Samstag, 28. September 2013

Winterschlaf - Krebs macht müde.

Björk - Rene Lutz (www.piqs.de)
Kluge Tiere halten Winterschlaf. 
Ich persönlich habe Bären und Igel schon immer bewundert, wie die das machen, sich einfach in eine gemütliche Höhle zu verziehen, wenn das Leben ungemütlich wird. 
Winter? 
Ha! Nicht mit mir. 
Scheint auch verglichen mit Zugvögeln, die abhauen, wenn es hässlich wird, auch die deutlich bequemere und (mit Blick auf die Route über Italien) ungefährlichere Variante zu sein. 
Augen zu und durch - mal ganz anders umgesetzt...

Die letzte Woche war zu viel. Ich sehe es gähnend ein.
So gesehen muss man sich nicht beschweren, wenn man die Chemo-Nebenwirkungen verschläft. Ich stehe zum Frühstück auf, kippe eine Tasse Tee gegen das Dehydrieren, verschmähe brav den verlockend riechenden Kaffee (ich weiß, dass er zurzeit nicht schmeckt) und schleppe mich auf die Couch, um bis zum Mittagessen weiterzuschlafen.
Und danach bleibe ich gemütlich liegen und schau zu, wie mein Mann den neuen Couchtisch aufbaut.
Von soviel Schraubenhalten und Montagebilderrätseln völlig ermattet begebe ich mich in die Badewanne, um den Reinigungsprozess zu verschlafen. Schön wenn man einweicht und der Schmutz sich in Wohlgefallen auflöst. Ich habe ja schon immer gern gebadet, lang und ausdauernd. Vermutlich ist das so eine frühkindliche Geborgenheitsfantasie. Zurück in den Mutterleib, wo man sicher und gut aufgehoben geschützt vor allen bösen Dingen ist.

Dafür bin ich dann zum Abendessen nicht nur sauber, sondern tiefenentspannt und einigermaßen fit und freue mich über Rohkost, die erstaunlich gut schmeckt.
Vom Film bekomme ich immerhin alles bis zum ersten Werbeblock mit.
Ich mausere mich zum Bären. Es ist wenig spannend aber nicht wirklich unangenehm, so zu leben. Auch wenn dann die Geschichten dieses Blogs unweigerlich ins Traumland führen werden. Und wer sich dafür interessiert, der liest vermutlich eh schon längst meinen Autorenblog und die #BlogdurchsBuch - Tour....
Blöd ist dabei nur, dass ich eben kein Bär bin und ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich mein wertvolles Leben verschlafe.
Ich könnte zwar nicht sagen, was ich verpasse, wenn ich schlafe, aber ich habe das tiefsitzende Gefühl, es wären ganz wichtige erstrebenswerte Dinge.
Wie arm doch Bären sind, wenn sie ein Viertel ihres Lebens verpennen!

Aber was verpasse ich?
Arbeiten? Fernsehen? Lesen? Hausarbeit?

Bären sind doch nicht so doof. Und ich schon wieder müde... Gute Nacht, ihr Lieben. Wilde Träume für Euch alle.
44:8 

Treppab - Treppauf - Bürokrebs

Blue vs Green - Darwin Bell (www.piqs.de)
Weil ich brav und fleißig bin, gehe ich am nächsten Morgen wie auch den Rest der Woche brav in die Kanzlei.
Nicht, weil ich ein Held bin, sondern weil ich kein Schwein sein will. 

Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Das ist arithmetisch nicht zu wiederlegen und zeigt eindrucksvoll die Grenzen der Mathematik auf, denn will ich in einer so berechneten Welt leben?

In der Kanzlei jedenfalls ist einfach wie immer viel zuviel zu tun, und ich will meine Kollegin nicht hängen lassen, die inzwischen schon so schlecht ausschaut wie ich. Geteiltes Leid ist wirklich nicht halbes, sondern doppeltes Leid. Jetzt hab ich auch noch ein schlechtes Gewissen.
Nein, das muss ich nicht haben, weil ich hab ja nicht freiwillig Krebs. Aber ich fühl mich trotzdem mies, wenn andere wegen mir leiden müssen. Noch dazu, wenn das Leid zu einem erheblichen Teil daraus resultiert, dass mir geholfen werden soll. Blöd ist nur, dass mir die Schwachen helfen und nicht etwa meine/unsere Chefs mal mit einem kritischen Blick auf unsere Aktenberge einsehen würden, dass wir eigentlich schon seit vielen Monaten viel zuviel auf dem Tisch haben. Ich schwitze und schwindle ein bisschen, aber ansonsten geht es, wenn man diszipliniert immer nur den nächsten Schritt macht. Und den nächsten. Und den nächsten.
Es geht, wenn man will. Alles geht, wenn man will. Aber warum will ich?

Diese Frage wird am Freitag virulent. Denn da bekommt die Realsatire, in der ich meinen Berufsalltag verbringe, neuen Aufschwung. Einen unerwarteten Höhepunkt quais. 
Denn meine Chefs sind stets für Überraschungen gut. Der eine plant wirklich vor meinen Augen seinen nächsten Urlaub und ist damit beschäftigt, allen zu erzählen, was er für einen Stress hat, weil er zuvor noch mit so vielen Leuten telefonieren müsste und doch noch zum Friseur will (für die drei Haare lohnt das meiner Meinung nach nicht, aber egal). Auf meine Frage, ob er nicht mal mit meiner Kollegin und mir ein paar Akten durchsprechen könnte, antwortet er leicht unverständlich, ob wir denn nicht in der Lage wären, unsere Fälle selbständig zu bearbeiten? Wir müssten uns unser Arbeitspensum halt sauber einteilen...
Der andere dagegen pflegt seinen selbst diagnostizierten Burnout auf unsere Kosten und geht erst mal zum Spinning (was ich ungeachtet des englischen Ursprungs dieses Wortes losgelöst von der damit verbundenen Radfahr-Tätigkeit lieber im deutschen Kontext sähe). Seine Sekretärin weiß nicht, ob und wann er wieder kommt und beschließt, nach drei sinnlos herumgesessenen Überstunden nicht mehr länger auf ihn zu warten. Für uns Anwälte geht das nicht, weil wir in ein paar kritischen Fragen einfach eine Weisung von oben brauchen - Frist versus Handlung. Haften wir lieber für eine womöglich falsche Auskunft oder wegen einer versäumten Frist? Der Mandant springt im Dreieck und beschimpft menschlich verständlich aber gleichwohl falsch adressiert meine Kollegin, die den Fall auch erst viel zu spät bekommen hat, weil der Chef nicht dazu kommt. Und jetzt müssen wir sehen, wie wir die Kuh vom Eis bekommen, ohne selbst baden zu gehen... Schön blöd.
Aber wir müssen wenigstens nicht sinnlos warten. Durch unsere Aktenberge führen genügend Tagesrouten... 
Also bemühe ich mich, und arbeite das Dringendste selber ab. 
Ein paar Telefonate und Diktate später stehe ich beladen mit den Akten im Treppenhaus und warte auf den Aufzug und er kommt nicht, kommt nicht. Also gehe ich die Treppe runter. Vier Stockwerke à 16 Treppen. Sport hab ich mir immer anders vorgestellt.
Das alles ist jedenfalls zu viel für mich und die Chemo. Auch wir warten nicht mehr auf den Chef und riskieren eine womögliche Haftung für eine falsche Einschätzung in Abwägung zu einer sicheren wegen Fristversäumnis. Aber wohl ist uns nicht dabei. Meine Kollegin trifft es härter als mich, die ist einem Nervenzusammenbruch nahe. Ich tröste so gut ich kann, aber auch ich entdecke meine Grenzen.
Endlich daheim angekommen schlafe ich erst mal ein Stündchen. Später begleite ich meinen Mann schnell zum Einkaufen und könnte danach schon wieder ins Koma fallen.
Aber das geht nicht, weil am Abend Freunde zu Besuch kommen. Sie meinen es gut und freuen sich, dass es mir so gut geht. Ich freu mich auch. Wobei ich persönlich "gut" jetzt nicht so gut finde. Das beste Ergebnis ist eben noch lange kein Gutes.

Wie sehr ich angegriffen bin, merke ich im Laufe des Abends auch an meiner Stimme, die immer beschlägt, wenn ich mich überfordere.
Es klingt blöd, aber ich schlafe auf der Couch, weil ich zu müde bin, um noch die Treppe ins Bett zu nehmen. Obwohl es dabei treppauf gegangen wäre.
43:8 

Mittwoch, 25. September 2013

Business as katastophal oder Halbzeit-Chemo

Und dann ist schon wieder der nächste Chemotag.
Mal wieder.
Der letzte der ersten vier, nur leider ist jetzt erst Halbzeit statt 2/3.
Seltsam, wie sehr ich mich nach dem dritten mal gefreut habe, dass die Hälfte rum ist. Ist doch gut, denn jetzt kann ich mich gleich nochmal freuen, denn jetzt ist es eben die Hälfte von vier. Und für den Krebs ist es superungemütlich. Der leidet bei 8 Zyklen auch mehr als nur bei 6. Solcherart versöhnt bin ich gleich besser drauf.
Nur besser ist immer noch nicht gut.
Irgendwie nervt es mich, dass die Therapie umgestellt wird. Und die Begründung, dass ich die Chemo so gut vertrage und mir das daher zuzumuten ist, ist irgendwie so als würde ich dafür, dass ich so tapfer bin nun doch bestraft werde.
Nein, ehrlich gesagt, bin ich nicht wirklich gut drauf und fühle mich auch mental nicht so vorbereitet, wie ich schon war.
Eine Mitpatientin weist darauf hin, wie herbstlich schön die Luft ist. Altweibersommer. Pünktlich zur Wiesn. So ist es eben immer.
Ich nicke brav. Luft ist nicht mein Element.
Und prompt geht es schon wieder drunter und drüber.
Meine Blutwerte vor der Chemo waren zu schlecht, also muss ich jetzt noch nachsitzen, also nochmals Blut abnehmen und auf Werte warten. Ob ich zur Chemo darf.
Ha!
Die Blutabnahme selbst ist auch eine Katastrophe. Ich habe Rollvenen heißt es, was definitiv nicht stimmt.
Meine Venen sind super, waren es die ganze Zeit und das wird auch nicht von heut auf morgen anders. Meine Cousine und meine beste Freundin haben während ihres Medizinstudiums an meinen Prachtvenen Nadeln legen geübt...
Aber ich vermute die hasenzähnige Jungschwester verwendet den Begriff "Rollvene" für "Ich kanns nicht".
Nun, sei es wie es wolle, zehn Versuche später bin ich so zerstochen, dass sie mir das Blut an der Hand abnahm.
Aber das kann ich keinem empfehlen.
Tut weh. Blöde Kuh (die Schwester, nicht die Hand).
Immerhin hat sich die Tortur gelohnt und die Blutwerte sind chemotauglich.

Ich sehe fröhlich zu, wie die letzte Dosis in die Venen gluckert.
Abschied...
Danach habe ich noch meine Tante in der Arbeit besucht und war dann „normal“ daheim.
Unter dem Strich war der Tag normal.
Immerhin war mir nicht schlecht. Auch mit Taxan nicht. Das ist ein gutes Zeichen. Ein sehr gutes.
Blöde Kuh (die Chemo).
Ich bin echt bös mit mir. Weil ich so ungeduldig bin.
Abends muss ich mich dann wiegen und bin auch nicht zufrieden.
Das Gewicht stagniert.
Aber das ist auch normal. Wann je wäre eine Frau mit ihrem Gewicht zufrieden.
Blöde Kuh (ich).

42,5:7,5

Montag, 23. September 2013

Zeit und Unendlichkeit - Im Labyrinth der Krebskllinik

Nach selbst für die Klinik frechen 1,5 Std. Wartezeit für einen fest vereinbarten Termin dann das Gespräch mit Untersuchung für den weiteren Verlauf der Chemo.

SOS - Thragor (www.piqs.de)
Es ist echt traurig, wie man da mit einem umgeht, von dem sie doch wissen, dass er arbeiten will. Je später ich komme, desto schiefer wird mein Chef mich anschauen... Als würde ich mich durch diesen Krankenhausirrsinn vor der Arbeit drücken wollen. Oh, wenn die wüssten!
Oder auch die hier in der Klinik!
Da erzählen sie einem bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit, wie sehr einem die Klinik, die Profis, die Ärzte doch dabei helfen werden, das Leben weiter zu leben. Dass man nicht aufgeben darf, dass sie für einen da sind...
Das klappt nicht. Ich weiß nicht, warum. Es klappt einfach nicht. Es scheint unendlich schwer zu sein, Termine zu halten. Aber weil es offenbar außer mir keiner erwartet, bemüht sich auch keiner.

Der Berater in mir erwacht.
Wie viel Geld man dabei einsparen könnte... z.B. indem man den Patienten Checklisten gibt, was sie zu den Terminen mitnehmen müssen, Infomaterial aus der Klinik (also mit dem, was dann auch in der Besprechung zur Sprache kommt)...
Vor dem Hintergrund, wie umfassend eine Beratung sein muss, wenn die vom Patienten zu erteilende Einwilligung in die Behandlung tatsächlich wirksam sein soll, wäre da erhebliches Beratungspotential. Es reich ja nicht, wenn man diesen Waschzettel bekommt. Es wäre gut, wenn man auch was über die Abläufe im Detail erfahren würde und auch, wie man sich gegen die Nebenwirkungen schützen kann... Ein weites Feld würde Herr Fontane jetzt sagen und ich wüsste gern, in welchem Tonfall er das sagen würde. Und ob er es wirklich selbst auch gesagt hat, oder ob das ein Spruch ist, den er dem armen Vater Briest einfach in den Mund gelegt hat. Ich benutze auch nur selten die Sprüche meiner Protagonisten...
Durch das Grübeln vergeht wenigstens die Zeit.

