Montag, 30. Dezember 2013

Silvesterpost

Silvesterpost
Sehr doppeldeutig in einem Blog.
Damit meine ich jetzt entgegen des in diesem Umfeld wahrscheinlich ersten Eindrucks nicht einen Beitrag, den man zu oder anlässlich von Silvester schreibt, sondern ganz altmodische Post, also Briefe, die man auf Papier schreibt und in ein Kuvert packt.
Nachdem das geklärt wäre, zurück zum Thema.
Silvesterpost.
Und auch noch der 100ste Post in diesem Blog. Wenn das kein Omen ist.

Ich schreibe mir seit Schülertagen jedes Jahr an Silvester selbst einen Brief, den ich genau ein Jahr später lesen werde, nämlich bevor ich den nächsten Brief schreibe. Es ist dies ein spontaner Gedanke gewesen, der sich über die Jahre zu einem sehr wertvollen Ritual ausgewachsen hat. In diesen Brief schreibe ich mir alles, was mir an diesem Tag so wichtig erscheint, dass es nächstes Jahr auch noch wichtig ist. Vorsätze, Sorgen, Ängste - Hoffnungen und Befürchtungen. Halt all das, was mich gerade beschäftigt.
So weit so gut.

Spannender ist aber eigentlich die Lektüre des Briefs aus dem Vorjahr. Früher habe ich den Vorjahresbrief immer erst gelesen, nachdem ich den aktuellen Brief geschrieben hatte. Das führte dann regelmäßig zu einer editierten Neufassung des gerade erst geschriebenen Briefs. Wie sich in einem Jahr die Perspektive ändert, wie oft ich echt nachdenken musste, was damals (vor einem Jahr!) noch genau los war, und das obwohl es mir wichtig genug war, es in den Silvesterbrief aufzunehmen. Gerade das Zwischenmenschliche.
Was mich über meine Mitmenschen aufgeregt hat, was ich gerne haben wollte, was ich mir ganz fest vorgenommen habe - und dann übers Jahr komplett vergessen, verräumt und verdrängt habe.
Es war eben nicht wichtig. Auf längere Sicht gesehen, nicht. Kosmisch sowieso nicht.
Erstaunlich.
Und das ist die faszinierende Wirkung der Silvesterpost. Sie relativiert Sorgen und Wünsche. Sie komprimiert die großen Wünsche. Sie versöhnt mit der Vergangenheit und beruhigt die Zukunft.

Heuer wird es vermutlich anders sein. Gesundheit ist ein Wunsch mit Premium-Charakter. "Alle Wünsche werden klein, vor dem einen, gesund zu sein" meint der Volksmund und drückt damit wie immer eine lange Erfahrung in kurzen Worten aus.
Aber dazu hat es keinen Krebs gebraucht. Das wusste ich vorher eigentlich auch schon. Nach jeder blöden Grippe weiß man ganz genau, wie einem der Spaß an einfach allem verdorben ist, wenn man nicht gesund ist. Und man schwört sich ehern, dass man künftig morgens, wenn nix weh tut, erst mal ein Dankgebet gen Himmel sendet.
Auch das ist ein Vorsatz mit der Halbwertszeit von Sahara-Schnee.
Es ist das Wesen des Menschen, nach vorn zu schauen. Die Kehrseite ist, dass man sich am Erreichten so schwer freut wie am Vorhandenen. Und auch da kann die Silvesterpost helfen. Auch hier rückt sie gerade und sagt dem Leser - je nach eigener Formulierungskunst mehr oder minder subtil - was für ein undankbarer Tropf er doch ist.

Vieles in meinen Silvesterbriefen an die Kay der Zukunft ist zu privat für einen Silvesterpost. Manches nicht und einiges möchte ich sogar mit Euch, meinen lieben Lesern teilen:
Ich bin überzeugt von der Kraft der kleinen Gesten.
Wenn jeder immer täte, was er ohne großen Aufwand Gutes wirken kann, dann wäre durch die schiere Masse die Welt sofort ein wesentlich besserer Ort. Die Schneeflocken, die zur Lawine werden. Und darum versuche ich auch dieses Jahr wieder, immer wenigstens dann hilfsbereit und nett zu sein, wenn
es mich nichts kostet. Nette Worte, Interesse, Mitgefühl... Es sind ja nicht die großen Taten, um die es hier geht.
Und sonst?
Ich hoffe, dass der neue Hund, den wir nach Neujahr aus einem Tierheim holen werden, sich bei uns gut einlebt und den Platz im Haus füllen kann, den mein lieber alter Hund hinterlassen hat. Mein Herz müssen sie sich teilen. Aber das ist groß genug. Ich werde berichten.
Ich habe mir fest vorgenommen, mein Fantasy-Buch nächstes Jahr richtig zu vermarkten und zum Bestseller zu machen. Okay. Das könnte schwierig werden, aber man wächst an den Herausforderungen und man braucht ja auch was, das man abschenken kann. Man wird sehen.
Denn natürlich habe ich mir vorgenommen, gesund zu werden und nicht länger herumzukrebsen. OP und Bestrahlung, Hormontherapie... Und dann aufräumen. Nebenwirkungen und Behandlungsfolgen abbauen. Im Körper und im Umfeld, in der Familie, im Freundeskreis und bei der Arbeit. Auch da werde ich berichten. Dafür hab ich den Blog hier ja.
Und sollte ich dazu kommen - werde ich mich der Ausbildung meines Rosses widmen. Sport muss sein und nicht nur für mich.

Und was sagen mir diese Vorsätze und Erwartungen?
Dass das neue Jahr uns unschuldig empfangen wird, mit all dem, was wir aus dem alten mitnehmen. Es ist unsere Sache, was wir da reinräumen. Und sich das zu überlegen. Das ist auch Aufgabe des Silvesterbriefs. Man sammelt ein, was man mitnehmen will ins Neue Jahr und lässt zurück, was doof ist. Symbolisch und ungemein befriedigend.
Es ist mit Neujahr wie mit einer Almhütte: Man kriegt, was man mitbringt.

Ich glaube fest an die Kraft der guten Gedanken. Und darum wünsche ich Euch Glück, Gesundheit und Zufriedenheit.
Schreibt Euch, was Ihr Euch zu sagen habt, so hört man sich wenigstens 1x im Jahr zu.
Rutscht gut rüber in ein neues Jahr, das Euch unvoreingenommen mit all dem empfangen wird, was Ihr mitbringt. Mach ma was draus!
Ich freu mich!

Samstag, 28. Dezember 2013

Mentalbergsteigen - Krebs und Lächeln

aus Gottes Sicht - Milbenschweif (www.piqs.de)
So...
Das Jahr hat nach einem durchaus verbesserungsfähigen Verlauf eine allerletzte Chance für ein versöhnliches Ende.
Dazu mache ich erst mal eine Bestandsaufnahme.
Meine körperlichen Gebrechen, chemobedingt oder nicht, habe ich ja schon erzählt. Die sind im Augenblick nicht zu ändern, sondern nur hinzunehmen. Sie sind eigentlich nicht so schlimm, viele Kleinigkeiten, die jede für sich gut zu behandeln ist und in der Summe... nun ja... zwar fraglos aufwändig, aber am Ende doch erträglich sind.
Meine Psyche ist das eigentliche Problem. Die Taxan-Chemotherapie führt, das ist gar nicht so selten, zu einer depressiven Verstimmung. Doch je mehr ich mich verstimme, desto mehr Schieflage erhält das fragile Gleichgewicht, mit dem ich meine Tage bestreite. Diese Stimmungsschwankungen belasten, das verstehe ich rational wunderbar, auch meinen Mann. Und meinen Hund, der es auch nicht leiden kann, wenn ich heule, und noch weniger wenn ich schreie.
Doch es ist ein Henne-Ei-Problem, denn die Reaktionen auf die Belastung, sind sehr belastend für mich. Das muss ich durchbrechen.
Ich bemühe mich also um einen heiteren Ton. Um Zuversicht und Langmut. Beides ist schwer, denn das Misstrauen sitzt so tief wie die Erschöpfung, von der auch mein Mann längst gezeichnet ist.
Während mein Mann dann eine Runde mit Freunden Tennis spielen geht, fahre ich allein zum Pferd. Das klingt banal, ist aber für mich derzeit eine riesige Leistung. Ich muss Kraft sammeln, mich aufraffen, mich umziehen, ins Auto steigen und losfahren. Auf jedem Zentimeter dieser Strecke muss ich mich überwinden, mich selbst bezwingen und das ist schwer, denn ich kenne alle meine Tricks.
Aber ich schaffe es und mir gelingt sogar eine richtig gute Übungseinheit mit meinem Ross.
Wenn ich jemals mit diesem Krebsblog fertig sein werde, schreibe ich über die Abenteuer meines Rosses.
Oder aber über meine Höhen und Tiefen als Indie-Autorin. Das habe ich zwar schon begonnen, vernachlässige ich aber derzeit doch ziemlich. Egal. 2014 bietet 365 gute Gelegenheiten.
Am Abend essen wir zusammen und das fühlt sich schon harmonischer an.
Ich freu mich auf Sonntag. Da muss ich ein paar Zimmerpflanzen pflegen und dann bastle ich an der Homepage für mein Buch. Das ist ein guter Plan.
Es zeigt sich wieder einmal, dass alle Kraft, die man braucht, um durch so ein Jammertal zu gehen, wie diese Chemo-Krebs-Depressions-Schlucht, im eigenen Herzen wohnt.
Das klingt so schnulzig, dass ich mich echt zwingen muss, es hier aufzuschreiben, aber he - es ist eben so.
So schnulzig und vor allem so einfach.
Man muss nur wollen. Aber wollen muss man.
Mantramäßig sage ich mir jeden Tag vor, dass es mir gut geht, dass ich verdient habe, dass es mir gut geht und dass ich stark bin!
Lächeln ist die beste Medizin. Wirklich?
Es ist ein Versuch wert, eine ganz simple Sache. Lächeln, auch wenn einem nicht danach ist. Wer ganz fest entschlossen lächelt, die Mundwinkel nach oben zieht, der gaukelt seinem Gehirn vor, dass alles gut ist, weil man normalerweise ja nur lächelt, wenn es wirklich so ist.
Irgendwie scheint es zwischen der "Grimasse" und dem "Gefühl" im Gehirn eine Verbindung zu geben. Eine Straße, die meist vom Gefühl zur Grimasse befahren wird. Aber es funktioniert auch andersherum. Wenn man lächelt, fühlt man sich gleich besser. Nicht viel, aber ein bisschen.
Es klappt sogar, wenn man mit den Fingern die Mundwinkel nach oben zieht.
Verrückt.
Und das ist ein Anfang. Auch die Besteigung des höchsten Berges beginnt mit einem ersten Schritt. Und noch einem. Und noch einem. Und dabei immer lächeln.
Und in Bewegung bleiben. Ganz bewusst. Leben, Lieben, Lächeln.
2014 soll kommen. Ich sag ihm schon, wo es langgeht.
Ich denke an die schönen Dinge, an mein Buch und die Homepage zu meinem Buch, an mein unbedingt noch auszubildendes Pferd, an meinen Mann und unsere Beziehung.
Eigentlich geht es mir gut.
Das darf ich mir nicht von dem blöden Taxan wegnehmen lassen.
Von hier aus, ist die Sicht wunderbar.

86:16

Montag, 23. Dezember 2013

Phantastische Weihnachten!

Für alle, die mich schon länger kennen... Hier ist er, wie alle Jahre wieder, Kays Weihnachtspost, auch und gerade, wenn sie mal nichts mit Krebsen zu tun haben:

Alle Jahre wieder...... sieht man sich um und staunt, wie schnell die Zeit vergeht. Denn bevor die Welt für die paar Tage zwischen den Jahren in so etwas wie annäherungsweisen Stillstand verfällt, um sich mit den Eindrücken des letzten Jahres in eine ruhige Ecke zu verkriechen, bricht überall und allerorten nochmals Endspurt-Hektik aus und da darf ich nicht mit meinem alljährlichen, berüchtigten Weihnachtspost fehlen. Die Ansichten zu Weihnachten sind zwiespältig. Die einen verteufeln den Irrsinn, der alljährlich die angeblich "staade Zeit" zum Konsum-Marathon verwandelt, die Nerven blank legt und die eigentliche Idee von Weihnachten komplett ruiniert. Die anderen ignorieren das und freuen sic ganz traditionsbewusst  auf ein paar Tage mit der Familie (und meist danach genauso, dass es wieder für ein Jahr vorbei ist). Meine Schwester zum Beispiel flüchtet panisch außer Landes, verbarrikadiert sich sicherheitshalber allein in einem ägyptischen Hotelzimmer und verkennt dabei völlig, wie nah sie damit eigentlich der ursprünglichen Weihnachtsgeschichte nicht nur räumlich kommt. Denn das erste Weihnachten war kein Fest, sondern ein Notfall und es wurde allein in einem zugigen Stall und nicht etwa in einem festlich geschmückten Heim begangen. Wer schon einmal in einer überfüllten Stadt nach einem Hotel gesucht hat und zu vorgerückter Stunde immer noch keins hatte, kann sich vorstellen, dass der heutige Weihnachtsstress, wenn man am 23. noch kein Geschenk hat, durchaus dem Urweihnachtsstress ziemlich nahe kommt. Josef wird sich bei den Anfeuerungsrufen seiner von einsetzenden Wehen zunehmend hysterischen Frau vielleicht noch schlechter gefühlt haben, als wir uns heute, wenn der Liebste im Minutentakt anruft und fragt, ob man jetzt schon ein Geschenk für Großtante Irmi gefunden hat. Ich habe keine Kinder, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Maria übermäßig begeistert war, als sie ein paar Stunden nach der Niederkunft, bei der ihr nur ein schon beim Zimmersuchen überforderter Ehemann beigestanden hat, von einem Trupp wildfremder Hirten und ihren Schafen besucht wurde. Seltsam, dass man das so vollkommen ausblendet.Ich mag Weihnachten. Weihnachten ist ein Wunder. Es zeigt, wie sehr unsere Welt vom Glauben geprägt wird. Wir alle wissen, dass das Wetter zu Weihnachten alles nur nicht weiß ist, dass es keine Zeit im Jahr gibt, die vergleichbar hektisch und stressig ist und in der mehr widerstreitende Erwartungen und Termine koordiniert werden wollen und die Großstädte nachhaltiger im Verkehrschaos versinken, ABER wir glauben trotzdem unverrückbar und unbeirrbar an eine weiße Weihnacht im Kerzenschein, während sich draußen ein einsamer Wanderer unter dicht verhangenen Bäumen durch den knirschenden Schnee zu einer romantischen Berghütte seinen Weg bahnt. Ohne Rücksicht darauf, dass Bethlehem nun wirklich seit Menschengedenken noch nicht einmal von Schnee gehört hat und auch Tannen und Hochgebirge dort nicht vorgesehen sind. So sind Menschen nun einmal. Aberglaube, also die Bereitschaft etwas trotzdem zu glauben, obwohl wir es besser wissen sollten, ist die faszinierendste und vielleicht mächtigste Kraft, über die wir verfügen. Darin liegt eine Chance. Wir glauben an das Gute, auch wenn es meist gar nicht danach aussieht und dadurch geben wir ihm auch eine Chance. Vielleicht ist Weihnachten deshalb so stark, viel stärker als Ostern, das eigentlich religionstechnisch viel wichtiger wäre. Die Zeit zwischen den Jahren ist in allen Zeiten und an allen Orten etwas besonderes. Fantasy-Autoren, die im allgemeinen ein sehr gutes Gespür für die Bedürfnisse unserer Träume haben, betonen das instinktiv auch beim Bau ihrer Welten. Es ist eine Wendezeit, der besondere Kräfte innewohnen - vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass dann eine kritische Masse bereit ist, sie ihnen zuzugestehen. Nutzt diese Zeit und träumt eine schöne Welt. Erwartet Freundschaft, Liebe und Gelassenheit. Hofft darauf, dass wir uns selbst nicht so wichtig nehmen und den anderen die Schrullen zugestehen, die wir selbst bei uns vermuten sollten, auch wenn wir sie gewohnheitsmäßig gar nicht mehr bemerken. Lenkt Eure Blicke nicht nur an Weihnachten, auf all das, was klappt oder klappen sollte, statt ständig an allem herumzukritteln. Gerade, wenn andere sich daran freuen. Freut Euch lieber selbst daran, dass die Welt so groß und bunt und quirlig ist und wie viele Möglichkeiten sie uns nicht nur mit jedem neuen Jahr, sondern mit jedem Atemzug bietet. Geizt nicht mit Geschenken, auch jenseits von Weihnachten. Wer immer dann, wenn es ihn nichts kostet, einem anderen einen Gefallen tut, verbessert nicht nur sein Karma, sondern generiert eine viele bessere Welt. Dazu genügt oft ein Lächeln, ein neumediales "Like", das Teilen eines Gedankens, ja oft nur das bewusste Denken desselben. Ich jedenfalls habe es auch nächstes Jahr wieder fest vor, alles ein klein wenig besser zu machen. In diesem Sinne will ich nach den Turbulenzen des letzten Jahres auch wieder getreulich von den Fortschritten meines Helden in seiner #Schwerttanz-Saga berichten und natürlich auch darüber, was sonst so alles mir und meinen Freunden passiert. Im #BlogdurchsBuch soll es auch weitergehen und nachdem unser Hund ja leider, leider in den Hundehimmel durchgebrannt ist, werden wir wohl nächstes Jahr einem anderen armen Kerl zu uns nach Hause holen.

Ich wünsche Euch allen nur das Beste - Kraft, Mut und vor allem einen Arm voll Gesundheit! Und natürlich ein frohes Fest.

Eure Kay

Sonntag, 22. Dezember 2013

rot oder schwarz - Krebs und Stimmung

Umberto Salvigne - Swan  in Backlight (www.piqs.de)
Ich komme endlich dazu, über die Tage vor der letzten Chemo zu schreiben.
Es fällt mir schwer, mich mit dieser Zeit zu befassen, aber das hat andere Gründe als den Krebs.
Es ist sehr schwierig. Eigentlich wollte ich von der Arbeitswoche schreiben, aber das wäre etwas hochtrabend, denn das klingt so nach Office. Vor Weihnachten ist immer sehr viel los. Da haben Anwälte Hochsaison.
Ich war zwei Tage in der Kanzlei und habe zwei Tage von Daheim aus gearbeitet, was mir erlaubt, meine Intervalle anders zu takten als das im Büro ginge. Aber ich achte peinlich darauf, meine Arbeitszeit sauber abzuarbeiten. Mindestens 40 Wochenstunden, damit mein Chef nicht wieder sagt, ich sei unzuverlässig oder gar unbrauchbar. Doch das ist schwer.

Einerseits fühle ich mich furchtbar schlapp. Andererseits bin ich vor allem extrem depressiv, ich würde so gerne einfach arbeiten, leben... aber es geht nicht. Mir fehlt einfach die Kraft.
Diese Depression nervt mich - selbst wenn sie von den Medikamenten kommt, das Gefühl bleibt ja trotzdem.
Und was für ein Gefühl. Bäh!
Es ist etwas, von dem ich so sehr gehofft hatte, ihm nie wieder zu begegnen.
Ich bin wie gelähmt, kann selbst kleinste Arbeiten/Pflichten nicht verrichten, ohne dass ich mich dazu zwinge.
Nein, das ist jetzt definitiv ein Tag, den der Krebs für sich entscheidet.
Die Niederlage ärgert mich.
Das einzige was mir darüber hinweg hilft, ist ohnehin mein Zorn, aber das hat massive Nebenwirkungen auf meine Beziehung und auf mein Gesamtbefinden, weil ich entweder tiefschwarz deprimiert oder hochrot zornig bin.
Am Montag waren wir im Kino, vorher war ich zu ich depressiv, um auch nur mit dem Hund rausgehen.
Als ich das dann meinem Mann erzählt habe, war er so mies drauf, dass wir darüber in Streit geraten sind und dann konnte ich gerade zum Fleiß plötzlich nochmals Gassi gehen.
Fluchtverhalten.
Schöner Mist. Was Hormone mit einem machen, was sie mit meinem Leben machen.
Ich will nicht streiten, denn ich seh ja, wie sehr auch die unter Druck stehen, die mit mir Leben müssen. Aber auch das ist schwer.
Nur der Zorn holt mich aus dem schwarzen Loch, doch er verbrennt auch alles andere.

Ich bin spazieren gegangen, war beim Pferd, habe viel geschlafen, durchaus auch gearbeitet, an meinem Buch geschrieben, Laub im Garten weggeräumt...
Eigentlich ist alles gut.
So sieht es aus, so sehen es die anderen und freuen sich für mich.
Aber es fühlt sich nicht so an und wenn ich das sage, sind alle enttäuscht, die sich gefreut haben und projizieren das auf mich. Und ich bin unsicher, weil vielleicht haben sie ja recht und ich bin undankbar. Jammere, wo es nichts zu jammern gibt. Ich lausche nach innen, die Traurigkeit grinst höhnisch zurück. Sie würde vermutlich spöttisch lächeln, aber das ziemt sich nicht für die ewig Schwarzgewandete.

Immer deutlicher wird, dass der Krebs zwar nicht mich, aber meine Beziehung auffrisst.
Wir können gar nicht mehr normal miteinander umgehen und auch wenn ich versuche, einen "normalen" Abend zu gestalten - gelingt das nicht.
Wir fremdeln.
Nun gut, mit der Perücke und dem aufgemalten Gesicht, den getapten Fingern und dem wunden Mund, bin ich auch nicht die, die mal irgendwann geheiratet worden ist.
Nein, ich muss noch einen Tag an den Krebs abtreten, so Leid es mir tut.

Auch in der Arbeit ist es schwierig. Das Verhältnis verzerrt sich zunehmend. Ich arbeite brav und ordentlich. Die Mandanten sind zufrieden und fragen mich auch an. Das ist gut, denn sonst dürfte ich vermutlich nur noch Akten sortieren. Doch das ist ungerecht. Der objektiv einzige Unterschied zu "vorher" ist, dass ich viel von Zuhause aus arbeite, aber das ist bei der Bearbeitung von Schriftsätzen und Verträgen eigentlich kein Problem. Ich schalte mich halt vom Sofa aus auf unser System - wunderbare Welt der Technik. Und ob ich das zwischen 09.00 und 17.00 h mache oder zwischen 17.00 und 09.00 ist egal, solange ich pünktlich liefere?!
Und doch... mobbt mich der Krebs.

Ich werde in Besprechungen nicht einbezogen - und zwar nicht, weil ich nicht da bin, denn ich würde kommen, wenn es erforderlich wäre und hätte im Übrigen auch ein Telefon...
Ich werde bei der Weiterleitung von Dokumenten auf dem Verteiler vergessen, ich erhalte auch auf Nachfrage die Informationen, die für effizientes Arbeiten wichtig wären einfach nicht.
Es ist, als wäre ich eigentlich schon weg. Die anderen jammern, wie sie überfordert sind, aber ich darf keinem was abnehmen.
Alles wird besser, so höre ich, wenn die neue, die tolle, die bessere Kollegin erst anfängt.
Bei der Ausgabe von mir erstellter Unterlagen werde vom Chef nicht ich, sondern ein anderer Kollege cc gesetzt, der damit doch gar nichts zu tun hat.
Ich bin fix und fertig.
Also versuche ich, künftig mehr in der Arbeit zu sein, Leukozyten und winterliche Ansteckungsgefahr hin oder her, irgendwie geht das schon.

Dann erfahre ich, dass die Steuerberaterin, die gerade mal zwei Wochen bei uns in der Kanzlei arbeitet, einen der Tiefgaragenplätze bekommt, während ich mit Taxi und Shuttle (mein Mann) organisieren muss, wie ich irgendwie meinen Job behalte und nicht zum Büroboten degradiert werde, weil man mich doch eigentlich los werden will.
Ich spreche meinen Chef darauf an und der zuckt verlegen die Schultern. Das sei ihm jetzt schon peinlich, sagt er.
Jetzt erst fühl ich mich wie ein abgeschobener Krüppel, wie ein Vollidiot, weil er überhaupt kommt und soviel arbeitet... Andererseits kann ich es mir einfach wirtschaftlich nicht leisten, einfach krank zu sein.
Mit dem Krankentagegeld komme ich nicht hin. Stolz muss man sich leisten können.

