Sonntag, 23. Februar 2014

Nix wie weg... - Nach der OP

Cord - Andrew Magill (www.piqs.de)
So allmählich spricht es sich herum, dass ich nicht so gern im Krankenhaus bin. Könnte daran liegen, dass ich diesbezüglich ein selbst mich überraschendes Äußerungsbedürfnis entwickle.
Allen, die mir zuzuhören gezwungen sind, mein aufrichtiges Mitgefühl. Geteiltes Leid ist halbes Leid, eh?
Trotzdem wollten sie mich da behalten. Ich vermute, dass das an dem von mir flugs organisierten Catering-Service liegt. Meine Freunde sind brav und versorgen mich mit Säften, Früchten, Pizza, Brot und Wurst und Edelkonfiserie Cupcakes, die ich mir selber niemals never ever gönnen würde. Das lockt nicht nur Mitpatienten an, sondern auch Pflegepersonal, die mich hungrigen Blickes nach meinem Befinden fragen. Da ich mit vollem Mund dank der emsigen Bemühungen meiner Mutter nicht spreche,
zeige ich großzügig auf die Köstlichkeiten, die ich allein eh nicht verputzen kann. Wenn es viele gleichzeitig gut meinen, haben viele was davon.

Solcherart versöhnt spiele ich mit der Nachtschwester und meiner Freundin bis tief in die Nacht Siedler von Catan - und ich gewinne zum ersten Mal in der Geschichte dieses Spiels! Das werte ich als gutes Omen und bin entsprechend guter Dinge für das Arztgespräch am nächsten Morgen.

Das verläuft mau. Die Wunde suckelt wenig genug, um die Schläuche zu ziehen. Freiheit! Ich verspreche hoch und heilig Zuhause zu bleiben und mich zu schonen. Die Schwester meint, dass ich in der Klinik schon zuviel herumturne und der Arzt mir kein Wort glauben darf.
Wie war das mit der fütternden Hand, die man nicht beißen soll? Vermutlich fürchtet sie nur um den Nachschub, wenn ich gehe. Ich widerspreche also würdevoll und weise darauf hin, dass man wenn die Physiotherapeutin mit einem postoperative Übungen macht, natürlich befehlsgemäß mitturnt. Ist ja der Sinn der Übung, nicht wahr?
Ich sollte wegen der Infektionsgefahr hier bleiben, meint die Assistentin. Ich lache. Wie war das mit den behandlungsresistenten Keimen in der Klinik? Da ich nicht vorhabe, mich im Stall zu wälzen, glaube ich, dass es nur besser werden kann.
Der Arzt nickt nur und meint, auf eigene Verantwortung dürfe ich gehen.

Natürlich ist das auf meine Verantwortung! Wer außer mir hat denn Schmerzen, Rückfälle, Entzündungen oder sonstige Nachteile, wenn es schief gehen sollte? Gesundheit ist unbezahlbar, das jedenfalls habe ich auf die harte Tour gelernt.

Das Schläuche ziehen nach einer OP ist auch nix, wovon man süchtig wird. Und bei mir müssen gleich drei Schläuche raus. Den ersten macht der Arzt selbst raus. Humanmetzger. Ich bin wirklich nicht wehleidig und habe viele, teils üble Sportverletzungen mit stoischem Heldenmut getragen und die teils feldchirurgische Erstversorgung tapfer ertragen. Wenn ich also ernsthaft erwäge nach einem Beißholz wie in einem alten Western zu fragen, wenn die Kugel rausoperiert werden muss, dann heißt das was.
Brrr.
Erstaunlich wie verwachsen der Schlauch schon ist. Sie heilen schnell...
Gnnnn.... Soll das jetzt ein Kompliment oder ein gut verpacktes "Selbst schuld" sein? Ich blinzle tapfer Tränen beiseite und atme langsame aus. Nicht auszudenken, wie sich das angefühlt hätte, wenn wir die Schläuche noch einen Tag länger drin gelassen hätten.
Der Notfallpieper rettet mich. Der Arzt entschuldigt sich und kurz darauf kommt eine Schwester, um die verbleibenden beiden Schläuche aus meinem malträtierten Torso zu basteln.
Mir graut. Ich rechne mit dem Schlimmsten und beiße fest die Zähne zusammen.
Und warte.
Das war der Nächste, sagt die Schwester und zeigt mir ein Schläuchlein.
Aber ich hab gar nichts gespürt. Die Schwester grinst. Den hat sie gut erwischt, meint sie bescheiden. Ich nicke nur und lehne mich ergeben zurück für den dritten und letzten.
Der ziept. Wie Fädenziehen. Unangenehm aber erträglich. Ob die Schwester so begnadet war, oder der erste Schlauch einfach ein Biest. Ich weiß es nicht.
Auf jeden Fall bin ich erleichtert, dass ich gehen darf.
Wie bestellt, wird an dem Tag auch mein Gästesitzplatzbett von einer anderen Patientin belegt. Das ist ein Omen. Ich wünsche ihr alles Gute, lass ihr die Blumen und ein bisschen von dem Kuchen da, den sie hungrigen Auges so bewundert hat. Und bin FREI!

Seht es mir bitte nach, dass ich das erst einmal genossen, statt beschrieben habe.
Die Nachuntersuchungen und dann die Bestrahlungsvorbereitungen folgen natürlich bald.
Jetzt aber feiere ich erst einmal, dass nach der Chemo mit der OP auch der 2. Akt des Dramas spannend aber glücklich beendet ist. 

Donnerstag, 13. Februar 2014

Kampf dem Suckelbeutel - Brustkrebs nach der OP - Freundschaft ist...

Herkunft unbekannt - das hat mir ein Freund per Mail zum Trost geschickt
Gefangenschaft ist Folter.
Ich will aus dem Krankenhaus. Hier ist es langweilig. Ich habe nur phasenweise Internet und das Essen ist unterirdisch.
Wie soll man zu Kräften kommen, wenn man nichts zu Essen bekommt?
Oder vielmehr Essen, dessen größter Vorzug darin besteht, dass es so wenig ist, dass einem davon ungeachtet der "Qualität" nicht ernsthaft schlecht werden kann.
Und das sage ich jetzt nicht, weil mein Mann so ein hervorragender Koch ist (Was er ist).
Wer bitte kocht denn in einem Krankenhaus, in dem es überwiegend Mehrbettzimmer gibt, mit Bohnen, Knoblauch, rohen Zwiebeln oder fetter Wurst?!
Das ist weder mit Schonkost noch mit Kantinenküche zu entschuldigen.
Ich bin sehr froh um mein unterbelegtes Doppelzimmer.
Trotzdem bin ich unglücklich. Weil ich hungrig bin. Wer mich besucht, während das Essen noch sichtbar ist, bricht spontan in schallendes Gelächter aus.
Ich find es nicht lustig.
Aber ich schweife schon wieder ab.
Also zurück - ich will heim.
Ich will wirklich heim. Zuhause ist da, wo Dich Dein WLAN kennt...
Aber das geht erst, wenn die Drainage gezogen werden kann. Oder vielmehr, wenn ich wen finde, der sie mir zieht.
Also will ich die Drainage gezogen haben.
Aber das geht erst, wenn die Wunde nicht mehr zu sehr nachnässt.
Also will ich wissen, was nicht mehr "so sehr" heißt.
Unter 50 ml/Tag.
Hm.
Und was kann ich tun?
Nix. Geduld haben.
Hungern?
Nein, das hat darauf keinen Einfluss.
Warum wundert mich das jetzt nicht?

Ich liege also auf meinem Gummibett und lese.
Oder vielmehr, ich würde lesen, wenn ich dazukäme.
Aber ich komm nicht dazu, weil ich von unglaublich vielen Leuten besucht werde.
Das ist echt wunderbar. Ich bin total gerührt...
Meine Familie, meine Tante, meine Cousine und ihr Mann, meine Schwester mit Freund...
Dann meine Kollegin, meine Sekretärin und eine andere Kollegin.
Ein Freund meines Mannes (mit einer Schachtel Pralinen! Ich muss mich beherrschen, damit ich ihm nicht das Geschenk aus der Hand reiße und mit dem Karton vernichte!)
Dann meine Rollenspieler im Pulk.
Das ist wahnsinnig lieb.
Und ich bin froh, dass wir genug Platz für so viele Leute haben.
Allmählich kommt Partystimmung auf.
Es fehlt nur noch vernünftige Musik - mein Handy stößt bei der Beschallung an Grenzen, aber gut.
Wir sind ja im Krankenhaus.
Klinikparties haben eben ihr ganz eigenes Flair.
Und zuletzt kommt auch noch ein Freund eigens aus Stuttgart angereist.
Das finde ich schon sehr süß.
Freundschaft ist, wenn man nicht allein allein ist.
Seid für Eure Freunde da. Auch und gerade wenn es nicht einfach ist.
Sonnenschein erträgt man wunderbar allein (außer in der Wüste vielleicht), aber wenn es kalt und nieslig ist, dann braucht man Zuspruch und Gesellschaft.
Auch wenn man es manchmal nicht zugeben will.
Der Mensch ist ein Herdentier. Und selbst wenn man seine Freunde dann wegschickt, sich in die Kissen vergräbt und allein sein will - so lasst Euch nicht täuschen.
Man braucht jemanden, den man nicht sehen können will, um richtig gut allein zu sein.
Wenn so jemand nicht da wäre, wäre man nämlich nicht allein sondern einsam.
All-Ein => Alles und Eins. Das ist der Trick dabei.

Aber ich war einfach froh, dass ich so viele Freunde habe, die sich mit mir freuen, dass jetzt das Schlimmste überstanden ist.
Wenn einem so viele Daumen gedrückt werden, dann muss man irgendwas richtig gemacht haben.
So vergeht die Zeit wie im Flug.
Leider suckelt meine OP-Brust doch ziemlich.
Das sieht böse so aus, als würde ich nochmals besucht werden müssen.
Mal sehen, was morgen ist.
Und ob ich da wieder zum Bloggen komme...

Sonntag, 9. Februar 2014

Überlaufventil - Loblied für Krankenschwestern

Das Wochenende zieht sich trotz all der vielen Besuche, die ich bekomme und der Care-Pakete, die sie mir mitbringen, damit ich nicht verhungern muss.

Also wie es Menschen gibt, die auch nur eine Mikrosekunde länger im Krankenhaus als nötig, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
Nein, wer gesund genug ist, um notfalls davonzukriechen, sollte das auch tun. Die von Krankheit, Angst und Verzweiflung geschwängerte Atmosphäre, das schlechte Essen, die endlos langen Arbeitstage, das organisierte Chaos, die Befindlichkeiten (und damit meine ich nicht die der Patienten, um deren Befinden es eigentlich gehen sollte)...

Daher bewundere ich auch jene, die sich dazu entschlossen haben, hier lebenslänglich einzuchecken. Das Klinikpersonal. Die Ärzte, die Pfleger, die Physios, die Putzleute, die Assistenten... All jene, die mit einem gerüttelt Maß an Idealismus antreten und sich tagtäglich dem Irrsinn stellen, die versuchen, es wenigstens ein bisschen besser zu machen und sich dabei selbst aufarbeiten, bedroht von multitoxischen Suchten, echter, in jahrelanger Überforderung gereifter Burnouts und selbstzerstörerischen Zynismus...
Doch auch da gibt es Unterschiede.
Assistenten haben nicht viel mit den Patienten zu tun, die es dem Personal oft noch zusätzlich schwer machen - in Notwehr meist, aber eben doch und keineswegs ausschließlich. Idioten gibt es auf beiden Seiten des Bettes. Ärzte hingegen haben die Hoffnung auf Karriere, gute Bezahlung und den Lotusblüten-Effekt versiegelten Nimbus des Halbgottes in Weiß, der einen zumindest auf allen Partys gut ausschauen lässt. Ich bin Rechtsanwalt. Ich weiß, mit wem ich mir den Platz teilen muss.
Aber wer eigentlich den Laden schmeißt, das ganze Unternehmen am Laufen hält und irgendwie auch noch funktionsfähig - das sind die Pfleger und Schwestern.

Auch wenn ich zugebe, dass Krankenbruder irgendwie dämlich klingt, finde ich es schade, dass wir keinen besseren Namen als "Pfleger" haben, einen Titel, der auch zu einem Zoowärter oder einem Fuhrparkbeauftragten passen würde. Schwester klingt vertrauensvoll und nah. Menschlich. Zwischenmenschlich... Warm. Darum halte ich mich mit meinem Dank an die Schwestern. Auch an die männlichen unter ihnen. Auch wenn sie hetero sind. Herrgott - es ist echt grässlich, in politisch korrekten Zeiten zu leben. Wobei diese political correctness nach meinem Dafürhalten ungefähr so sinnig ist, wie der Impuls auf eine eitrige Wunde ein Pflaster zu kleben, weil man sie dann nicht mehr sieht. Aber egal, darüber rege ich mich ein anderes Mal auf. Heute ist Sonntag und ich wollte mal versöhnlich sein.

An dieser Stelle deshalb mein ehrliches und aufrichtiges Kompliment an die "Schwestern".
Das ist ein Knochenjob mit mieser Bezahlung in einem ganz und gar ekligen Umfeld.
GREAT JOB!
Wirklich.
Und sie sind meistens nett.
Und nur gerade genug nicht nett, dass man sieht, dass sie menschlich sind.
Was in diesem Umfeld unmenschlich ist.
Also ich könnte das nicht.

Und darum widme ich diesen Post heute all den großartigen Menschen, die dafür sorgen, dass wir gut genug versorgt sind, um zu jammern. Ich muss ja nicht immer nur über mich reden.

Die Geschichte ist schon älter, ich hab die vor Jahren mal in irgendeiner Notaufnahme gelesen und versuche sie einigermaßen richtig wiederzugeben. Denn sie ist so gut, dass ich nicht wüsste, wie ich das besser machen kann. Also - here we go:

Die Legende von der Erschaffung der Krankenschwester
Als der liebe Gott die Schwester schuf, machte er bereits den sechsten Tag Überstunden.
Da erschien ein Engel und sagte: „Herr, Ihr bastelt aber lange an dieser Figur! Wir haben unser Budget schon ausgeschöpft und im übrigen sitzen alle Engel schon unten in der Halle und würden gern mit ihnen anstoßen."
Der Liebe Gott wischte sich den Schweiß von der göttlichen Stirn und seufzte: „Hast du die lange Liste spezieller Wünsche auf der Bestellung gesehen?”
Der Engel trat an die Pinnwand und musterte skeptisch die Aufgabenbeschreibung:

  • Sie soll als Frau und Mann lieferbar sein,
  • wartungsfrei und leicht zu desinfizieren, aber nicht aus Plastik,
  • sie soll Nerven wie Drahtseile haben und 
  • einen Rücken, auf dem sich alles abladen lässt,
  • dabei aber so zierlich, dass sie sich in viel zu kleinen Dienstzimmern wohl fühlen kann.
  • Sie muss fünf Dinge zur gleichen Zeit tun können und 
  • soll dabei immer noch eine Hand frei haben.
Da schüttelte der Engel den Kopf und sagte: “Sechs Hände, das wird kaum gehen!”
“Die Hände machen mir keine Kopfschmerzen”, sagte der liebe Gott geduldig, "aber..."
Die Hand Gottes wies auf den nächsten Punkt der Liste:
  • aber die drei Paar Augen, die schon das Standardmodell haben soll!  
Der Engel blies mit gesträubten Flügelfederchen durch die Nase. "Wozu denn bitte?"
Ein Lächeln umspielte die göttlichen Lippen. "Weißt du das nicht? Ein Paar, das nachts durch alle Wände sehen kann, damit eine Nachtwache zwei Stationen betreuen kann. Und ein zweites Paar im Hinterkopf, mit dem sie sieht was man vor ihr verbergen möchte, was sie aber unbedingt wissen muss und natürlich das eine Paar hier vorn, mit dem sie einen Patienten ansehen kann und sagen: Ich verstehe Sie und bin für sie da – ohne dass sie ein Wort sprechen muss..." Der Liebe Gott kicherte und es klang ein bisschen wirr.
Der Engel zupft ihn leicht am Ärmel und sagte: „Geht schlafen, Herr und macht morgen weiter“
“Ich kann nicht”, rief der liebe Gott, “wir sind in Eile. Aber immerhin habe ich bereits geschafft, dass...”
Goldene Häkchen erschienen wie aus dem Nichts neben den nächsten Punkten auf der Liste...

  • sie fast nie krank wird, und wenn, dann heilt sie sich selbst; 
  • denn sie kann begreifen, dass 10 Doppelzimmer 40 Patienten bedeuten kann, aber 10 Stellen oft nur 5 Schwestern sind.
  • Sie hat Freude an ihrem Beruf, der alles fordert und daher wenig bezahlt ist. 
  • Sie kann mit Schaukelschichten leben und kommt mit wenigen freien Wochenenden aus.

