Montag, 23. September 2013

Zeit und Unendlichkeit - Im Labyrinth der Krebskllinik

Nach selbst für die Klinik frechen 1,5 Std. Wartezeit für einen fest vereinbarten Termin dann das Gespräch mit Untersuchung für den weiteren Verlauf der Chemo.

SOS - Thragor (www.piqs.de)
Es ist echt traurig, wie man da mit einem umgeht, von dem sie doch wissen, dass er arbeiten will. Je später ich komme, desto schiefer wird mein Chef mich anschauen... Als würde ich mich durch diesen Krankenhausirrsinn vor der Arbeit drücken wollen. Oh, wenn die wüssten!
Oder auch die hier in der Klinik!
Da erzählen sie einem bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit, wie sehr einem die Klinik, die Profis, die Ärzte doch dabei helfen werden, das Leben weiter zu leben. Dass man nicht aufgeben darf, dass sie für einen da sind...
Das klappt nicht. Ich weiß nicht, warum. Es klappt einfach nicht. Es scheint unendlich schwer zu sein, Termine zu halten. Aber weil es offenbar außer mir keiner erwartet, bemüht sich auch keiner.

Der Berater in mir erwacht.
Wie viel Geld man dabei einsparen könnte... z.B. indem man den Patienten Checklisten gibt, was sie zu den Terminen mitnehmen müssen, Infomaterial aus der Klinik (also mit dem, was dann auch in der Besprechung zur Sprache kommt)...
Vor dem Hintergrund, wie umfassend eine Beratung sein muss, wenn die vom Patienten zu erteilende Einwilligung in die Behandlung tatsächlich wirksam sein soll, wäre da erhebliches Beratungspotential. Es reich ja nicht, wenn man diesen Waschzettel bekommt. Es wäre gut, wenn man auch was über die Abläufe im Detail erfahren würde und auch, wie man sich gegen die Nebenwirkungen schützen kann... Ein weites Feld würde Herr Fontane jetzt sagen und ich wüsste gern, in welchem Tonfall er das sagen würde. Und ob er es wirklich selbst auch gesagt hat, oder ob das ein Spruch ist, den er dem armen Vater Briest einfach in den Mund gelegt hat. Ich benutze auch nur selten die Sprüche meiner Protagonisten...
Durch das Grübeln vergeht wenigstens die Zeit.

Dann war es soweit.
Ultraschall und Blutwerte sind super.
Der Tumor ist nochmals kleiner geworden, was bedeutet, dass er auf die Wirkstoffe extrem gut anspricht - ungewöhnlich gut. Oder eben schlecht aus Sicht, des Tumors.
Ich erlaube mir ein bisschen Schadenfreude.
Nachdem ich inzwischen weiß, was man mir nicht erzählt, wenn ich nicht frage und gelernt habe, dass der Facharzt halt immer auch nur seine Fachthemen im Blick hat, quäle ich mich (und meinen Arzt) nochmals durchs Fachgespräch in Bezug auf die zu erwartenden Nebenwirkungen.
Es mag ja sein, dass die gewählte Mixtur "tumortherapeutisch" supertoll ist, aber wenn dabei meine latent vorhandene Atrose in meinen Schrottknien dazu führt, dass ich danach im Rollstuhl sitze, dann... komme ich ins Grübeln.
Und wenn man von dem Chemozeug depressiv wird, dann riskiere ich, mit meiner deprimierenden Familiengeschichte voller depressiver Urahnen, dass ich von der Brücke hüpfe - krebsfrei oder nicht.
Tante Google versichert glaubhaft, dass es erstaunlich viele Möglichkeiten gibt, die Chemo anzupassen, wenn man ein Gespräch bekommt.
Mittlerweile ist entgegen der landläufigen Meinung (auch in Arztkreisen) da wirklich erstaunlich viel Individualisierung möglich. Es gibt wirklich für jeden Tumortyp in jedem Krebspatienten eine Spezial-Therapie. Und die lässt sich auch nochmals anpassen. Theoretisch.
Der Gedanke ist schön, wenn es für einen individuellen Feind auch eine maßangefertigte Waffe gibt.
Umso erstaunlicher ist, dass in der Praxis trotz all dieser Möglichkeiten dann am Ende - aus welchen Gründen auch immer - doch immer wieder derselbe Cocktail verabreicht wird. Hausmanns-Chemo.
Von daher lohnt es, beharrlich nachzufragen. Was nun gut und weniger gut innerhalb der gängigen Methoden ist, ist - wie ich herausgefunden habe - von Arzt zu Arzt verschieden. Übrig bleibt also Vertrauen. Das ist aber ziemlich viel verlangt in Anbetracht der Umstände und der Gesamtsituation.
Völlig überraschend erfahre ich, dass man dieses Taxan, dessen Nebenwirkungen ich so fürchte, auch wöchentlich geben könnte, was zu kleineren Dosen und damit höherer Verträglichkeit führt. Es hat allerdings den unleugbaren, horrorfilmverdächtigen Nachteil, dass ich dann wöchentlich in die Klinik müsste.
Eine Wahl zwischen Pest und Cholera - will ich lieber durch die Klinik oder das Medikament depressiv werden?
Das ist alles nicht so einfach, ganz schön schwierig sogar (wie eine meiner Protagonisten sagen würde, was beweist, dass ich doch gelegentlich mich selbst zitiere), und ich nehme das, was der Arzt mir sagt mit nach Hause, zum Darüberschlafen.

Tante Google spukt eine Dissertation aus, die sich auch mit den Schemata einer Chemotherapie für Brustkrebs befasst.

Und dann habe ich auch noch eine Broschüre gefunden, die unter dem Stichwort "Nebenwirkungsmanagement" komprimiert behandelt, was man selbst tun kann.

Auf dem Heimweg bekomme ich gleich noch einen weiteren Dämpfer, trotz der guten Befunde.
Im Radio kommt ein Special über Krebs als Volkskrankheit und eine übelkeiterregende Liste von Promis, die alle abgekrebst sind.
Zudem höre ich auch aus dem Bekanntenkreis, wer alles so gestorben ist.
Nö, das begeistert mich alles nicht so.
Entscheidungen machen keine Freude.
Immerhin gehts meinem Tumor auch nicht gut.
Mal sehen.
42:7 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen