Sonntag, 9. Februar 2014

Überlaufventil - Loblied für Krankenschwestern

Das Wochenende zieht sich trotz all der vielen Besuche, die ich bekomme und der Care-Pakete, die sie mir mitbringen, damit ich nicht verhungern muss.

Also wie es Menschen gibt, die auch nur eine Mikrosekunde länger im Krankenhaus als nötig, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
Nein, wer gesund genug ist, um notfalls davonzukriechen, sollte das auch tun. Die von Krankheit, Angst und Verzweiflung geschwängerte Atmosphäre, das schlechte Essen, die endlos langen Arbeitstage, das organisierte Chaos, die Befindlichkeiten (und damit meine ich nicht die der Patienten, um deren Befinden es eigentlich gehen sollte)...

Daher bewundere ich auch jene, die sich dazu entschlossen haben, hier lebenslänglich einzuchecken. Das Klinikpersonal. Die Ärzte, die Pfleger, die Physios, die Putzleute, die Assistenten... All jene, die mit einem gerüttelt Maß an Idealismus antreten und sich tagtäglich dem Irrsinn stellen, die versuchen, es wenigstens ein bisschen besser zu machen und sich dabei selbst aufarbeiten, bedroht von multitoxischen Suchten, echter, in jahrelanger Überforderung gereifter Burnouts und selbstzerstörerischen Zynismus...
Doch auch da gibt es Unterschiede.
Assistenten haben nicht viel mit den Patienten zu tun, die es dem Personal oft noch zusätzlich schwer machen - in Notwehr meist, aber eben doch und keineswegs ausschließlich. Idioten gibt es auf beiden Seiten des Bettes. Ärzte hingegen haben die Hoffnung auf Karriere, gute Bezahlung und den Lotusblüten-Effekt versiegelten Nimbus des Halbgottes in Weiß, der einen zumindest auf allen Partys gut ausschauen lässt. Ich bin Rechtsanwalt. Ich weiß, mit wem ich mir den Platz teilen muss.
Aber wer eigentlich den Laden schmeißt, das ganze Unternehmen am Laufen hält und irgendwie auch noch funktionsfähig - das sind die Pfleger und Schwestern.

Auch wenn ich zugebe, dass Krankenbruder irgendwie dämlich klingt, finde ich es schade, dass wir keinen besseren Namen als "Pfleger" haben, einen Titel, der auch zu einem Zoowärter oder einem Fuhrparkbeauftragten passen würde. Schwester klingt vertrauensvoll und nah. Menschlich. Zwischenmenschlich... Warm. Darum halte ich mich mit meinem Dank an die Schwestern. Auch an die männlichen unter ihnen. Auch wenn sie hetero sind. Herrgott - es ist echt grässlich, in politisch korrekten Zeiten zu leben. Wobei diese political correctness nach meinem Dafürhalten ungefähr so sinnig ist, wie der Impuls auf eine eitrige Wunde ein Pflaster zu kleben, weil man sie dann nicht mehr sieht. Aber egal, darüber rege ich mich ein anderes Mal auf. Heute ist Sonntag und ich wollte mal versöhnlich sein.

An dieser Stelle deshalb mein ehrliches und aufrichtiges Kompliment an die "Schwestern".
Das ist ein Knochenjob mit mieser Bezahlung in einem ganz und gar ekligen Umfeld.
GREAT JOB!
Wirklich.
Und sie sind meistens nett.
Und nur gerade genug nicht nett, dass man sieht, dass sie menschlich sind.
Was in diesem Umfeld unmenschlich ist.
Also ich könnte das nicht.

Und darum widme ich diesen Post heute all den großartigen Menschen, die dafür sorgen, dass wir gut genug versorgt sind, um zu jammern. Ich muss ja nicht immer nur über mich reden.