Dann war es soweit.
Ultraschall und Blutwerte sind super.
Der Tumor ist nochmals kleiner geworden, was bedeutet, dass er auf die Wirkstoffe extrem gut anspricht - ungewöhnlich gut. Oder eben schlecht aus Sicht, des Tumors.
Ich erlaube mir ein bisschen Schadenfreude.
Nachdem ich inzwischen weiß, was man mir nicht erzählt, wenn ich nicht frage und gelernt habe, dass der Facharzt halt immer auch nur seine Fachthemen im Blick hat, quäle ich mich (und meinen Arzt) nochmals durchs Fachgespräch in Bezug auf die zu erwartenden Nebenwirkungen.
Es mag ja sein, dass die gewählte Mixtur "tumortherapeutisch" supertoll ist, aber wenn dabei meine latent vorhandene Atrose in meinen Schrottknien dazu führt, dass ich danach im Rollstuhl sitze, dann... komme ich ins Grübeln.
Und wenn man von dem Chemozeug depressiv wird, dann riskiere ich, mit meiner deprimierenden Familiengeschichte voller depressiver Urahnen, dass ich von der Brücke hüpfe - krebsfrei oder nicht.
Tante Google versichert glaubhaft, dass es erstaunlich viele Möglichkeiten gibt, die Chemo anzupassen, wenn man ein Gespräch bekommt.
Mittlerweile ist entgegen der landläufigen Meinung (auch in Arztkreisen) da wirklich erstaunlich viel Individualisierung möglich. Es gibt wirklich für jeden Tumortyp in jedem Krebspatienten eine Spezial-Therapie. Und die lässt sich auch nochmals anpassen. Theoretisch.
Der Gedanke ist schön, wenn es für einen individuellen Feind auch eine maßangefertigte Waffe gibt.
Umso erstaunlicher ist, dass in der Praxis trotz all dieser Möglichkeiten dann am Ende - aus welchen Gründen auch immer - doch immer wieder derselbe Cocktail verabreicht wird. Hausmanns-Chemo.
Von daher lohnt es, beharrlich nachzufragen. Was nun gut und weniger gut innerhalb der gängigen Methoden ist, ist - wie ich herausgefunden habe - von Arzt zu Arzt verschieden. Übrig bleibt also Vertrauen. Das ist aber ziemlich viel verlangt in Anbetracht der Umstände und der Gesamtsituation.
Völlig überraschend erfahre ich, dass man dieses Taxan, dessen Nebenwirkungen ich so fürchte, auch wöchentlich geben könnte, was zu kleineren Dosen und damit höherer Verträglichkeit führt. Es hat allerdings den unleugbaren, horrorfilmverdächtigen Nachteil, dass ich dann wöchentlich in die Klinik müsste.
Eine Wahl zwischen Pest und Cholera - will ich lieber durch die Klinik oder das Medikament depressiv werden?
Das ist alles nicht so einfach, ganz schön schwierig sogar (wie eine meiner Protagonisten sagen würde, was beweist, dass ich doch gelegentlich mich selbst zitiere), und ich nehme das, was der Arzt mir sagt mit nach Hause, zum Darüberschlafen.

Tante Google spukt eine Dissertation aus, die sich auch mit den Schemata einer Chemotherapie für Brustkrebs befasst.

Und dann habe ich auch noch eine Broschüre gefunden, die unter dem Stichwort "Nebenwirkungsmanagement" komprimiert behandelt, was man selbst tun kann.

Auf dem Heimweg bekomme ich gleich noch einen weiteren Dämpfer, trotz der guten Befunde.
Im Radio kommt ein Special über Krebs als Volkskrankheit und eine übelkeiterregende Liste von Promis, die alle abgekrebst sind.
Zudem höre ich auch aus dem Bekanntenkreis, wer alles so gestorben ist.
Nö, das begeistert mich alles nicht so.
Entscheidungen machen keine Freude.
Immerhin gehts meinem Tumor auch nicht gut.
Mal sehen.
42:7 

Sonntag, 22. September 2013

Garagenfest - Krebs und Feiern

Camaro Z/28 - P.A.Hess (www.piqs.de)
Das Wochenende bricht mit letzten Sommerallüren über mich herein und so weiß ich nicht, ob die intervallmäßigen Schweißattacken jetzt am Wetter oder an der Chemo liegen.
Kurzerhand gehe ich mit dem Hund Gassi und setze mich auf eine Bank, um diese Frage im Feldversuch zu klären.
Sie geht klar für die Sonne aus.
Es ist heiß, wenn man in der Sonne sitzt.
Das beruhigt mich.
Es ist also nicht mein Privat- und Einzelschicksal.
Geteiltes Leid ist eben halbes Leid. Nicht dass Sonnenschweiß weniger klebrig und eklig wäre und der ächzende Kreislauf sich dann besser anfühlt - aber doch...
Egal wie beschissen es einem geht, wenn man damit nicht allein ist, ist es weniger schlimm. Das wirft kein gutes Licht auf uns. Denn das heißt ja, dass es nicht wichtig ist, wie es einem selbst geht, solange es nur den anderen nicht besser geht. Dann wäre ja ein erheblicher Teil des ungeteilten Leids letztlich von Neid genährt.

Der Hund will wieder heim, dem ist es auch zu heiß und im Haus ist es kühl. Also folge ich ihm brav. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Mir geht es auch nicht so ganz gut, denn unter dem Strich häufen sich jetzt allmählich die chemobedingten kleineren Widrigkeiten so, dass sie in der Summe eben doch nerven.
Das ist so ein bisschen wie das Schneeflocken-die-zu-Lawinen-werden-Prinzip.
Simpel gesagt, bleibt meine Haut auf der Strecke. Wunder Mund, viele Bläschen, brüchige Nägel, die im schmerzempfindlichen Teil brechen.
Also nutze ich die Gelegenheit und recherchiere mal im Internet, was man da so machen kann.
Wie man mit einem wunden Mund umgeht, zum Beispiel.
Ich habe mich letztlich für eine Kombination aus Mundwasser, superweicher Kuschelzahnbürste und Lutschtabletten aus der Apotheke entschieden, die so eine Art künstlichen Schutzfilm über den wunden Mund legen.
Die oft empfohlenen leicht betäubenden Tabletten haben bei mir nicht so geholfen.
Zudem haben sie, weil sich auch der Geschmackssinn etwas ändert, ausgesprochen eklig geschmeckt. Brrr.
Gegen die kaputten Nägel konnte ich nichts machen. Von Kunstnägeln hat mir der Arzt abgeraten, weil die Nagelplatte nicht stark genug ist, um die Belastung auszuhalten, sodass die Gefahr besteht, dass man sich, wenn man hängen bleibt, den falschen und den echten Nagel auf einen Rutsch abreißt (IEEK).
Ich habe dann meine Finger "getaped". Also ein schmales Tape gekauft, einmal frontal über den Nagel und die Fingerspitze, einmal seitlich über die Fingerspitze und einmal (3. Streifen) wie einen Ring über den Nagel geklebt. Sah dann aus wie ein Fingerhut aus Pflastern. Geht sehr gut, v.a. wenn man die Nägel kurz hält und klebt, bevor der Nagel einreißt. Kann ich wirklich empfehlen.