Weihnachten kann nur besser werden!
84:16 

Sonntag, 15. Dezember 2013

voll verspult - Krebs in der Nacht

ICU - Pierre (www.piqs.de)
So geht das nicht weiter.
Wenn man gesund werden will, braucht man Kraft.
Auch, wenn man wenigstens nicht noch kränker werden will. Auch Rückzugsgefechte sind kräftezehrend. Gerade die.
Wie aber kommt der Mensch zu Kräften? Durch gutes Essen und Schlaf.
Das mit dem Essen klappt ja einigermaßen, meine angeborene Verfressenheit, mein ausgeklügeltes Riech-Schmeck-System, diverse Mittelchen gegen offene Stellen und nicht zuletzt natürlich mein gerade zu himmlisch kochender Mann haben da den Krebs im Griff. Da bekommt der Mistkerl keinen Fuß in die Tür.
Etwas anders schaut es mit dem Schlafen aus. Ich habe schon vor dieser Schalentierepisode so meine liebe Not mit dem Schlaf gehabt. Dieses frühkindliche "Nichtinsbettgehenwollen" habe ich irgendwie nicht nur nie abgelehnt, sondern im Gegenteil stetig weiter perfektioniert. Das führt in Friedenszeiten zu einem vergleichsweise blassen Teint und zu einem abwechslungsreichen und erfüllten Privatleben, dass sich mit einem zeitintensiven Job und meiner schriftstellerischen Tätigkeit kombinieren lässt.
In Kriegszeiten wie diesen hingegen, würde ich diesen Modus gerne modifizieren. Jetzt zum Beispiel, und zwar dringend, weil ich mich echt wie gerädert fühle. Dumm nur, dass es nicht klappt, wenn man schlafen nicht gelernt hat.
Klingt komisch, ist aber so.
Ich habe von Kriegskameradinnen erfahren, dass viele aus verschiedenen Gründen auch schlecht schlafen und noch schlechter einschlafen. Wir tauschen diverse Mittelchen aus, die es rezeptfrei, einfach und ohne Nebenwirkungen gibt. Instinktiv schrecken wir alle vor nur noch mehr Chemie zurück. Erstaunlich. Man sollte meinen, mit einem gefühlten Hektoliter Taxan im System wär es eh schon wurst.

Mir hat es ziemlich viel Spaß gemacht, überhaupt mal rauszusuchen, was so helfen kann und ich freue mich über Kommentare mit weiteren Anregungen, wie man gerade unter erschwerten Bedingungen doch zu gutem Schlaf findet.

  • Hände waschen
    Nein, das ist jetzt kein Aufruf zu mehr Hygiene, sondern ein verblüffend effektives Mittel, loszulassen. Ich bin schon von Berufs wegen skeptisch und diesem halbgaren Schamanen-, Spiritualitätsquatsch, der hier in unser sinnentleerten Kapitalwelt angespült wird auch instinktiv eher skeptisch eingestellt (Nicht dass ich das nicht für möglich halte - ich traue es nur den Predigern hierzulande nicht zu).
    Aber wenn man der lebenspendenden Kraft des Wassers, das über die Hände fließt, nicht nur den Schmutz anvertraut, sondern auch die Sorgen - dann hat das den Indianern zufolge eine befreiende Wirkung, die ich nicht widerlegen konnte. Und wenn man dann danach noch ganz bewusst tief Kraft einatmet, geht es gleich noch besser.
    Ich habe jedenfalls für mich festgestellt, dass ich mit diesem Ritual viel öfter die Hände wasche.
  • Schäfchen zählenBekannt und bewährt - so albern es ist, es wird immer genannt.
    Man kann auch was anderes zählen, oder darüber nachdenken, was man zählen will. Hilf alles.
  • Sorgen aufschreiben und beiseite legen
    Große Wirkung kleiner Gesten. So trickst man den Bauch und mit ihm zusammen den Kopf aus. Denn dann sind sie festgehalten und der Kopf ist entlastet für die Pause, die Schlaf ja bedeuten soll. Nichts geht verloren. Man darf loslassen. Kein Thema, dass man in die Nacht mitnehmen müsste.
  • Tagesereignisse rückwärts Revue passieren lassen
    Das ist eine wie ich finde sehr interessante Methode, die tatsächlich gerade nach stressigen Tagen sehr zur Entspannung beiträgt, weil man den Tag seltsamerweise aus einer völlig anderen Perspektive erlebt, wenn man einmal nicht frägt, was man "danach" gemacht hat, sondern vom Insbettgehen zum Zähneputzen mit einem "Und davor?" bis zum Aufstehen pilgert. Es erschließen sich Zusammenhänge und Ursachen, der Fokus verschiebt sich von unerträglich zu unwichtig (oder auch andersherum!), Zumindest fördert es den Überblick, erweitert den Horizont und stärkt das Verständnis.
  • Statistik führenFür die Wissenschaftler unter uns.
    In der Tat scheinen Zahlen auf viele Menschen sehr beruhigend zu wirken und wenn man den Tag in Zahlen ausdrückt, scheint er irgendwie aufgeräumt und erledigt...  Das Leben wirkt berechenbar und vermittelt uns die Illusion von Beherrschbarkeit. Das ist gerade in diesen von Ohnmacht geprägten Tagen sehr angenehm. Aber wie kann man ein Leben in eine Statistik pressen? Das geht eigentlich leicht. Beginnen wir mit allem, das sich zählen lässt.
    Also z.B. Gewicht, Ausgaben, Kreuzchen für typische aber nicht tägliche Aktivitäten wie mit Kindern spielen, Sport gemacht, Einkaufen gewesen, Haushaltsarbeit, etc...), Wetter...
  • Psycho-Statistik für FortgeschritteneWenn man sich also schon eine Tabelle ans Nachtkasterl legt, kann man auch noch ein paar weitere Spalten ausfüllen, nämlich z.B. eine Schulnote für den Tag und eine kleine Spalte, in die man schreibt, was man sich an dem Tag Gutes getan hat. Das ist seeeehr hilfreich, weil man dann vieles lernt; nicht nur, es auch zu tun, sondern auch und vor allem, sich das Gute bewusst zu machen - und so ein kleines zufriedenes Schmunzeln beim Einschlafen ist ein mächtiger Schild gegen Schlafmonster
  • MantraÄhnlich funktioniert das Mantra-Aufsagen. Man spricht morgens und nachts als erstes und letztes seine persönliche Forderung an das Leben laut aus. "Ich habe es verdient, gesund zu werden" oder "Das Leben ist zu schön, um es aufzugeben" oder was auch immer gerade in der jeweiligen Lebenssituation eine besondere Erwähnung verdient hat.
    Irgendwie programmiert man sich entsprechend und verhält sich dann auch im Unbewussten "aufgabenkonform" - und man schläft besser, weil die Wiederholung des Wunsches den Glauben daran erleichtert. Mit jedem gesprochenen Wort gewinnt er an Macht.
Vorausgesetzt, man schreibt die Statistik oder die Sorgen auf Umwelt- oder besser noch Altpapier, dann waren das mal einige nebenwirkungsfreie aber doch oft äußerst effektive Mittel.

