Freitag war ein spannender Tag der anderen Sorte, ein Drahtseilakt im doppelten Wortsinn. Doch der Reihe nach:
Nachdem ich letzte Woche als Cancer-Girl mutiger als jeder Marvel-Comic-Held im Schwimmbad und am Sonntag tatsächlich mit meinem schwarzen Zauberpferd im Winternebelwald unterwegs gewesen war und nachts tatsächlich noch ein Kapitel (ein ! Kapitel) in meinem Fantasy-Herzstück weitergeschrieben habe, war ich heute auf dem Weg in die Klinik sehr selbstbewusst.
Ultraschall... Phhh.
Die Routine ist eine Krücke, die durch den Klinikalltag humpeln hilft.
Aber ich habe einen Lauf. Es hat sogar nicht einmal Ärger gegeben, als ich verkündet habe, dass ich wegen dringender Arzttermine später in die Arbeit komme.
Der Termin wird eingehalten. Mit nur einer halben Stunde Verspätung werde ich sozusagen verfrüht ins Allerheiligste, das ärtzliche Behandlungszimmer eingelassen.
Der Skeptiker in mir wird unsicher. Das läuft zu gut...
In Filmen ist es auch immer so, wenn es glatt geht, zu glatt, wenn der Held sich in Sicherheit wähnt - dann schlagen die bösen Mächte zu. Und damit leitet der Regisseur den zweiten Akt ein, den Niedergang.
Der Ultraschall schaut für mich aus wie immer - gräuliches Gegrissel, seltsame Wellen...
Ich habe gelernt, dass man auf Schatten achten muss, aber dass nicht alle Schatten schlecht sind. Die bunten Punkte und Linien, die vom Arzt auf das Bild gemacht werden, verstehe ich noch weniger. Es ist frustrierend, weil ich so gern wüsste, was da genau gemacht wird.
Es geht ja immerhin um mich. Außerdem würde es mich auch so interessieren.
Medizin ist eine eigene Welt.
Na egal, der Arzt gibt sich geradezu euphorisch. Der Tumor ist weg. WEG!
Gut, dass man dieses Metallfädchen eingezogen hat, sonst wüsste man gar nicht mehr, wo man operieren muss.
Muss man denn operieren? Man muss, denn dort könnten sich weit unterhalb der Wahrnehmung über Ultraschall, Mammographie oder sonstiger Diagnostik immer noch einzelne Zellen befinden, von denen dann all das wieder von vorne ausgeht. Darum wird der "Tatort" großzügig ausgeschnitten. Klingt logisch.
Mir ist es lieber, dass ich vorsorglich eine Routine-OP machen muss, statt einer höchstvorsorglichen Chemo. Denn dass der Tumor jetzt weg ist heißt nichts anderes, als dass es dem Mistkerl die ganze Zeit über, in der ich gelitten habe, noch viel schlechter als mir gegangen ist.
Ich bin sonst nicht rachsüchtig, aber in diesem speziellen Fall finde ich tatsächlich, dass geteiltes Leid deutlich weniger als halbes Leid ist.
Nachdem es mir aber wirklich nicht besonders gut gegangen ist, während der Chemo-Blocks eröffne ich den Schacher um den 8. und letzten Block.
Muss ich den dann wirklich noch machen? Mir geht es von mal zu mal schlechter. Ich hab echt keine Lust mehr. Der Tumor ist weg.
Der Arzt ist streng.
Ich sei bisher ohne nennenswerte Beeinträchtigungen durchgekommen. - Keine Haare, keine Schleimhäute, keine Fingernägel, keine Kondition, keinen Geschmackssinn... all das nicht nennenswert?
Na, das ist ein Herzchen.
Ich hätte die Chemo doch sensationell vertragen
Na, dann möcht ich nicht wissen, wie es den anderen geht.
Ich soll jetzt gefälligst den Rest auch noch durchziehen. Wenn der Krebs wiederkommt und ich abgekürzt habe, dann verzeih ich mir das doch nie...
Schachmatt in drei Zügen.
Auch Recht, einmal ist keinmal. Das zieh ich auch noch durch.
Wir besprechen dann noch die OP, die ich drei Wochen nach der letzten Chemo machen darf und dann danach hab ich auch noch Bestrahlung, nochmals etwa ein Monat später über zwei, drei Monate...
Ich bin emotional überfordert.
So toll die Nachricht ist, verlässt mich jetzt mein Cancer-Girl Hochgefühl. Der Tumor ist weg und trotzdem ist der Krebs noch nicht vorbei. Ich hab irgendwie das Gefühl wie weiland Phyrrus... wenn die OP- und Strahlensiege genauso teuer werden, dann hab ich trotzdem verloren.
Eine versöhnliche Stimme in mir tätschelt mir mental den Kopf. Lass dich nicht hängen.
Das Gröbste haste mit bestmöglichem Erfolg überstanden. Den Rest packen wir auch noch.
Es wird schon. Muss ja. So ist der Plan.
Dass Du nicht freuen kannst, liegt daran, dass Du in einem Gefühlschaos steckst. Du kämpfst Dich seit Monaten durch die Hölle, indem Du gezielt Deinen Tumor bekämpfst. Und jetzt ist er plötzlich weg und du stürmst an und geradewegs ins Leere... Das muss einen aus dem Gleichgewicht bringen, da darf man stolpern.
Lass Dich hängen, aber steh wieder auf.
Es wird. ES WIRD.
Und so habe ich am Samstag den NaNoWriMo (NationalNovelWritingMonth) mit dem erforderlichen Soll von 50.000 geschriebenen Wörter auch noch geschafft. Ich kann echt zufrieden sein.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine schöne, erfolgreiche, starke Woche.