Der Engel ging langsam um das Modell der Schwester herum.
“Das Material ist zu weich”, seufzte er.
"Aber daher flexibel und zäh", entgegnete der Liebe Gott. “Du glaubst gar nicht, was das alles aushält! Sintfluten, Plagen... Sie muss meinen Kindern in allen Lebenslagen beistehen.“
“Kann sie denken”, fragte der Engel?
“Nicht nur denken, sondern auch urteilen und Kompromisse schließen”, sagte der Liebe Gott und klang ein ganz klein wenig stolz dabei. "Pragmatismus", so wie Gott das aussprach, klang es wie ein Zauberwort.
Plötzlich beugte sich der Engel vor und fuhr mit dem Finger über die Wange des Modells.
“Da ist ein Leck”, sagte der Engel. “Ich habe Euch ja gesagt, Ihr versucht zu viel in das Modell hineinzupacken.”
“Da ist kein Leck… das ist eine Träne!” Gott klang etwas indigniert.
“Wofür ist die?”
„Sie fließt bei Freude, Trauer, Enttäuschung, Schmerz und Verlassenheit“, sagte der liebe Gott versonnen:
Die Träne ja….. die Träne ist ein Überlaufventil!
Sonst würde die Schwester all das gar nicht aushalten.

Freitag, 7. Februar 2014

Back to Life - Krebs nach der OP

Gute Nacht.
Fragezeichen Weinbergschnecke - Pixelpony (www.piqs.de)
Unglaublich, wie ich mich darüber freuen kann, als ich endlich in "mein" Krankenzimmer darf...

Erstaunlich wie schnell man bereit ist, selbst so was gar nicht anheimelndes wie ein Krankenzimmer als Heimat anzusehen, wenn nur die Alternative in Form von Not- und Wachräumen grässlich genug ist.

Das alles ist so grotesk, dass man es eigentlich als Sit-Com abheften muss und ich hoffe, all die lieben Leser, die sich an meine Grusel-Comic-Erlebnisse schon gewöhnt haben, empfinden es auch so. Ich kriege ja Feedback meist mit weinenden Augen, aber ich spüre, dass da auch lachende Augen sein werden. Und das ist gut so. So soll es sein. Man muss den verborgenen Witz im Leben finden, hervorzerren und gnadenlos belachen.

Und daher geht es munter weiter wie im Irrenhaus:

Obwohl in der Kanzlei explizit im Kalender gestand hat, dass ich am Montag die OP hatte, wurde ich während meiner ungeplant langen Abwesenheit am Dienstag mit Mails bombardiert.
Wo Dateien sind, die ich ordnungsgemäß im Akt gespeichert hatte?
Ob ich bitte dies oder das machen könnte...?
Was mir einfällt, mich nicht zu melden?
Wo die Akten bleiben?!
Warum ich mich nicht auf Mails antworte??!
Hallo?!?

Es gipfelt, während ich das lese und mich immer noch schwach fühle mit der unglaublichen Mail: "Schwingen Sie jetzt ihren Hintern vor einen PC und mailen Sie die Dokumente!!!"

Ich bin am Dienstag Mittag immer noch unter Restbetäubung oder stehe wegen der OP neben mir oder - ich weiß auch nicht, wo genau ich mich befinde. Auf dem falschen Planeten vielleicht.
Auf alle Fälle maile ich nur knapp zurück: "Sorry, die OP war schwieriger als erwartet. Da ich dabei fast verblutet wäre, komme ich erst jetzt auf mein Zimmer. Hier habe ich kein Internet, aber ich frage, ob ich mich auf der Station irgendwo aufschalten kann. Die Dateien habe ich ordnungsgemäß gespeichert, unter dem Namen des Mandats..."
Ich gebe zu, dass ich beim Tippen mit etwas Abstand das nur damit erklären kann, dass ich noch unter Drogen stand. Die Reaktion ist nur toxisch zu erklären. Auf beiden Seiten.
Fünf Minuten später kommt die Entwarnung. "Daten sind da."

Von der Kollegin, die mich später besucht, erfahre ich, dass die Dateien natürlich gemäß Büroanweisung gespeichert waren. Ich wusste ja, dass ich im Krankenhaus sein werde und habe das sauber vorbereitet.
Aber gestresst war ich trotzdem. Ich weiß auch nicht, aber inmitten des Büroterrors entwickle ich wirklich das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen, dass ich Krebs habe, dass ich mich operieren lassen muss, dass ich während der Chemo immer wieder tageweise ausgefallen bin, obwohl ich das über Überstunden wieder reingeholt habe.