Doch bei aller Sammelleidenschaft muss ich zugeben, dass der Erfolg nicht so durch- oder vielmehr k.o-schlagend ist, wie ich mir das wünsche.
Mein blöder Kopf kennt die alle schon und sie treffen auch mein Problem nicht. Ich könnte ja schlafen, wenn ich ins Bett ginge. Meist bin ich dann so erschöpft, dass ich nicht schlecht, sondern vielmehr gar nicht träume, weil ich ins Koma falle.
Ich kann nur nicht ins Bett gehen. Es ist so, wie wenn man sich nicht zu einer unangenehmen Aufgabe aufraffen kann. Man weiß, man sollte. Man ahnt, man wird es büßen. Man ärgert sich, dass man es nicht tut. Aber irgendwie auf dem langen Weg vom Großhirn zum Fuß geht der Befehl verloren oder aus dem "Bett" wird "Kühlschrank", "Computer", "Fernseher" - auch "Wäschekeller" ist schon vorgekommen. Offenbar ist es wirklich ernst.
So ernst, dass ich mich dann eben doch zu einem voll krassen Schritt entscheide. Ich lasse mir ein Schlafmittel verschreiben.
Das Zeug funktioniert - ob das jetzt daran liegt, dass ich mit dieser Geste ein "Psycho-Programm" gegen meine "Bett-Phobie" ausgelöst habe oder tatsächlich irgendwie entspannt genug bin, um zu schlafen - ich gehe früher ins Bett, schlafe gleichmäßiger und ich würde sagen damit insgesamt weniger komatös.
Leider schlafe ich nicht durch, weil ich nachts mal im Bad vorbeischauen muss.
Auch die Blase tritt offenbar in der Chemozeit etwas kürzer, andererseits trinke ich natürlich auch Unmengen, um besser zu entgiften.
Tja und dann ist es dumm mit Schlafmittel. Ich wache auf, werde nicht richtig wach, torkle und stolpere durch Traumspinnweben wie volltrunken Richtung Badezimmer.
Das ist überhaupt nicht lustig, weil ich mit "Volltrunkensein" keinerlei Erfahrung habe.
Noch nicht einmal mit normalem Suff. Seit meinem Staatsexamen, war ich nicht mehr blau und davor auch nur einmal. Was plötzlich von Nachteil ist.
Nein, Profi-Torkler bin ich keiner.
Zudem liegt der Kater neuerdings offenbar nachts vor dem Badezimmer, weil er da die Treppe im Auge hat und er ja jetzt selbsternannter Erbe des Wachhunds ist, der hier aus ganz simplen logistischen Gründen gerade ganz besonders fehlt. Ach ja. Die Guten gehen zuerst, man muss sich schämen, dass man noch lebt.
Dumm ist jedenfalls, dass besagter Wachkater so tief schläft, dass er mich nicht kommen hört (vielleicht reagiert er auch nicht, weil er auf Einbrecher wartet und nicht auf Frauchen von hinten). Ich jedenfalls sehe ihn nicht, weil der rote Kater auf dem Holzboden geradezu tarnfarben wirkt und es dann zu einem seltsam flauschigen Gefühl unter den ohnehin schwankenden Füßen kommt, gefolgt von einem empörten Quietschen und ruckartigem Entziehen der Trittfläche. Blöd, wenn man sich nicht ausbalancieren kann, weil die Motorik einfach nicht anspringt.
Der andere Kater auf der Fußbodenheizung im Badezimmer ist nicht betroffen. Da ist der Lichtschalter neben der Tür und die ist ja auch schon vom Wachkater vorgewarnt worden.
Eine weitere Nebenwirkung der Schlafmittel ist, eine gewisse Art von Sodbrennen, die dazu führt, dass man ständig essen will, weil das Gefühl irgendwie einem sehr leeren Magen gleicht und da ja Essen grundsätzlich ein nahe liegendes Gegenmittel wäre.
Wieder dumm, dass besagtes Essen dann nicht schmeckt, was speziell morgens wirklich ganz schwierig ist. Einerseits weil ich morgens geruchsempfindlicher bin, andererseits weil der kaputte Mund über Nacht mit keinerlei Mitteln gepflegt wurde und daher wund ist und faulig schmeckt.
Außerdem werde ich konditionell jetzt in der vorletzten Chemo schon sehr schnell müde, das reicht immer noch für Haus- und Gartenarbeit, aber selbst ich als Nickerchenhasser sehe das inzwischen liberaler.
Könnte allerdings auch eine Nachwirkung des Schlafmittels sein.
Und hier erreiche ich eine neue Problemzone.
Denn schlimmer als die tatsächliche Müdigkeit ist, dass ich mich nicht mehr traue, mit Freunden was auszumachen, aus ANGST, es könnte mir zuviel werden.
Ansonsten aber wenigstens klappt der Plan mit dem „(Fast) nebenwirkungsfrei“ bisher ganz gut. Es kostet zwar mehr Kraft und Willen als bisher, aber ich muss nix ganz aus der Liste meines Lebens streichen. Nur besser planen und gleichmäßiger verteilen.
In jedem Fall sollte ich trotzdem nächste Woche den Schwerbehindertenausweis beantragen.
Sicher ist sicher, ich trau meinem Chef nicht.
Nicht, dass er doch noch vergisst, dass ich Krebs habe... Das ist so abstrakt. Die Kommentare auf meinen Post zu Rückenschmerzen gegen Chemo haben mich nachdenklich gemacht.
Direkt unter der Achsel habe ich dann am Samstagabend so komische Knubbel entdeckt (Talgdrüsen?), die mich schon etwas besorgen... Aber gut, ändern kann ich nichts.
Aber ich schreibs auf meine Nachtkasterlliste und werfe mir eine Schlaftablette ein. Muss der Kater sich halt vorsehen. Wachhund, der er sein will.
81:14

