Freitag, 6. Dezember 2013

Ausrangiert - Krebs im Beruf

Bahnhof - Nep (www.piqs.de)
Die Arbeitswoche ist zäh. Weil so viel zu tun ist, trau ich mich nach dem wie üblich durchschlafenen Dienstag nicht, den Mittwoch auch noch zu fehlen, weil ich mir dann unweigerlich wieder blöde Sprüche zum Thema Unzuverlässigkeit anhören muss und die zwei aktuell letzten "netten" Fälle mit angenehmen Mandanten auch noch bei der Kollegin landen, die mir begeistert die Arbeit abnimmt und sich dann feiern lässt. Dass sie dabei meine Vorarbeit als die ihre verkauft wird stillschweigend hingenommen. Mich kränkt das so, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Ich kämpfe mich mit Krebs brav in die Arbeit und muss mich echt beschimpfen lasse, weil ich "kaum mehr Überstunden" mache, während besagte Kollegin alles Mitleid dieser Welt dafür erhält, dass sie zwar morgens später kommt und mittags zwei Stunden in die Physio geht und abends früher aufhört, weil Rückenschmerzen wirklich schrecklich sind und sie immerhin nicht krank macht...
Nein eigentlich fasse ich es nicht und versuche wirklich, das alles mit Humor zu nehmen. Ich will der Kollegin ja wirklich nichts Böses und Rückenschmerzen sind schrecklich und es ist von ihr genauso gut (oder blöd), damit in die Arbeit zu gehen, wie bei mir - aber wenn man berücksichtigt, dass sie damit unter dem Strich trotz all der tollen Anerkennung und dem Support beider Chefs auch nicht mehr arbeitet als ich - dann fühle ich mich ... gemobbt.
So jetzt ist es raus.
Sagt doch letztens echt der Senior-Chef zu mir, ich müsse das verstehen, man sähe mir ja schließlich nicht an, dass ich Krebs habe. Ich laufe vermutlich zu meinem Privatvergnügen mit einem aufgemalten Gesicht, 8 getapten Fingern und einer Perücke herum.
Nachdem die fünf ersten, spontan aus dem Bauch kommenden Antworten völlig zurecht vom Gehirn noch im Rachen gestoppt wurden, brachte ich es statt fantasievollen Beschimpfungen nur zu einer Gegenfrage: "Nach all den Anerkennungsbekundungen seitens der Kollegen, sollten Sie sich fragen, ob mit Ihren Augen oder Ihrem Herzen etwas nicht stimmt."
10 Stunden Arbeit am Donnerstag waren jedenfalls zuviel und als mir am Freitag nach schlecht geschlafener Nacht auch noch der Kopf weh tut, beschließe ich, Daheim zu bleiben. Ich bin einfach am Ende.
Soviel dazu.
Wir schulden Wochenstunden und ich hab ein Überstundenpolster, das in die 1000er geht. Das muss die Kanzlei verkraften. Ich lerne wieder einnmal, dass der Krebs an sich mein geringstes Problem ist und auch die Therapie als solche bei Weiten nicht mein größtes.
Was wirklich, ehrlich massiv an den Kräften zehrt ist das ganze Drumherum der an sich vollinformierten und eigentlich auch nicht dummen Mitmenschen, die offenbar aber auch nichts unversucht lassen, es einem schwer zu machen. Ob das diese Woche jetzt mehr die Klinik mit ihrer Desorganisation oder meine Kanzlei mit ihrer geradezu grotesken Ignoranz gewesen ist, könnte ich gar nicht sagen.
Was ich sicher sagen kann ist, dass ich diese Woche mit all dem so beschäftigt war, dass ich gar keine Zeit gehabt habe, mich um mich oder meine Krankheit zu kümmern. Klingt ja nicht schlecht.
Ich fürchte nur, dass ich das nächste Woche büßen werde, weil ich einfach zu viel Kraft in dieser Woche verbraucht habe, wenn dann danach die körperliche Reaktion, der berüchtigte Chemo-Effekt kommt.
Na, man wird sehen. Ich kann es eh nicht mehr ändern, und die Woche war aus der hier allein interessierenden Krankheitsperspektive echt nicht schlecht. Aber den Freitag geb ich konsequent dem Krebs, auch wenn es nicht restlos fair ist. Aber muss man zum Feind fair sein?
79:14

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