pflegepersonal, die mich hungrigen Blickes nach meinem Befinden fragen. Da ich mit vollem Mund dank der emsigen Bemühungen meiner Mutter nicht spreche,
zeige ich großzügig auf die Köstlichkeiten, die ich allein eh nicht verputzen kann. Wenn es viele gleichzeitig gut meinen, haben viele was davon.

Solcherart versöhnt spiele ich mit der Nachtschwester und meiner Freundin bis tief in die Nacht Siedler von Catan - und ich gewinne zum ersten Mal in der Geschichte dieses Spiels! Das werte ich als gutes Omen und bin entsprechend guter Dinge für das Arztgespräch am nächsten Morgen.

Das verläuft mau. Die Wunde suckelt wenig genug, um die Schläuche zu ziehen. Freiheit! Ich verspreche hoch und heilig Zuhause zu bleiben und mich zu schonen. Die Schwester meint, dass ich in der Klinik schon zuviel herumturne und der Arzt mir kein Wort glauben darf.
Wie war das mit der fütternden Hand, die man nicht beißen soll? Vermutlich fürchtet sie nur um den Nachschub, wenn ich gehe. Ich widerspreche also würdevoll und weise darauf hin, dass man wenn die Physiotherapeutin mit einem postoperative Übungen macht, natürlich befehlsgemäß mitturnt. Ist ja der Sinn der Übung, nicht wahr?
Ich sollte wegen der Infektionsgefahr hier bleiben, meint die Assistentin. Ich lache. Wie war das mit den behandlungsresistenten Keimen in der Klinik? Da ich nicht vorhabe, mich im Stall zu wälzen, glaube ich, dass es nur besser werden kann.
Der Arzt nickt nur und meint, auf eigene Verantwortung dürfe ich gehen.

Natürlich ist das auf meine Verantwortung! Wer außer mir hat denn Schmerzen, Rückfälle, Entzündungen oder sonstige Nachteile, wenn es schief gehen sollte? Gesundheit ist unbezahlbar, das jedenfalls habe ich auf die harte Tour gelernt.

Das Schläuche ziehen nach einer OP ist auch nix, wovon man süchtig wird. Und bei mir müssen gleich drei Schläuche raus. Den ersten macht der Arzt selbst raus. Humanmetzger. Ich bin wirklich nicht wehleidig und habe viele, teils üble Sportverletzungen mit stoischem Heldenmut getragen und die teils feldchirurgische Erstversorgung tapfer ertragen. Wenn ich also ernsthaft erwäge nach einem Beißholz wie in einem alten Western zu fragen, wenn die Kugel rausoperiert werden muss, dann heißt das was.
Brrr.
Erstaunlich wie verwachsen der Schlauch schon ist. Sie heilen schnell...
Gnnnn.... Soll das jetzt ein Kompliment oder ein gut verpacktes "Selbst schuld" sein? Ich blinzle tapfer Tränen beiseite und atme langsame aus. Nicht auszudenken, wie sich das angefühlt hätte, wenn wir die Schläuche noch einen Tag länger drin gelassen hätten.
Der Notfallpieper rettet mich. Der Arzt entschuldigt sich und kurz darauf kommt eine Schwester, um die verbleibenden beiden Schläuche aus meinem malträtierten Torso zu basteln.
Mir graut. Ich rechne mit dem Schlimmsten und beiße fest die Zähne zusammen.
Und warte.
Das war der Nächste, sagt die Schwester und zeigt mir ein Schläuchlein.
Aber ich hab gar nichts gespürt. Die Schwester grinst. Den hat sie gut erwischt, meint sie bescheiden. Ich nicke nur und lehne mich ergeben zurück für den dritten und letzten.
Der ziept. Wie Fädenziehen. Unangenehm aber erträglich. Ob die Schwester so begnadet war, oder der erste Schlauch einfach ein Biest. Ich weiß es nicht.
Auf jeden Fall bin ich erleichtert, dass ich gehen darf.
Wie bestellt, wird an dem Tag auch mein Gästesitzplatzbett von einer anderen Patientin belegt. Das ist ein Omen. Ich wünsche ihr alles Gute, lass ihr die Blumen und ein bisschen von dem Kuchen da, den sie hungrigen Auges so bewundert hat. Und bin FREI!

Seht es mir bitte nach, dass ich das erst einmal genossen, statt beschrieben habe.
Die Nachuntersuchungen und dann die Bestrahlungsvorbereitungen folgen natürlich bald.
Jetzt aber feiere ich erst einmal, dass nach der Chemo mit der OP auch der 2. Akt des Dramas spannend aber glücklich beendet ist. 

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