Die Geschichte ist schon älter, ich hab die vor Jahren mal in irgendeiner Notaufnahme gelesen und versuche sie einigermaßen richtig wiederzugeben. Denn sie ist so gut, dass ich nicht wüsste, wie ich das besser machen kann. Also - here we go:

Die Legende von der Erschaffung der Krankenschwester
Als der liebe Gott die Schwester schuf, machte er bereits den sechsten Tag Überstunden.
Da erschien ein Engel und sagte: „Herr, Ihr bastelt aber lange an dieser Figur! Wir haben unser Budget schon ausgeschöpft und im übrigen sitzen alle Engel schon unten in der Halle und würden gern mit ihnen anstoßen."
Der Liebe Gott wischte sich den Schweiß von der göttlichen Stirn und seufzte: „Hast du die lange Liste spezieller Wünsche auf der Bestellung gesehen?”
Der Engel trat an die Pinnwand und musterte skeptisch die Aufgabenbeschreibung:

  • Sie soll als Frau und Mann lieferbar sein,
  • wartungsfrei und leicht zu desinfizieren, aber nicht aus Plastik,
  • sie soll Nerven wie Drahtseile haben und 
  • einen Rücken, auf dem sich alles abladen lässt,
  • dabei aber so zierlich, dass sie sich in viel zu kleinen Dienstzimmern wohl fühlen kann.
  • Sie muss fünf Dinge zur gleichen Zeit tun können und 
  • soll dabei immer noch eine Hand frei haben.
Da schüttelte der Engel den Kopf und sagte: “Sechs Hände, das wird kaum gehen!”
“Die Hände machen mir keine Kopfschmerzen”, sagte der liebe Gott geduldig, "aber..."
Die Hand Gottes wies auf den nächsten Punkt der Liste:
  • aber die drei Paar Augen, die schon das Standardmodell haben soll!  
Der Engel blies mit gesträubten Flügelfederchen durch die Nase. "Wozu denn bitte?"
Ein Lächeln umspielte die göttlichen Lippen. "Weißt du das nicht? Ein Paar, das nachts durch alle Wände sehen kann, damit eine Nachtwache zwei Stationen betreuen kann. Und ein zweites Paar im Hinterkopf, mit dem sie sieht was man vor ihr verbergen möchte, was sie aber unbedingt wissen muss und natürlich das eine Paar hier vorn, mit dem sie einen Patienten ansehen kann und sagen: Ich verstehe Sie und bin für sie da – ohne dass sie ein Wort sprechen muss..." Der Liebe Gott kicherte und es klang ein bisschen wirr.
Der Engel zupft ihn leicht am Ärmel und sagte: „Geht schlafen, Herr und macht morgen weiter“
“Ich kann nicht”, rief der liebe Gott, “wir sind in Eile. Aber immerhin habe ich bereits geschafft, dass...”
Goldene Häkchen erschienen wie aus dem Nichts neben den nächsten Punkten auf der Liste...

  • sie fast nie krank wird, und wenn, dann heilt sie sich selbst; 
  • denn sie kann begreifen, dass 10 Doppelzimmer 40 Patienten bedeuten kann, aber 10 Stellen oft nur 5 Schwestern sind.
  • Sie hat Freude an ihrem Beruf, der alles fordert und daher wenig bezahlt ist. 
  • Sie kann mit Schaukelschichten leben und kommt mit wenigen freien Wochenenden aus.

Der Engel ging langsam um das Modell der Schwester herum.
“Das Material ist zu weich”, seufzte er.
"Aber daher flexibel und zäh", entgegnete der Liebe Gott. “Du glaubst gar nicht, was das alles aushält! Sintfluten, Plagen... Sie muss meinen Kindern in allen Lebenslagen beistehen.“
“Kann sie denken”, fragte der Engel?
“Nicht nur denken, sondern auch urteilen und Kompromisse schließen”, sagte der Liebe Gott und klang ein ganz klein wenig stolz dabei. "Pragmatismus", so wie Gott das aussprach, klang es wie ein Zauberwort.
Plötzlich beugte sich der Engel vor und fuhr mit dem Finger über die Wange des Modells.
“Da ist ein Leck”, sagte der Engel. “Ich habe Euch ja gesagt, Ihr versucht zu viel in das Modell hineinzupacken.”
“Da ist kein Leck… das ist eine Träne!” Gott klang etwas indigniert.
“Wofür ist die?”
„Sie fließt bei Freude, Trauer, Enttäuschung, Schmerz und Verlassenheit“, sagte der liebe Gott versonnen:
Die Träne ja….. die Träne ist ein Überlaufventil!
Sonst würde die Schwester all das gar nicht aushalten.

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