Völlig erschöpft, emotional wie körperlich, liege ich erst mal in meinem Bett und weine ein bisschen.
Dann nutze ich die Gelegenheit bis zur OP-Nachbesprechung nachmittags, um mich zu reinigen.
Obwohl ich ein anderes Hemdchen anhatte, als ich aufgewacht bin, finde ich wirklich bis runter zu meinen Füßen immer noch ein paar verräterische Blutspritzer. "Viel Blut verloren" klingt so geordnet, so klinisch. Tatsächlich ergibt die CSI-Analyse, dass es ein unglaubliches Gepritschel gewesen sein muss...
Na ja, jetzt bin ich sauber und habe ein paar Fragen an das OP-Team.
Der Chef-Operateur ist nicht da, unvorhergesehener OP-Termin, aber dafür alle anderen bis runter zum Praktikanten. Das Zimmer ist regelrecht überfüllt.
Hmpf.
Der Vize-Chefarzt gibt widerwillig, aber auf beharrliches investigatives Fragen dann doch Auskunft...
(Es ist manchmal blöd, wenn man Anwalt ist. Die Menschen reagieren nur noch einsilbig wie Verbrecher auf Fragen.)
Ich betone mehrfach, dass es mir gut geht und ich wirklich nur gern wissen würde, was denn nun schief gelaufen ist. Es sind ja nur Abzüge in der B-Note. Das Hauptziel ist erreicht.
Die Antworten kommen stockend, aber ich weiß, wie man fragen muss.
(Es ist manchmal gut, wenn man Anwalt ist. Die Menschen erwarten erst gar nicht, dass man nett ist und einen mit blöden Fragen verschont).
Der langen, für beide Seiten quälenden Rede kurzer Sinn:
Es war eine klassische Eselei, die das da ausgelöst hat. So einfach Pech, wie man manchmal eben auch Glück hat. Statistische Ausreißer in der Routine.
Die OP selbst lief perfekt. Bis zum Schluss beim Rausziehen... Da ist irgendwie eine der großen Arterien beschädigt worden. Und sie gab sich dann widerspenstig, die Arterie. Hat Blut gespuckt wie blöd und es waren drei Konserven nötig, um die Sauerei wenigstens inwendig auszugleichen und mich wieder aufzutanken.
Aber jetzt ist alles in Ordnung.
Die Narbe selbst ist schön geworden.
Ich betrachte kritisch meine Brust und zucke, so gut es mit dem Verband geht, die Achsel.
Wenn er sagt.
Ich sehe da nur Fäden auf einer verquollenen Wurst, die dort vorher nicht war.
Unter der Achsel habe ich jetzt noch eine zweite Narbe - des Notschnitts wegen, der zum Blutung stillen erforderlich war.
Ich kann ihn nicht sehen und eigentlich ist mir das auch egal.
Die Optik meiner Achsel ist jetzt für mein emotionales Wohlbefinden nicht ganz an vorderster Front verantwortlich und wenn ich die Wahl hätte, wo ich meine Falten am Liebsten tragen würde ... läge sie vermutlich auf Rang zwei gleich nach den Fußsohlen. (Das Gesicht ist jedenfalls - das muss hier mal OT gesagt werden - ein wirklich ungeeigneter Ort! Wie viel leichter könnten sich Menschen wiederfinden, wenn diese Veränderung des primären Erkennungsmerkmals nicht wäre... Nein Gott ist eindeutig männlich. Einer Frau wäre das nicht passiert).

Das mit diesem Schnitt ist schon lustig. Wenn wir - wie ich in der Vorbesprechung zu fragen gewagt habe (und ich hab's auch hier erzählt) - gleich unter der Achsel geschnitten hätte, hätte ich jetzt noch ein paar Liter eigenes Blut mehr und nur eine Narbe.
Das kommt davon, wenn man dann so arrogante Antworten gibt, dass wahre Könner eben nicht dort oben, sondern theoretisch diskreter bei der Brustwarze den Schnitt ansetzen, um dann unter der Haut zum Tatort vorzudringen. Das war Hochmut und der kommt vor den Fall - nur dass ich es bin, die dabei die Beulen kassiert.

Na gut, aber fair muss man bleiben - das soll nicht passieren, aber es kann passieren. Und den Krebs haben wir besiegt. Da regen wir uns doch über einen Schnitt nicht auf. Ein bisserl Schwund hat's immer. Kollateralschäden.
Außerdem bin ich müde.
Die Wunde blutet ziemlich nach und der Suckelbeutel, also jenes an Schläuchen hängende Gummifläschchen, dass die aus meinen OP-Wunden austretende Lymphflüssigkeit auffangen soll, muss recht oft geleert werden.
Lymphdrainage heißt das in Fachkreisen und sei, so wird mir versichert, völlig normal.
Bei fast jeder Operation kann es nach dem Eingriff zur Ansammlung von Wundsekret, Blut oder Gewebsflüssigkeit kommen. Geringe Mengen an Flüssigkeit können vom Körper selbst absorbiert und abgebaut werden. Um den Heilungsprozess zu erleichtern und die Ansammlung von Flüssigkeit in der Wundhöhle zu verhindern, werden Drainagen eingelegt.
http://www.chirurgie-portal.de/ratgeber-operation/operation/drainage.html

Als nächstes kommt die Physiotherapeutin und zeigt mir ein paar Übungen, zur Wiederherstellung der Gelenkigkeit.
Da ich im Vorfeld seit Erhalt meiner Diagnose bereits täglich vortrainiert habe (Schultermuskulatur bis zum Abwinken gedehnt), ist die Physio ganz angetan, von den Ergebnissen unserer ersten Einheit. Ich kann das nur jedem empfehlen. Es lohnt sich, da schon vorzuarbeiten. Je fitter man vorher ist, desto leichter fällt es nachher!
http://www.joggen-online.de/lauftraining/stretching-und-dehnuebungen/dehnuebungen-schultern-arme.html
(Dieser Link bezieht sich zwar auf Lauftraining, doch die Übungen sind dieselben und die Zeichnungen und Erläuterungen sehr gut nachvollziehbar wie ich finde. Es gibt aber auch auf Youtube viel Material dazu.)
Na also. Back to life!

