aus Gottes Sicht - Milbenschweif (www.piqs.de) |
Das Jahr hat nach einem durchaus verbesserungsfähigen Verlauf eine allerletzte Chance für ein versöhnliches Ende.
Dazu mache ich erst mal eine Bestandsaufnahme.
Meine körperlichen Gebrechen, chemobedingt oder nicht, habe ich ja schon erzählt. Die sind im Augenblick nicht zu ändern, sondern nur hinzunehmen. Sie sind eigentlich nicht so schlimm, viele Kleinigkeiten, die jede für sich gut zu behandeln ist und in der Summe... nun ja... zwar fraglos aufwändig, aber am Ende doch erträglich sind.
Meine Psyche ist das eigentliche Problem. Die Taxan-Chemotherapie führt, das ist gar nicht so selten, zu einer depressiven Verstimmung. Doch je mehr ich mich verstimme, desto mehr Schieflage erhält das fragile Gleichgewicht, mit dem ich meine Tage bestreite. Diese Stimmungsschwankungen belasten, das verstehe ich rational wunderbar, auch meinen Mann. Und meinen Hund, der es auch nicht leiden kann, wenn ich heule, und noch weniger wenn ich schreie.
Doch es ist ein Henne-Ei-Problem, denn die Reaktionen auf die Belastung, sind sehr belastend für mich. Das muss ich durchbrechen.
Ich bemühe mich also um einen heiteren Ton. Um Zuversicht und Langmut. Beides ist schwer, denn das Misstrauen sitzt so tief wie die Erschöpfung, von der auch mein Mann längst gezeichnet ist.
Während mein Mann dann eine Runde mit Freunden Tennis spielen geht, fahre ich allein zum Pferd. Das klingt banal, ist aber für mich derzeit eine riesige Leistung. Ich muss Kraft sammeln, mich aufraffen, mich umziehen, ins Auto steigen und losfahren. Auf jedem Zentimeter dieser Strecke muss ich mich überwinden, mich selbst bezwingen und das ist schwer, denn ich kenne alle meine Tricks.
Aber ich schaffe es und mir gelingt sogar eine richtig gute Übungseinheit mit meinem Ross.
Wenn ich jemals mit diesem Krebsblog fertig sein werde, schreibe ich über die Abenteuer meines Rosses.
Oder aber über meine Höhen und Tiefen als Indie-Autorin. Das habe ich zwar schon begonnen, vernachlässige ich aber derzeit doch ziemlich. Egal. 2014 bietet 365 gute Gelegenheiten.
Am Abend essen wir zusammen und das fühlt sich schon harmonischer an.
Ich freu mich auf Sonntag. Da muss ich ein paar Zimmerpflanzen pflegen und dann bastle ich an der Homepage für mein Buch. Das ist ein guter Plan.
Es zeigt sich wieder einmal, dass alle Kraft, die man braucht, um durch so ein Jammertal zu gehen, wie diese Chemo-Krebs-Depressions-Schlucht, im eigenen Herzen wohnt.
Das klingt so schnulzig, dass ich mich echt zwingen muss, es hier aufzuschreiben, aber he - es ist eben so.
So schnulzig und vor allem so einfach.
Man muss nur wollen. Aber wollen muss man.
Mantramäßig sage ich mir jeden Tag vor, dass es mir gut geht, dass ich verdient habe, dass es mir gut geht und dass ich stark bin!
Lächeln ist die beste Medizin. Wirklich?
Es ist ein Versuch wert, eine ganz simple Sache. Lächeln, auch wenn einem nicht danach ist. Wer ganz fest entschlossen lächelt, die Mundwinkel nach oben zieht, der gaukelt seinem Gehirn vor, dass alles gut ist, weil man normalerweise ja nur lächelt, wenn es wirklich so ist.
Irgendwie scheint es zwischen der "Grimasse" und dem "Gefühl" im Gehirn eine Verbindung zu geben. Eine Straße, die meist vom Gefühl zur Grimasse befahren wird. Aber es funktioniert auch andersherum. Wenn man lächelt, fühlt man sich gleich besser. Nicht viel, aber ein bisschen.
Es klappt sogar, wenn man mit den Fingern die Mundwinkel nach oben zieht.
Verrückt.
Und das ist ein Anfang. Auch die Besteigung des höchsten Berges beginnt mit einem ersten Schritt. Und noch einem. Und noch einem. Und dabei immer lächeln.
Und in Bewegung bleiben. Ganz bewusst. Leben, Lieben, Lächeln.
2014 soll kommen. Ich sag ihm schon, wo es langgeht.
Ich denke an die schönen Dinge, an mein Buch und die Homepage zu meinem Buch, an mein unbedingt noch auszubildendes Pferd, an meinen Mann und unsere Beziehung.
Eigentlich geht es mir gut.
Das darf ich mir nicht von dem blöden Taxan wegnehmen lassen.
Von hier aus, ist die Sicht wunderbar.
86:16
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