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Hundebäuche- Krebs im Haus

Heute bin ich traurig.
Da kämpft und tut man und wehrt an allen Fronten alles ab, was diesem Dreckskrebs so einfällt und dann holt er einen am Ende doch durch die Hintertür.
Was will ich sagen?
Heute ist mein Hund gestorben.
Im gesegneten Alter von 15 Jahren und auch ohne Krebs schon etwas tüttelig.
Es ist erstaunlich, wie überflüssig Zeitrechnung ist. Wir haben unseren Hund erst vor 5 Jahren gekriegt. Aus einem Tierheim, wo ihn irgendwelche Deppen abgegeben haben, weil er angeblich zu alt geworden ist. Das hat er nicht verstanden und wäre vor Kummer fast eingegangen. So sind wir zu ihm gekommen und hatten 5 Jahre lang einen wirklich tollen Hund, der ein glückliches Alter hatte. 5 Jahre, die sich anfühlen wie "immer".
Und jetzt ist er tot.
So ist das Leben eben. Man wird alt und stirbt. Und ich habe auch heute nicht zum ersten Mal ein Haustier einschläfern lassen müssen. Aber dass er an Krebs sterben musste, hat mich getroffen. Doppelt. Dreifach.
Leberkrebs. Ein großer Tumor, der zu bluten begonnen und den Bauchraum geflutet hat. Es ist eine Gnade, dass man dann die Reißleine ziehen darf. Das Haustierprivileg sozusagen.
Und dann ist er fort und das Haus ist groß und überall fehlt der Hund. Sogar die Katze vermisst ihn, was sie nie für möglich gehalten hätte.
Einmal.
Und dann spült die Diagnose all die Ängste hoch, die ich zwischendrin bewusstlos geschlagen hatte und schon sind sie alle wieder da und haben Oberwasser und ich fürchte mich, dass ich genauso ende und niemand da sein wird, der mich einschläfert.
Zweimal.
Und dann ist es so traurig, dass mein Hundchen so kurz vor Weihnachten gestorben ist. Hunde lieben Weihnachten mit viel Leben, viel Familie und noch mehr Essen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es jetzt ohne ihn wird.
Traurig und einsam vermutlich.
Dreimal.

Es ist schon seltsam, dass wir uns so an Terminen festhalten. An Weihnachten, Neujahr, am Geburtstag. Warum? Weil es schöne Tage sind. Oder weil wir jedenfalls ganz fest daran glauben, dass der unmittelbar vor einem liegende Tag unter all den Erwartungen und Hoffnungen ein toller festlicher Supertag wird. Einen, an dem man sich erinnert. Einen, für den es sich zu leben lohnt.
Herrgott, wie bekloppt ist das denn?
Als würde es auch nur einen einzigen Tag geben, für den es sich nicht zu leben lohnt?
Als würde es Weihnachten brauchen, damit man sich mal zusammenreißt und nicht an sich, sondern an seine Lieben denkt? Und die Erkenntnis, dass manchmal Loslassen das größte Geschenk ist?
Als bräuchte es eines Geburtstages, um mal jemanden zu sagen, dass man ihn mag und nicht missen möchte?
Das sollte man bei jeder Gelegenheit tun. Bei wirklich jeder.
Erstens, weil es nichts kostet,
zweitens, weil es nicht nur den anderen glücklich macht, sondern auch einen selbst
drittens, weil man nie sicher sein kann, wie viele Gelegenheiten sich noch bieten werden.

Wenn ich eines von meinem Hund gelernt habe, dann ist es diese schlichte Wahrheit, die ich als sein Erbe weitertragen möchte:
Die Welt wird ein besserer Ort, wenn man den Bauch eines Hundes krault  - und seltsamerweise gilt das nicht nur für den Hund.
Es ist eine besondere Ironie, dass der Krebs genau in diesem Bauch gesessen ist. Und auch wieder nicht. Denn er wird nicht gewinnen. Der Hundebauch lebt weiter. Irgendwie.

Mein Lieber!
Ich wünsch Dir alles Gute im Hundehimmel. Vergiss mich nicht. 

Freitag, 6. Dezember 2013

Ausrangiert - Krebs im Beruf

Bahnhof - Nep (www.piqs.de)
Die Arbeitswoche ist zäh. Weil so viel zu tun ist, trau ich mich nach dem wie üblich durchschlafenen Dienstag nicht, den Mittwoch auch noch zu fehlen, weil ich mir dann unweigerlich wieder blöde Sprüche zum Thema Unzuverlässigkeit anhören muss und die zwei aktuell letzten "netten" Fälle mit angenehmen Mandanten auch noch bei der Kollegin landen, die mir begeistert die Arbeit abnimmt und sich dann feiern lässt. Dass sie dabei meine Vorarbeit als die ihre verkauft wird stillschweigend hingenommen. Mich kränkt das so, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Ich kämpfe mich mit Krebs brav in die Arbeit und muss mich echt beschimpfen lasse, weil ich "kaum mehr Überstunden" mache, während besagte Kollegin alles Mitleid dieser Welt dafür erhält, dass sie zwar morgens später kommt und mittags zwei Stunden in die Physio geht und abends früher aufhört, weil Rückenschmerzen wirklich schrecklich sind und sie immerhin nicht krank macht...
Nein eigentlich fasse ich es nicht und versuche wirklich, das alles mit Humor zu nehmen. Ich will der Kollegin ja wirklich nichts Böses und Rückenschmerzen sind schrecklich und es ist von ihr genauso gut (oder blöd), damit in die Arbeit zu gehen, wie bei mir - aber wenn man berücksichtigt, dass sie damit unter dem Strich trotz all der tollen Anerkennung und dem Support beider Chefs auch nicht mehr arbeitet als ich - dann fühle ich mich ... gemobbt.
So jetzt ist es raus.
Sagt doch letztens echt der Senior-Chef zu mir, ich müsse das verstehen, man sähe mir ja schließlich nicht an, dass ich Krebs habe. Ich laufe vermutlich zu meinem Privatvergnügen mit einem aufgemalten Gesicht, 8 getapten Fingern und einer Perücke herum.
Nachdem die fünf ersten, spontan aus dem Bauch kommenden Antworten völlig zurecht vom Gehirn noch im Rachen gestoppt wurden, brachte ich es statt fantasievollen Beschimpfungen nur zu einer Gegenfrage: "Nach all den Anerkennungsbekundungen seitens der Kollegen, sollten Sie sich fragen, ob mit Ihren Augen oder Ihrem Herzen etwas nicht stimmt."
10 Stunden Arbeit am Donnerstag waren jedenfalls zuviel und als mir am Freitag nach schlecht geschlafener Nacht auch noch der Kopf weh tut, beschließe ich, Daheim zu bleiben. Ich bin einfach am Ende.
Soviel dazu.
Wir schulden Wochenstunden und ich hab ein Überstundenpolster, das in die 1000er geht. Das muss die Kanzlei verkraften. Ich lerne wieder einnmal, dass der Krebs an sich mein geringstes Problem ist und auch die Therapie als solche bei Weiten nicht mein größtes.
Was wirklich, ehrlich massiv an den Kräften zehrt ist das ganze Drumherum der an sich vollinformierten und eigentlich auch nicht dummen Mitmenschen, die offenbar aber auch nichts unversucht lassen, es einem schwer zu machen. Ob das diese Woche jetzt mehr die Klinik mit ihrer Desorganisation oder meine Kanzlei mit ihrer geradezu grotesken Ignoranz gewesen ist, könnte ich gar nicht sagen.
Was ich sicher sagen kann ist, dass ich diese Woche mit all dem so beschäftigt war, dass ich gar keine Zeit gehabt habe, mich um mich oder meine Krankheit zu kümmern. Klingt ja nicht schlecht.
Ich fürchte nur, dass ich das nächste Woche büßen werde, weil ich einfach zu viel Kraft in dieser Woche verbraucht habe, wenn dann danach die körperliche Reaktion, der berüchtigte Chemo-Effekt kommt.
Na, man wird sehen. Ich kann es eh nicht mehr ändern, und die Woche war aus der hier allein interessierenden Krankheitsperspektive echt nicht schlecht. Aber den Freitag geb ich konsequent dem Krebs, auch wenn es nicht restlos fair ist. Aber muss man zum Feind fair sein?
79:14

Sonntag, 1. Dezember 2013

Drahtseilakte...