Am Abend bemerke ich entsetzt, dass ich durch die Zimmerwechsel das Frühstück und durch die OP-Besprechung irgendwie das Mittagessen verpasst habe. Ich bin jetzt seit fünf Mahlzeiten nüchtern und das zehrt allmählich an meinen Kräften.
Aber der Reihe nach.
Nachmittags und abends kommen dann erstaunlich, wirklich erstaunlich viele Leute zu Besuch.
Ich wusste gar nicht, dass ich so viele Freunde habe.
Kollegen, meine Spieler, mein Mann natürlich, meine Tante, meine Cousine... es ist rührend und ich bin gerührt.
Wenn jetzt noch das Essen genießbarer wäre, wäre alles perfekt.
Doch das Essen ist eine Frechheit. Wirklich. Nicht weil ich verwöhnt bin.
Ich habe Hunger und ich würde gern essen - aber das... geht... nicht... Leberwurst und Stinkekäse und doch gleich eine ganze Cocktailtomate, die einer vom Leben gekrümmten, verkrüppelten Essiggurke in ihrem Fach Gesellschaft leistet.
Und dann ein Joghurt.
Immerhin.
Ich esse die Brotscheibe trocken und erlöse Tomate und Gurke von ihrem Leiden.
Den Geruch der Beläge ertrage ich nicht.
Wie gut, dass das zweite Bett in meinem Zimmer gerade nicht belegt ist.
Das haben wir eh am Nachmittag als Sofa gebraucht, weil für all die Gäste nicht genug Stühle da waren. Hoffentlich kommt morgen noch jemand zu Besuch. Sonst sterbe ich an Langeweile - und das wäre nach all den Strapazen doch wirklich schade.
Nachdem ich am Verhungern bin, hole ich mir, als alle wieder gegangen sind und es im Krankenhaus ruhiger wird, einen weiteren Besuch.
Den Pizzamann.
Die Schwester macht große Augen und ist irritiert. Doch als ich ihr ein Stück anbiete, sagt sie nicht nein und wir werden Freunde.
Und auch wenn ich wahrscheinlich zu hungrig war, um wirklich kritisch zu sein: Diese Pizza Magaritha war die Beste, die wirklich Allerallerbeste, die ich je gegessen habe.
Der Krankenhaus-Rhythmus ist nichts für Nachtaktive wie mich. Aber die Schwester freut sich über ein bisschen Unterhaltung.
Ich mich auch und so ist es wie immer im Leben auch beim Small-Talk ein stetes Geben und Nehmen.
Müde und satt - wie schön ist datt.
Mit einem Gähnen begebe ich mich zur Ruhe. Der Arm suckelt auch wenn ich schlafe. Die Schmerzen sind auch ohne größere Schmerzmittel tolerabel.
Ich finde sogar eine einigermaßen bequeme Position und darf das Fenster in meinem nur von mir belegten Zimmer kippen.
Eigentlich perfekt.
Wenn nur diese Gummimatte als Matratzenschoner nicht wäre. Wegen der schwitzt man nämlich fürchterlich von unten her. Also nicht perfekt.
Aber gut.
Es fühlt sich richtig an.

Mittwoch, 5. Februar 2014

Blutbad - OPs, die schief gehen

So ein OP-Tag birgt Abenteuer und Schrecken der ganz besonderen Art. Gerade für jemanden wie mich, der bislang seit seiner Geburt zwar dank seines ausgeprägten Schusseltums oft in den Notaufnahmen war, aber nie mehr stationär...
Blutregen-Blogya
Aber der Reihe nach:
Morgens erst einmal wie verabredet einrücken und Zimmer beziehen. Das war erst einmal schon ein Schock. In dem Zimmer herrschen subtropische Temperaturen, ungefähr dieselbe dampfige Luftfeuchtigkeit und es schlägt einem ein Geruch entgegen wie beim Elefantenhaus im Tierpark.
Mitten drin in diesem überwältigenden olfaktorischen Mikrokosmos sitzt eine alte Dame und brüllt die Schwester und mich an: "Das Fenster bleibt zu!"
Ich muss den ersten Panikanfall unterdrücken. In dem Mief halte ich es keine 5 Minuten aus und eine Nacht schon gar nicht, ich schlafe auch im Hochwinter bei offenem Fenster.
Nun, wenn ich Glück habe, wird sie heute entlassen..
Ich habe eh keine Zeit, mich um das jetzt zu kümmern, denn nach dem gefühlten 700sten Ultraschall wird jetzt als OP-Hilfe nochmals ein Faden eingeschossen, der die Stelle markiert, an der einst der Tumor gesessen ist und wo die Wahrscheinlichkeit gefährlicher Al Qaida Zellen (Edit: Liebe NSA, kein Grund zur Panik, dies ist ein Terroristenfreier Krebsblog. Cancer, you know?) am höchsten ist.
Ich vertreibe mir die Zeit mit meinem Tablet. Schöne neue Welt.
Alles OK, Termin ist am Nachmittag, je nach Ablauf der anderen OPs, so zwischen 14.00 und 16.00 h. Eine Schwester sagt mir rechtzeitig Bescheid.
Dann bin ich wieder auf meinem Zimmer, lüfte heimlich in Abwesenheit der alten Dame und warte, dass die Zeit vergeht. Der Minutenzeiger trödelt, es ist unfassbar. Die alte Dame kommt, um ihr Gepäck zu holen. Sie freut sich gar nicht so sehr, dass sie nach Hause darf. Sie hat Angst, dass ihre Wohnung zu kalt ist, jetzt wo sie drei Tage nicht zu Hause war.
Warum wundert mich das nicht?
Ich helfe packen, es hilft die Zeit vertreiben. Dabei jammert die Arme, dass sie so friert. Erstaunlich bei Raumtemperaturen um die 25°C, aber gut... wenn ich gewusst hätte, dass sie auscheckt, hätte ich mit dem Lüften gewartet. Andererseits - sie ist so blass, dass etwas Sauerstoff gewiss nicht schadet. Die Dame geht, doch die Schwester kommt nicht. Ich sitze auf meinem Bett und warte. Warte. Warte.
Dann endlich der erwartete Ruf.
Ich muss ungeschminkt (also ohne mein "aufgemaltes" Gesicht) und ohne Perücke oder Hut in den OP.
Das ist entsetzlich. Wenn sie einem wenigstens eine Mütze lassen würden.
Weil sie mich auf diesem Wagerl quer durch alle Stationen des Krankenhauses fahren. Ich fühle mich dabei so grässlich schutzlos, hilflos und allein. In diesem riesigen Bett ganz ohne Haare. Es ist furchtbar.
Entsprechend fertig bin ich mit den Nerven als ich in den Anästhesie-Raum komme.
Da wird es nicht besser, wenn man mich um meine Meinung fragen würde, was natürlich wohlweislich keiner tut. Es ist noch nicht einmal jemand da, dem ich ungefragt meine Meinung sagen könnte.
Ich liege da in diesem kalten Raum und friere und verstehe plötzlich die alte Dame.
Frieren ist nicht schön und ohne Haare frieren, ohne Mütze und alles, das ist wie wenn man in- und auswendig gleichzeitig friert.
Ob dann, wenn Eiszapfen wachsen würden, diese Kegelform hätten, mit der dicksten Stelle auf meiner Haut? Würde es ein großer Eiszapfen sein und ich ein Conehead - oder vielmehr viele, viele kleine und eine Igelfrisur mal ganz anders interpretiert.
Dann kommt die Anästhesieschwester um mich mit dem Narkotikum aus meinen Frostfantasien zu befreien. Dann werde ich zwar vermutlich immer noch frieren, aber ich kriegs nicht mehr mit. Das ist fast genauso gut, wie nicht frieren.
Bis auf die dann unvermeidliche Erkältung.
Doch weit gefehlt - die Schwester fesselt mich erst mal in bester Shades of Grey-Manier ans Bett wie einen enthaarten, hilflosen Heiland, mit weit ausgebreiteten Armen. Damit ich in der OP nicht versehentlich zucke. Logisch, in meinem Interesse, klar.
Und trotzdem - gar nicht schön.
Gar nicht schön.
Die Schwester geht und ich bleibe zurück.
Gefesselt mit ausgebreiteten Armen und verrutschter Decke.
Frierend, weil gefesselt. Mädels, bevor ihr Shades of Grey weiterempfehlt, versucht das mal.
Ist gar nicht lustig.
Ohne Haare und besorgt. Sehr besorgt.
Weniger mutige Menschen wären vielleicht panisch.
Gefesselt nackt im Bett in irgendeinem OP-Keller auf einer Trage ohne Decke.
Das ist kafkaesk.
Oder die Einleitung zu einem Splatter-Movie.
Super. Fantasie kann auch ein Fluch sein.
Die Schwester kommt wieder und mit ihr eine Gasmaske. Ich soll zählen, doch dazu komm ich gar nicht, so schnell geht das.
Puff. Weg. Licht aus.

