Sonntag, 3. November 2013

Krebs-Krieger - Krebs durchhalten

Herrje...
Meine Liste der morgendlichen Nebenwirkungskriegschauplatzbekämpfungsstrategien wird täglich länger. Es artet in Arbeit aus. In richtige harte Arbeit. Das muss man so einfach mal festhalten. Die Arbeit am "nebenwirkungsfreien Chemo-Patienten" ist zäh.
Auch heute musste ich erst mal nach innen horchen und sehen, was auf dem Plan steht:
Ave Domine Noctis- Ukitakumuki (www.deviantart.com)

  • Haut eincremen
  • Perücke aufsetzen
  • Fingernägel einölen
  • Bruchstellen tapen
  • Mund ausspülen
  • Bläschen betupfen
  • Augenbrauen aufmalen
  • Lidstrich statt Wimpern
  • Schmerzmittel oder nicht?

Hach ja...
Der Krebs und seine Kinder.
Andererseits ist es gut, denn wenn man das Elend in genügend kleine Schritte zerlegt, kann man es bekämpfen.
Man kann den Krebs nicht abwehren.
Aber man kann ihn zermürben.
Ich hab ja gesagt, dass ich nicht krank, sondern befallen bin und darum befinde ich mich im Krieg gegen den Krebs.
Offenbar in einem Stellungskrieg!

Meine martialische Haltung mag auch an der superstressigen Woche in der Arbeit liegen. Jahresendgeschäft ist bei Rechtsanwältin immer Irrsinn der besonderen Art. Verjährungsfristen und die innere Unruhe der Mandanten, die offenbar alle um jeden Preis diesen oder jenen seit Monaten in ihrer Ablage dümpelnden Fall UNBEDINGT dieses Jahr noch auf den Weg bringen müssen. Egal. Jedenfalls bin ich mit 60 Stunden diese Woche nicht hingekommen. So ein Mist.
Andererseits bin ich dann nicht nur weg von der Straße, sondern eben auch weg von allem Selbstmitleid, weil ich schlicht keine Zeit für solchen Blödsinn habe.

Freitag. Mittagspause.
Während ich diskret eine "Anti-Mundweh-Tablette" lutsche, bei der mein Mund zwar kreidig wird, aber nicht mehr schmerzt, erzählt mir eine Kollegin freudig, dass sie schwanger ist.
Berührt mich. Seltsam. Altersbedingt höre ich solche Geschichten öfter, ohne dass sie mich berühren. Ich wollte nie Kinder. Habe mich der Verantwortung nie gewachsen gefühlt. Egal. Jetzt ist es eh rum um's Eck und plötzlich--- berührt es mich doch. Es ist ein RIESENunterschied, ob man keine Kinder kriegen will oder keine Kinder kriegen kann, weil man ein chemoverseuchtes Totalwrack ist. Seltsamerweise überlagert aber das Können, das Wollen, wobei es doch rational betrachtet umgekehrt sein sollte. Wenn man was nicht will, sollte es egal sein, ob man es haben könnte.
Trotzdem will ich jetzt nicht hinnehmen, dass ich etwas nicht haben kann, auch wenn ich es wollen würde. Das ist abgefahren und krank. Ich weiß jetzt nur nicht, ob das wieder so eine chemotherapeutisch bedingte Reaktion in Form einer Depression ist, eine hormonelle Fehlzündung oder einfach so "bescheuert" ist.
Auf alle Fälle - soviel steht fest - kann man sich an diesen Chemo-Tagen einfach nicht über den Weg trauen.

Ich schreibe das auch nur deshalb so ausführlich, damit etwaige Leidensgenossen sehen, dass sie nicht verrückt werden, sondern dass das "von außen" kommt.
Wer sich selbst hinterfragt, steuert da ganz gut durch. Es ist anstrengend und es ist zäh und es geht nicht immer ohne Anecken, auch an den eigenen Kanten - aber es geht.
Und nur das zählt.
Eine Krebstherapie ist nicht lustig. Es ist ein Krieg, der manchmal schmutzig ist und ohne Verluste nicht zu gewinnen ist.
Blöd nur, dass der eigene Körper das Schlachtfeld ist.
Andererseits - abgerechnet wird zum Schluss...

63:12

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