Und ansonsten... Pflegen, pflegen, pflegen... damit man alles möglichst schön und geschmeidig hält.
Am Abend waren wir dann auf einem Garagenfest bei einer lieben Freundin und haben uns über psychotische Hunde unterhalten. Erstaunlich, dass das echt ein gut abendfüllendes Thema ist.
Ich bin allerdings nach einer Weile ausgestiegen und habe mich lieber mit den Jungs über Rennautos und die Tücken der Nordschleife unterhalten.
Es ist immer faszinierend, wenn man echte Freaks trifft, die wirklich zu 100% in ihrem Thema aufgehen.
Was die an Zeit und Geld in diese Autos stecken, die in liebevoller Kleinarbeit hergerichtet werden, das ist echt beeindruckend.
Und informativ, auch wenn ich es vielleicht nie brauchen können werde, was ich da über Austauschmotoren und dergleichen lerne. In meinen Büchern gibt es keine Autos und in meinem Leben keine Zeit für Autorennen.
Dann sind wir spät von der (im Outback) gelegenen Garage wieder heimgefahren, was deutlich länger gedauert hat, als ich erwartet hätte.
Eigentlich war es ein guter Tag. Sehr lehrreich in vielerlei Hinsicht.

Man muss sich halt realistische Ziele setzen, dann ist auch ein Chemoleben nicht so schlecht.
38+39/7
Die nächste Woche kann kommen! Und die Tretmühle auch, ich werde widerstehen...

Mittwoch, 18. September 2013

Tretmühlenblues - Zeitgefühl und Krebs

Zahnrad  - Ilagam (www.piqs.de)
Ich kann es mir leisten, diese Woche zusammenzufassen, denn sie unterscheidet sich kaum von meinen Standardwochen  - oder vielmehr dem, was neuerdings zum Standard geworden ist. 
Standard zunächst deshalb, weil jeder einzelne Tag sich irgendwie kaum vom nächsten unterscheidet.
Und es zeigt, wie überaus anpassungsfähig der Mensch doch ist. Grad wenn man etwas nicht ausweichen kann, ist es schon praktisch, wenn es sich annehmen lässt. Soviel also mal zur Philosophie. Go with the flow, wie ein Freund jetzt von mir sagen würde.