Mittendrin wache ich auf.
Oder ich träume. Träume ich? Wache ich?
Das ist gar nicht so einfach, wenn man narkotisiert ist und das Hirn statt der gewohnten Präzisionswaffe eine plüschige Watteeinheit.
Grün... scharfer Geruch... Hektik... Ein Tuch über meinem Kopf?... Schläuche und Piepen... Hektik.... Rot....
Rufe: "Sie kommt, sie kommt. Schnell!"
Schock! Ich erschrecke!
Dann wird es wieder dunkel. Weg. Licht aus.
Das nächste Mal erwache ich in einem Gang unter einer Neon-Leuchte im Stau mit anderen Betten. Wie in der Rush-Hour. Ich wusste, dass OPs Massenbetrieb sind, aber die Szene ist grotesk.
Blöd, wenn man mit einem Schrecken einschläft, weil man dann aufschreckt, in dem Moment, in dem das Adrenalin das Narkotikum überwältigt.
Schlagartig körperlich, aber leider ist das Großhirn noch nicht auf der Höhe und in Standby kommen seeeehr seltsame Eindrücke dabei heraus.
Ein Arzt rumpelt vorbei und ruft mir zu: "Kein Sorge, wir haben jetzt alles wieder im Griff."
Ok. Das ist definitiv eine der Aussagen, mit der man nicht beruhigt wird.
Griffe kann ich nicht bemerken und sein Laufschritt vermittelt da auch nicht gerade Bestätigung in Sachen Kontrolle.
Und "Jetzt wieder" schreit nach der Frage - wann nicht?
Es sollte keiner Erklärung bedürfen.
Garstig.
Jetzt bin ich richtig besorgt.
Ein anderer Arzt kommt. Stellt mir für so eine dämliche Studien Fragen, ob ich weiß, wo oben ist (bei der Lampe) und unten (Unter mir) und wie ich heiße... Ich will wissen, was passiert ist. Er sagt, ich soll antworten. Also nenne ich meinen Namen und ich frage dann zurück, nochmals, was eigentlich passiert ist. Aber der Arzt ist schon wieder weg.
Ich sehe reichlich Blut an meinem Arm und bin besorgt.
Das nächste Mal wache ich einem großen Saal mit tausend piependen und blinkenden Geräten auf.
Schlimm.
Emergeny Room-Stimmung. Habe ich erwähnt, dass cineastische Bildung fast so schädlich ist wie blühende Fantasie?