Freitag war ein spannender Tag der anderen Sorte, ein Drahtseilakt im doppelten Wortsinn. Doch der Reihe nach:
Nachdem ich letzte Woche als Cancer-Girl mutiger als jeder Marvel-Comic-Held im Schwimmbad und am Sonntag tatsächlich mit meinem schwarzen Zauberpferd im Winternebelwald unterwegs gewesen war und nachts tatsächlich noch ein Kapitel (ein ! Kapitel) in meinem Fantasy-Herzstück weitergeschrieben habe, war ich heute auf dem Weg in die Klinik sehr selbstbewusst.
Ultraschall... Phhh.
Die Routine ist eine Krücke, die durch den Klinikalltag humpeln hilft.
Aber ich habe einen Lauf. Es hat sogar nicht einmal Ärger gegeben, als ich verkündet habe, dass ich wegen dringender Arzttermine später in die Arbeit komme.
Der Termin wird eingehalten. Mit nur einer halben Stunde Verspätung werde ich sozusagen verfrüht ins Allerheiligste, das ärtzliche Behandlungszimmer eingelassen.
Der Skeptiker in mir wird unsicher. Das läuft zu gut...
In Filmen ist es auch immer so, wenn es glatt geht, zu glatt, wenn der Held sich in Sicherheit wähnt - dann schlagen die bösen Mächte zu. Und damit leitet der Regisseur den zweiten Akt ein, den Niedergang.
Der Ultraschall schaut für mich aus wie immer - gräuliches Gegrissel, seltsame Wellen...
Ich habe gelernt, dass man auf Schatten achten muss, aber dass nicht alle Schatten schlecht sind. Die bunten Punkte und Linien, die vom Arzt auf das Bild gemacht werden, verstehe ich noch weniger. Es ist frustrierend, weil ich so gern wüsste, was da genau gemacht wird.
Es geht ja immerhin um mich. Außerdem würde es mich auch so interessieren.
Medizin ist eine eigene Welt.
Na egal, der Arzt gibt sich geradezu euphorisch. Der Tumor ist weg. WEG!
Gut, dass man dieses Metallfädchen eingezogen hat, sonst wüsste man gar nicht mehr, wo man operieren muss.
Muss man denn operieren? Man muss, denn dort könnten sich weit unterhalb der Wahrnehmung über Ultraschall, Mammographie oder sonstiger Diagnostik immer noch einzelne Zellen befinden, von denen dann all das wieder von vorne ausgeht. Darum wird der "Tatort" großzügig ausgeschnitten. Klingt logisch.
Mir ist es lieber, dass ich vorsorglich eine Routine-OP machen muss, statt einer höchstvorsorglichen Chemo. Denn dass der Tumor jetzt weg ist heißt nichts anderes, als dass es dem Mistkerl die ganze Zeit über, in der ich gelitten habe, noch viel schlechter als mir gegangen ist.
Ich bin sonst nicht rachsüchtig, aber in diesem speziellen Fall finde ich tatsächlich, dass geteiltes Leid deutlich weniger als halbes Leid ist.
Nachdem es mir aber wirklich nicht besonders gut gegangen ist, während der Chemo-Blocks eröffne ich den Schacher um den 8. und letzten Block.
Muss ich den dann wirklich noch machen? Mir geht es von mal zu mal schlechter. Ich hab echt keine Lust mehr. Der Tumor ist weg.
Der Arzt ist streng.
Ich sei bisher ohne nennenswerte Beeinträchtigungen durchgekommen. - Keine Haare, keine Schleimhäute, keine Fingernägel, keine Kondition, keinen Geschmackssinn... all das nicht nennenswert?
Na, das ist ein Herzchen.
Ich hätte die Chemo doch sensationell vertragen
Na, dann möcht ich nicht wissen, wie es den anderen geht.
Ich soll jetzt gefälligst den Rest auch noch durchziehen. Wenn der Krebs wiederkommt und ich abgekürzt habe, dann verzeih ich mir das doch nie...
Schachmatt in drei Zügen.
Auch Recht, einmal ist keinmal. Das zieh ich auch noch durch.
Wir besprechen dann noch die OP, die ich drei Wochen nach der letzten Chemo machen darf und dann danach hab ich auch noch Bestrahlung, nochmals etwa ein Monat später über zwei, drei Monate...
Ich bin emotional überfordert.
So toll die Nachricht ist, verlässt mich jetzt mein Cancer-Girl Hochgefühl. Der Tumor ist weg und trotzdem ist der Krebs noch nicht vorbei. Ich hab irgendwie das Gefühl wie weiland Phyrrus... wenn die OP- und Strahlensiege genauso teuer werden, dann hab ich trotzdem verloren.
Eine versöhnliche Stimme in mir tätschelt mir mental den Kopf. Lass dich nicht hängen.
Das Gröbste haste mit bestmöglichem Erfolg überstanden. Den Rest packen wir auch noch.
Es wird schon. Muss ja. So ist der Plan.
Dass Du nicht freuen kannst, liegt daran, dass Du in einem Gefühlschaos steckst. Du kämpfst Dich seit Monaten durch die Hölle, indem Du gezielt Deinen Tumor bekämpfst. Und jetzt ist er plötzlich weg und du stürmst an und geradewegs ins Leere... Das muss einen aus dem Gleichgewicht bringen, da darf man stolpern.
Lass Dich hängen, aber steh wieder auf.
Es wird. ES WIRD.
Und so habe ich am Samstag den NaNoWriMo (NationalNovelWritingMonth) mit dem erforderlichen Soll von 50.000 geschriebenen Wörter auch noch geschafft. Ich kann echt zufrieden sein.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine schöne, erfolgreiche, starke Woche.

76:13