76:13
Nachdem ich letzte Woche als Cancer-Girl mutiger als jeder Marvel-Comic-Held im Schwimmbad und am Sonntag tatsächlich mit meinem schwarzen Zauberpferd im Winternebelwald unterwegs gewesen war und nachts tatsächlich noch ein Kapitel (ein ! Kapitel) in meinem Fantasy-Herzstück weitergeschrieben habe, war ich heute auf dem Weg in die Klinik sehr selbstbewusst.
Ultraschall... Phhh.
Die Routine ist eine Krücke, die durch den Klinikalltag humpeln hilft.
Aber ich habe einen Lauf. Es hat sogar nicht einmal Ärger gegeben, als ich verkündet habe, dass ich wegen dringender Arzttermine später in die Arbeit komme.
Der Termin wird eingehalten. Mit nur einer halben Stunde Verspätung werde ich sozusagen verfrüht ins Allerheiligste, das ärtzliche Behandlungszimmer eingelassen.
Der Skeptiker in mir wird unsicher. Das läuft zu gut...
In Filmen ist es auch immer so, wenn es glatt geht, zu glatt, wenn der Held sich in Sicherheit wähnt - dann schlagen die bösen Mächte zu. Und damit leitet der Regisseur den zweiten Akt ein, den Niedergang.
Der Ultraschall schaut für mich aus wie immer - gräuliches Gegrissel, seltsame Wellen...
Ich habe gelernt, dass man auf Schatten achten muss, aber dass nicht alle Schatten schlecht sind. Die bunten Punkte und Linien, die vom Arzt auf das Bild gemacht werden, verstehe ich noch weniger. Es ist frustrierend, weil ich so gern wüsste, was da genau gemacht wird.
Es geht ja immerhin um mich. Außerdem würde es mich auch so interessieren.
Medizin ist eine eigene Welt.
Na egal, der Arzt gibt sich geradezu euphorisch. Der Tumor ist weg. WEG!
Gut, dass man dieses Metallfädchen eingezogen hat, sonst wüsste man gar nicht mehr, wo man operieren muss.
Muss man denn operieren? Man muss, denn dort könnten sich weit unterhalb der Wahrnehmung über Ultraschall, Mammographie oder sonstiger Diagnostik immer noch einzelne Zellen befinden, von denen dann all das wieder von vorne ausgeht. Darum wird der "Tatort" großzügig ausgeschnitten. Klingt logisch.
Mir ist es lieber, dass ich vorsorglich eine Routine-OP machen muss, statt einer höchstvorsorglichen Chemo. Denn dass der Tumor jetzt weg ist heißt nichts anderes, als dass es dem Mistkerl die ganze Zeit über, in der ich gelitten habe, noch viel schlechter als mir gegangen ist.
Ich bin sonst nicht rachsüchtig, aber in diesem speziellen Fall finde ich tatsächlich, dass geteiltes Leid deutlich weniger als halbes Leid ist.
Nachdem es mir aber wirklich nicht besonders gut gegangen ist, während der Chemo-Blocks eröffne ich den Schacher um den 8. und letzten Block.
Muss ich den dann wirklich noch machen? Mir geht es von mal zu mal schlechter. Ich hab echt keine Lust mehr. Der Tumor ist weg.
Der Arzt ist streng.
Ich sei bisher ohne nennenswerte Beeinträchtigungen durchgekommen. - Keine Haare, keine Schleimhäute, keine Fingernägel, keine Kondition, keinen Geschmackssinn... all das nicht nennenswert?
Na, das ist ein Herzchen.
Ich hätte die Chemo doch sensationell vertragen
Na, dann möcht ich nicht wissen, wie es den anderen geht.
Ich soll jetzt gefälligst den Rest auch noch durchziehen. Wenn der Krebs wiederkommt und ich abgekürzt habe, dann verzeih ich mir das doch nie...
Schachmatt in drei Zügen.
Auch Recht, einmal ist keinmal. Das zieh ich auch noch durch.
Wir besprechen dann noch die OP, die ich drei Wochen nach der letzten Chemo machen darf und dann danach hab ich auch noch Bestrahlung, nochmals etwa ein Monat später über zwei, drei Monate...
Ich bin emotional überfordert.
So toll die Nachricht ist, verlässt mich jetzt mein Cancer-Girl Hochgefühl. Der Tumor ist weg und trotzdem ist der Krebs noch nicht vorbei. Ich hab irgendwie das Gefühl wie weiland Phyrrus... wenn die OP- und Strahlensiege genauso teuer werden, dann hab ich trotzdem verloren.
Eine versöhnliche Stimme in mir tätschelt mir mental den Kopf. Lass dich nicht hängen.
Das Gröbste haste mit bestmöglichem Erfolg überstanden. Den Rest packen wir auch noch.
Es wird schon. Muss ja. So ist der Plan.
Dass Du nicht freuen kannst, liegt daran, dass Du in einem Gefühlschaos steckst. Du kämpfst Dich seit Monaten durch die Hölle, indem Du gezielt Deinen Tumor bekämpfst. Und jetzt ist er plötzlich weg und du stürmst an und geradewegs ins Leere... Das muss einen aus dem Gleichgewicht bringen, da darf man stolpern.
Lass Dich hängen, aber steh wieder auf.
Es wird. ES WIRD.
Und so habe ich am Samstag den NaNoWriMo (NationalNovelWritingMonth) mit dem erforderlichen Soll von 50.000 geschriebenen Wörter auch noch geschafft. Ich kann echt zufrieden sein.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine schöne, erfolgreiche, starke Woche.
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