Aber der Reihe nach. Was macht einen Tag eintönig, eine Woche zur Standardwoche?
Stereotype Abläufe. Das unterscheidet jetzt die Krankheitswochen bei genauer, mitleidloser und vor allem kritischer Betrachtung gar nicht so wesentlich von den Gesundheitswochen. Mit dem feinen und allein deshalb erwähnenswerten Unterschied, dass ich mir jedenfalls in der Krankzeit dieses Phänomens plötzlich viel mehr bewusst bin. Die Uhr tickt lauter, wenn man erst einmal begriffen hat, dass es keinen Schlüssel zum Wiederaufziehen gibt.
Man lebt bewusster. Dankbarer und duldsamer, wenn es gut geht. Aber eben auch ungeduldiger und kritischer. Ich frage mich heute viel öfter, was ich da mache, warum ich es mache und ob ich das wirklich will?
Und das ist ein Vorteil. Wirklich. Selbst wenn mir brutto weniger Zeit bleibt (was ausdrücklich ja noch gar nicht gesagt ist), habe ich mehr davon, weil ich sie netto bewusster lebe.
Ein ketzerischer Gedanke: Würden wir unser Leben anders gestalten, wenn wir den Zeitpunkt unseres Todes kennen würden? Wäre das ein Vorteil oder ein Nachteil? Könnte man einen konkreten Zeitpunkt genauso aus dem Tagesbewusstsein verdrängen wie das abstrakte aber gleichwohl "todsichere" Irgendwann?
Ich sehe schon, gerade geht der Autor mit mir durch und irgendeiner meiner Protagonisten wird, sobald ich diesen Post geschrieben habe, furchtbar leiden müssen, bis ich das von allen Seiten zufriedenstellend betrachtet habe. Das ist das Schöne, wenn man gottgleicher Autor einer Fantasy-Welt ist. Man kann solche Fragen mit sich selbst diskutieren oder auch mit guten Freunden, zu denen meine Figuren mit all ihren Ecken und Kanten längst geworden sind. Und man kann jedes Szenario, das der Betrachtung dienlich ist, hineindichten. Ha! Ich glaube, ich erlaube dieses überragende Wissen meinen Elfen und die dürfen dann mit einem neugierigen Menschen diskutieren... 
Wo war ich stehen geblieben? Hier geht es ja um andere Themen.
Bei den Standardwochen, der Duldsamkeit, die sie verlangen und den Erkenntnissen, die sie gewähren.
Ja.
Es ist schon seltsam, während man in der Woche drinsteckt, wundert man sich, warum die Zeit nicht vergeht. Man sieht auf die Uhr, wurstelt gefühlte zwei Stunden vor sich hin und stellt dann fest, dass es doch nur 10 Minuten waren.
Hm, das verheißt nichts Gutes bis zum Feierabend... Und anders als früher, frage ich mich dieser Tage, warum ich mir das dann antue. Was ich davon habe. Was denn so wichtig ist...
Aber dann, wenn man nicht auf die Uhr, sondern auf den Kalender schaut, trifft einen der Schlag, weil man völlig fassungslos entdeckt, dass so 10-Minuten-weise die Woche schon wieder fast rum ist. Was bei mir jedenfalls schon immer zu einer leichten Panikattacke geführt hat.
Ich stelle dann alle Arbeiten ein und bin frustriert, weil ich nichts schaffe.
Ich sitze und starre und überlege, wo ich meine Zeit gelassen habe.
Dann baut sich vor meinem inneren Auge diese Windows-Sanduhr auf und lässt höhnisch mein Leben durch den virtuellen Äther rieseln.
Sehr intelligent ist in diesem Zusammenhang dann auch, dass ich hier nächtens sitze und diese Probleme ausgerechnet dem Web anvertraue.
Hach, und schon wieder eine halbe Stunde vertan.
Seit ich meine Zeit mit dem Krebs, der Krankenhausverwaltung und den Ärzten teile, ist meine Zeit kostbarer geworden, ohne dass ich in der Lage wäre, sie sinnvoller zu nutzen. Dann fühle ich mich schlecht.
Es ist ja schon dumm und undankbar, wenn man gesund ist und sich so seine Zeit in der Tretmühle stehlen lässt.
Wenn man all das Schöne gar nicht wahrnimmt, weil man es aufschiebt, für günstigere Zeiten aufspart, wo man es dann viel besser genießen kann.
Aber wie viel bescheuerter ist es, wenn man dieses bewusst leben schon nicht hinbekommt, wenn man so wie ich so derart massiv angezählt wurde?
Reichen Krebs und Chemo nicht zum Nachdenken?
Immer noch nicht?
Es heißt ja, man soll jeden Tag leben, als sei es der Letzte, was fraglos vernünftig ist, weil man irgendwann in dieser Haltung bestätigt werden wird. Das übrigens ginge nicht, wenn man so wie meine Elfen wüsste, wann dieser letzte Tag ist... (Memo fürs Skript).
Was ist es, dass diese schlichte Erkenntnis in der Umsetzung so unendlich schwer macht?
Was treibt uns in die Routine, die wir doch im Grunde unseres Herzens gar nicht leiden können, was legt den Rebell in uns in Ketten?
An welcher Stelle im Leben sind uns die Flügel abhanden gekommen?
Und was hindert uns, sie wieder anzuschnallen?
Solcher Art eingestimmt, fuhr ich also heute in die Kanzlei.
Unser Chef ist in Urlaub und als hätten alle Mandanten nur darauf gewartet, kommen jetzt auch jene aus ihren Verstecken gekrochen, von denen man seit Monaten nichts gehört hat.
Und jeder Einzelne findet sein Problem unendlich wichtig und muss sofort einen Vertrag überarbeitet bekommen, den er selbst gut und gerne drei Wochen bei sich hat liegen lassen.

Dumm nur, dass ein guter Teil der lieben Kunden sogar recht hat und mit Problemen kommt, die wir so allein und so aus der Hüfte schießend eigentlich nicht bearbeiten dürften - der Streitwerte oder der Haftungsrisiken wegen.
Nun, der gewiefte Berater spielt erst einmal - wirbelzwirbel - den Ball zurück. Man hört sich ein Problem an, bestätigt, dass es ein Problem ist und tröstet den besorgten Mandanten damit, dass alles halb so schlimm ist, weil er ja neben dem Problem noch uns hat.
Genau!
Und damit ich wir das Problem lösen können, brauchen wir jetzt noch folgende Unterlagen... Klappt immer. Der Großteil zieht sich mit solchen Hausaufgaben erst wieder in die eigene Höhle zurück und die paar, die dann wirklich sofort nachliefern, sind entweder wirklich in Not - oder so gut organisiert, dass ich meinen Hut ziehe und mich ergebe.
Die Wirbel-Zwirbel-Methode hat in der Tretmühle den großen Vorteil, dass man sich zunächst Luft verschafft und dann, wenn man dann zu arbeiten beginnt, die nötigen Unterlagen gleich beisammen hat.
Da wir nach Zeitgebühren arbeiten, ist das auch für den Mandanten gut, weil wir dann effektiver sind und uns nur einmal wirklich einlesen müssen.
Aber was hat das im Krebs-Blog zu suchen?
Tja.
Weil die Krebsmühle etwas anders ist. Weil ich nicht so geschmeidig mit den Anforderungen jonglieren kann, weil mir einfach die Kraft ausgeht.
Es fällt nicht so auf, wenn ich allein arbeite. Aber wenn die Kollegen wuseln, sehe ich einfach, dass ich - die einstige Stress-Queen, die zur Höchstform auflief, wo alle anderen ihr Zahnfleisch zum Weiterkriechen bemühen mussten - einfach etwas langsamer bin.
Das frustriert mich und damit schließt sich die Mühlenrunde.
Denn so wenig, wie es mir selbst jetzt gelingt, dauerhaft zu verinnerlichen, dass vieles von dem, was so wahnsinnig dringend ist, überhaupt nicht wichtig ist (und wahrscheinlich auch nie sein wird); so wenig gelingt es mir, das Positive zu sehen, dass es mir mitten in der Chemo gut genug geht, um diesen stressigen Job zu machen. Dass ich bei 80% Leistung nicht die 80%, die da sind und die andernorts und mit mehr Bescheidenheit gut und gern als 100% durchgingen, dankbar bewundere, sondern nur die 20% wahrnehme, die nach meiner persönlichen Vorstellung fehlen.

Und diese Dummheit setzt sich fort.
Es gibt nicht viele, die mitten in der Chemo in der Boulderhalle mithalten. Absturz mal anders. Ha! Dieser Höhepunkt in der Wochenmitte ist doch ein gutes Zeichen. Ich bin sehr zufrieden mit mir, zumal ich auch sportlich gar nicht so schlecht war.
Da ich zur Zeit kaum Kraft habe (schon wieder! Argh! Ich meine - weniger Kraft als sonst...), befasse ich mich mehr mit Technik und das hat durchaus Erfolg.
Nur eine kleine pessimistische Stimme raunt leise, dass der Höhepunkt an dieser Stelle besagt, dass es ab jetzt bergab geht. Ich lache die Stimme aus. Höhnisch, aber ein klein wenig gezwungen. Getrieben.
Zufällig treffe ich beim Arzt für die Blutwerte eine Krebskollegin, mit der ich ins Ratschen komme. Sie kennt das Mühlenphänomen auch, obwohl ihr Leben (Hausfrau und Mutter zweier Fast-Teenager) ganz anders als das meine ist.
Ein erheblicher Unterschied besteht darin, dass sie es zunächst nicht zugibt.
Ich kenne diese ganzen Sprüche von neuem Bewusstsein und Bescheidenheit, von der Freude einen Sonnenstrahl auf der Haut zu spüren oder einen Vogel singen...
Ja! Weiß ich, stimmt auch, aber man übersieht es so schnell, weil wir uns so schnell von dem weniger Schönen ablenken lassen.
Tretmühle, Teufelskreis, Hamsterrad - Es spricht nicht für unsere Intelligenz, dass wir nicht bemerken, dass ein Schritt zur Seite bereits Rettung verheißt.
Als ich nämlich neugierig und mit ausgeprägt schlechtem Gewissen nachfrage, was meine Bekannte denn besser macht, wie ihr "bewusster Tag" neben der Mühle aussieht, stelle ich fest, dass er meinem verdächtig ähnelt. Natürlich sieht auch sie viel genauer was stört, wie das, was passt.
Gemeinsam kommen wir ins Grübeln. Der Mensch ist nicht geschaffen, zufrieden zu sein. Nu ja, das ist jetzt nicht neu und ich glaub das auch nicht. Anwaltsmäßig relativiere ich - wir sind nicht geschaffen, LEICHT glücklich zu werden. Was von selbst kommt, zählt eh nicht.
Nach meiner persönlichen Energielehre will alles möglichst reibungsfrei sein. Konflikte - innere wie äußere - sind energetisch betrachtet immer Reibung. Ein Bild, dass auch unsere Sprache kennt. Naturgemäß wird unser ordnendes Augenmerk, auf die Reibungspunkte gelenkt, dort ist der Handlungsbedarf, dort kann man verbessern. Das ist so auch richtig. Aber es versperrt den Blick darauf, dass "Können" nicht mit "Müssen" gleichzusetzen ist und dass man nicht aus den Augen verlieren sollte, warum wir reibungsfrei sein wollen.
Die Woche klingt philosophisch fortgebildet mit einem wunderbaren Sommerabend auf der Terrasse mit Freunden aus. Mein Mann hat ein original chinesisches Menü gezaubert und als ich die ersten Glühwürmchen sehe, habe ich gleich noch eine hübsche Idee für mein Fantasy-Buch. Für die Zeitdebatte, die damit eine versöhnliche Schlussszene erhält.
Eigentlich ist das Leben schön.
Und die Woche auch.
Man kann in der Tretmühle ja auch mal eine Runde aussetzen.
37:7

Montag, 9. September 2013

Alien Warm-up - Krebs feiert.

Wir nähern uns der Wiesn und dem kollektiven Volksbesäufnis.
Der Münchner Sommer ignoriert den Wetterbericht beharrlich und bleibt. Das ist gut, denn immerhin hat er heuer ja auch erst superspät angefangen. Mein Ross sammelt glücklich in der Wiese vom Bauern Fallobstäpfel und der futterneidische Hund frisst auch ein paar... Erstaunlich. Wenn ich ihm daheim so was anbieten würde, würde ich nur mit einem indignierten Blick bedacht werden: "Hast du noch nie von carnivor gehört?!"
Der Tag war gut. Meine Laune wie das Wetter. Sommerlich.
Am Abend sind wir eingeladen. Massen von Freunden, die ich seit meiner Diagnose nicht mehr gesehen habe...

Ich trinke ja üblicherweise gar nicht, aber dieses eine Mal, wo ich wirklich gar nicht darf, wäre mir schon sehr danach.
In gemischter Stimmung gehe ich also mit meinem Mann auf das Wiesn-Warm-up-Trachtenfest von einem Kumpel, der bezeichnenderweise gebürtiger Hamburger ist. Das Oktoberfest ist eben international und gesoffen wird überall, wenn auch nur bei uns in Lederhosen.
- Bikertreffen gelten insofern nicht. Wirklich nicht. Und Jersey-Stoffe im Lederhosendesign übrigens auch nicht, aber ich will jetzt nicht in einen Exkurs über traditionelle Trachten abschweifen, obwohl das durchaus angebracht wäre, angesichts dessen, womit die hinterlistigen Ladenbesitzer in der Innenstadt arglose Touristen und "Neumünchner" anlocken, damit sie sich vor den Einheimischen so richtig blamieren. -
Ein andermal vielleicht.
Jedenfalls bin ich ziemlich komisch drauf und wundere mich über mich selbst.
Egal, ich schnür mich in mein Dirndl und schraube ein Lächeln in mein Gesicht.
Wahrscheinlich wird es ganz lustig. Immerhin treffen wir endlich mal wieder unsere Clique, die ganze Krebsgeschichte hat doch auch auf der sozialen Ebene zu einer deutlichen Reduktion geführt.
Das Treffen verläuft gut, alle sind begeistert, mich zu sehen.
Mein Krebstextlein kann ich zum Glück inzwischen ziemlich fließend aufsagen, klingt ja auch alles ganz gut. Für die, die keine Ahnung haben, hinreichend ehrlich, schmeichelhaft tapfer und den Zuhörer beruhigend.
Es ist besser so, weil die Zweifel, die Angst davor, dass die Kraft ausgeht... die kann man nicht beschreiben, weil jedes Wort hinter der Wahrheit zurückbleiben würde - wobei das keine Richtungs-, sondern nur eine Abstandsangabe sein soll.
Manches ist schlimmer, manches ist besser, es gibt Gutes und Schlechtes, man lebt eben mehr in den Grenzbereichen, das kostet Kraft, aber dafür lebt man auch intensiver (und das wiederum ist gut).
Lerne, was wichtig ist.
Lerne, wie wenig wirklich wichtig ist.
Lerne, das Wichtige vom Unwichtigen zu scheiden.
Und merke es Dir.
Dem geneigten Leser wird schon auffallen, dass ich heut etwas zerstreut bin. Wo war ich stehen geblieben? Ach, auf dem Fest.
Ja, es ist nett und das Wetter passend für den Anlass und einen gemütlichen Balkon.
Was wirklich psychologisch erstaunlich ist, ist dass so viele meiner Freunde mir in Antwort auf meine Krebsgeschichte ungewöhnlich offen, ja fast schon radikal, von ihren Sorgen und Nöten sprechen.
Liegt das daran, dass man versucht ist, mitzuhalten?
Soll das ein Übertrumpfen werden?
Egal, was einem passiert - dein Gegenüber kennt wen, dem dasselbe passiert ist - nur schlimmer! *g*

Aber vielleicht bin ich zynisch, was ich gar nicht sein will. Vielleicht soll das auch nur ein Zeichen dafür sein, dass ich nicht allein bin, mit meinem Elend, dass es anderen auch nicht besser geht - nur anders, Vielleicht ist es Leid-Solidarität, die hier anklingt.

Vielleicht... ich weiß es nicht. Seltsam distanziert höre ich zu, wie wir uns unterhalten, höre, wie ich tröste, mitfühle und berate. Und entferne mich dabei immer weiter, bis ich mich inmitten meiner Freunde ganz fremd fühle. Allerdings nicht unwohl. Nur anders. Ein Alien quasi.
Keine Frage, heute bin ich komisch.
Be unique!
Ich wechsle zu Bekannten vom Gastgeber, die ich allenfalls vom Sehen kenne und plaudere beherzt als gefragte Expertin über artgerechte Mopshaltung, nachdem mein kleinster Hund ein Hovawart war...
Das ist mal wirklich auf den Hund gekommen...
Doch dabei fühle ich mich wohler.
Ich glaube, ich habe einen ganz guten Mittelweg gefunden, ein geeignetes Maß an Nähe zuzulassen und doch die Abgründe aus Angst und Unsicherheit, die da natürlich irgendwo lauern, mit Sicherheitsabstand zu umschiffen. Aber anstrengend ist es schon.
Falls der Krebs einen aushölt, ist es ja nur logisch, wenn man ob
Ich stehe neben der Spur, was in Ordnung ist, und dass man sich da manchmal etwas fremd in alten Bahnen fühlt, scheint unter diesem Aspekt ebenfalls logisch.
erflächlich wird.

Wir gehen so ziemlich genau in der Mitte des allgemeinen Exodus und kommen spät nach Haus. Eigentlich war es ein schöner Abend.
Oberflächlich betrachtet auf jeden Fall - und in der Tiefe auch.
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