Ich verstehe die Geräte nicht, aber zwischen ihnen huschen vermummte grüne Menschen herum.
 Banges Warten schließt sich an. Ich bin im (Über)Wach(ungs)Raum - statt wie erwartet und angekündigt in einem netten (Auf)Wachraum.
Und immer noch kommt keiner, der mir sagt, was los war.
Ich überlege verzweifelt, wie ich in Erfahrung bringe, warum ich hier bin und nicht in dem kuschligen Aufwachraum, den sie mir vorher gezeigt haben. Ich will wissen, was im OP passiert ist.
Warum mir alles so weh tut.
Langsam bewege ich mich.
Linker Arm ist dran. Rechter Arm - check! Blut ist weg. Das werte ich als gutes Zeichen.
Kopf dreht sich, Denken fällt schwer. Brust ist auch noch da (plus zwei Beutel und Schläuche).
Und immer kommt noch keiner, der mir was erklärt.
Der Kampf mit der Bettpfanne lockt eine Schwester auf den Plan. Das Ganze gerät zu einem Blutbad, weil aus meinem malträtierten Arm aus einem Schlauch noch kräftig Blut nachfließt. Dort, wo die Kabel für die OP verlegt waren, ( also rechts, fernab vom Tumor). Ich frage die Schwester... Doch die sagt, sie dürfe mir nichts sagen. Schöner Mist! Was ist die Steigerung von Panik?
Endlich kommt eine Ärztin, die sagt, dass am Ende der OP eine Vene erwischt wurde und ich sehr viel Blut verloren habe, daher ist auch der Port noch dringeblieben, den wir doch angesichts der OP gleich mit rausnehmen wollten...
Sie will mich mitnehmen, was ich begrüße, aber der Oberarzt vom Horrorstübchen hier ist dagegen.
Wegen der Gefahr, unbemerkt zu verbluten, darf ich erst rauf, auf die Station, wenn ich einen besseren Gerinnungsfaktor habe.
Klingt überzeugend, auch wenn es mir hier nicht gefällt.
Verbluten ist doof.
Meine Cousine und mein Mann besuchen mich abends noch kurz. Sie sind besorgt und erleichtert.
War wohl kniffliger als erwartet.
Sage mir noch einmal einer was von Routineeingriffen.
Gut, dass ich so eine Allerweltsblutgruppe habe, zu der man einfach alles panschen kann.
Der Besuch ist sehr nett, aber ich fühl mich schlecht. Und ich will hier in diesem ER nicht sein. Hier piept es. Oft schneller, drängend, fordernd, hektisch. Es riecht nach Gefahr.
Ständig rumpeln die Grüngewandeten an ein Bett und tun dort hektisch das, was vermutlich getan werden muss, wenn es piept. Irgendwann dämmere ich wieder weg.
Später werde ich doch noch in normalen Wachraum verlegt, wo ich besser schlafen kann.
Mein Kopf funktioniert wieder. Mein Kreislauf kreist stabil. Etwas schwächlich, aber ich bin will nicht kleinlich sein.
Ich muss nochmals auf die Toilette und darf nicht.
Aber Bettpfannen verstoßen gegen die Menschenwürde! Die Schwester will mir verbieten aufzustehen und ich drohe, dann ins Bett zu pinkeln (ohne Pfanne) - dann hätten wir beide was davon.
Dann darf ich auf die Toilette gehen, wenn ich aufpasse.
Na also. Warum nicht gleich so?
Froh, wenigstens diesen einen Kampf gewonnen zu haben, schlafe ich erschöpft wieder ein.
Geht doch.
Ich werde wieder berichten.

Sonntag, 2. Februar 2014

Operation Endsieg

(c) Agentur Zielgenau
Wenn man eines als Krebspatient lernt, dann dass alles zwei Seiten hat und immer irgendwas gutes dabei ist. Und Geduld, Geduld vor allem.
Ob ich meine diesbezüglichen Lektionen gelernt habe, zeigt sich wieder mal angesichts des langersehnten Wechsels aus der Chemo- in die OP-Phase.
Es gilt wieder neue und wichtige Termine zu vereinbaren...
Und wieder einmal klappt der Termin nicht, der ja schon längst ausgemacht war. Der von der Klinik vorgeschlagene Termin würde dazu führen, dass ich über drei wichtige Familienfeste im Krankenhaus läge, was ich nicht will.
Ich handle eh um jeden Tag, um den ich mich drücken kann...
Dieses Mal aber kann man mir noch nicht einmal sagen, wieso. Es ist halt so.
Schulterzucken.
Seufzen, resigniertes.
Nein, erkläre ich freundlich.
Wenn der Tag nicht geht, warum dann nicht der darauffolgende.
Da scheint der OP-Belegungsplan wie ihn ein flüchtiger Blick über die Schulter in den Monitor ergibt, ja noch was herzugeben. Die Termine sind für Verschiebungen reserviert, erfahre ich. Eben, bestätige ich. Also exakt für Fälle wie diese.
Der langen Rede kurzer Sinn - wir verschieben um einen Tag und ich bin damit - höchstwahrscheinlich - über die Feiertage zuhause.
Wermutstropfen: Ich verschlafe meinen Hochzeitstag. Meinen Allerersten!
Ein bisschen Schwund hat's immer.
Andererseits jedoch lege ich damit den Grundstein für noch viele, viele weitere.
Nichts ist perfekt. Aber nichts ist auch eine völlige Katastrophe.
Also widme ich mich den allerletzten, unmittelbaren OP-Vorbereitungen. Mein Gewicht steigt weiter, das ist verdrießlich, aber angesichts der Mengen an Essen, die ich vertilge, ist es auch nicht verwunderlich. Na gut, wer futtert, ist bei Kräften.
Ärgerlicher ist, dass die Mammografie schwierig ist.
Meine Tumorstelle liegt so, dass ich nicht wirklich ins Gerät passe.
Leicht in die Knie gehen, Hüfte eindrehen, Bauch einziehen, Schultern vor, Hintern
Locker stehen! -
dann Brust nehmen und auf Platte legen, einatmen, ausatmen, damit ebenjene Brust besser plattgedätscht werden kann und...
- dann bitte Locker bleiben und nicht bewegen! -
... ist es auch schon geschafft. Oder fast. Bild taugt nix. Das Ganze nochmal.
Ich nehme mir fest vor, dass ich bis zur ersten Nachuntersuchung deutlich gelenkiger und besser ausbalanciert sein sollte. Ich werde mir sofort im Garten eine Slackline spannen.
Aber morgen ist erst mal die OP. Heute eine letzte Nacht Zuhause.
Ich bin aufgeregt aber guter Dinge...