Dieser Freitag ist so schwarz, dass er gleich für das ganze Wochenende reicht!
Ich will ja eigentlich nicht jammern, aber alles andere wäre gelogen. Wobei es mir nicht einmal körperlich so schlecht geht, sondern vor allen Dingen psychisch. Es ist schlimm, was dieses Chemogift mit dem Gehirn anstellt. Ich kann mir noch so fest einreden, dass ich nicht wirklich so mies drauf bin, dass meine Wahrnehmung verschoben ist und nichts mit der Wahrheit zu tun hat. Deshalb wäre es außerordentlich dämlich, sie zur Wirklichkeit zu erheben.
Trotzdem lässt sich mein Bauch nicht überzeugen. Er fühlt sich einfach schlecht. Mit Grund oder ohne. Das ist ihm schnurzwurst!
Daher ein guter Grund, das jetzt hier zu bloggen, denn vielleicht kommt es über die Tippfingerchen dann doch vom Hirn im Bauch an. Wobei schon der Umstand, dass ich bei dieser Betrachtungsweise unweigerlich früher oder später in der Schizophrenie landen werde, auch nicht gerade ermutigend ist.
Egal, so oder so - der Umgang mit diesen Stimmungstiefs ist echt schwer. Für mich und leider auch für mein Umfeld.
Ein Grund mehr, sich zu verkriechen.
Ich bin am Liebsten daheim, gehe nicht ans Telefon, arbeite und gönne mir zwei Bäder.
Und das trotz wundervollstem Frühlingswetter mitten im emotionalen Winter. April ist das ganze Jahr und November steht nur im Kalender.
Es ist sooo beschämend.
Ich kann mich nicht einmal zu meinem Körper-Krebs-Verwöhn-Programm aufraffen und selbst das Medizin nehmen fällt schwer. Wenn aber jeder noch so kleine Handgriff, ob angenehm oder nicht, so viel Kraft im Vorfeld zieht, wird das echt schwer, den Tag über durchzuhalten. Das kennt ja jeder, dass man morgens beim Aufstehen schon weiß, dass man nicht mag. Dass man betet, so alt zu werden, wie man sich fühlt - oder besser nicht!
Dass selbst Routinen wie das Zähneputzen zu einem Akt heroischer Selbstdisziplin werden. Und dass man vom Nichtstun auch ins Erschöpfungskoma fallen kann.
So, und mit Chemo ist das alles dreifach verstärkt. Super. Positiv daran ist nur, dass ich danach - wenn der ganze Mist vorbei ist - sowas von trainiert sein werde, dass der normale Alltagsfrust keine Chance mehr hat. Abgerechnet wird zum Schluss und meine Stunde kommt noch.
Als wäre die Gegenwart nicht schon düster genug, überschattet zunehmend auch der näherrückende nächste Chemozyklus meine Tage und vor allem die Nächte. Mir graut davor, dass sich das Chemo-Grauen im nächsten Zyklus wiederholt, zumal ich den beruflichen Stress als immer belastender empfinde. Mir werden das einfach zu viele Fronten. Ich verliere den Überblick, kann nicht mehr richtig priorisieren, verliere mich in Kopflosigkeiten und verbrenne meine ohnehin zu geringe Kraft in blindem Aktivismus. Auch das ist nicht zwingend Chemo. Das machen Kollegen und Freunde kaum besser. Nur als Krebspatient kriegt man das mehr mit, man lebt bewusster, analysiert mehr. Und auch das ist gut, denn diese Erkenntnisse kann man auch über den Krebs hinaus verwenden.
Dennoch ist die Situation im Augenblick einfach nur grotesk und mein Mann im Prinzip stocksauer, auch wenn er es nicht zugibt. Meine Beziehung versumpft, und „nett“ in dem Sinne ist mein Mann schon lang nicht mehr, wenn er sich nicht gerade fest vornimmt, es zu sein. Doch auch dann bleibt die innere Distanz und frustriert mich zusätzlich. Die Belastung für mein Umfeld ist spürbar, weil sie zunehmend - in unbeobachteten Momenten, unterschwellig als Folge der Hilflosigkeit und Überforderung - eben auch auf mich projiziert wird und sich damit verstärkt. Eine fiese Spirale, die ich allein nur durchbrechen kann, indem ich nicht übergriffig werde und vampirgleich meine Lieben aussage, ihnen die Kraft stehle. Das ist vielleicht das Schwerste, da man im Spagat zwischen erforderlicher Hilfe und sinnvoller Zurückhaltung auch noch auf die individuelle Leistungsbereitschaft eingehen muss. Tatsächlich sind die meisten Probleme überall dort angesiedelt, wo eine Hilfestellung von Helfer und Geholfenem unterschiedlich bewertet werden. Was für den einen ganz schrecklich ist, macht dem anderen nichts aus - und dabei ist es seltsamerweise völlig egal, wie herum die Diskrepanz besteht. Dass sie besteht, reicht für das Ungleichgewicht. Eigentlich logisch. Wenn die Beine unterschiedlich lang sind, ist es auch unerheblich, ob das linke oder das rechte kürzer ist.
Der Krebs zerfrisst also nicht meinen Körper, sondern in weit größerem Umfang mein Leben. Und ich weiß nicht, wie ich mich wehren soll. Es kommen so viele Probleme dazu, seit ich Krebs habe, mit denen ich nie gerechnet hätte und die so viele Kapazitäten kosten, dass neben Job und Krebs eigentlich für mein eigentliches Leben, für mich nichts übrig bleibt.
Ganz schlimm ist es immer Sonntag Nacht - da kann ich fast gar nicht schlafen, schrecke nachts hoch und fange mitten in der Nacht an zu heulen. Aber ich heule wegen der Kanzlei - wohlgemerkt - und nicht etwa wegen dem Krebs. Wenn ich mit dem Krebsbericht fertig bin, schreibe ich was über meine Büroabenteuer. Das ist Realsatire, eine Mischung aus Stromberg und Kehraus.
Superlustig für Außenstehende, blöd nur, dass ich mittendrin stecke.
Jammern hilft nicht, das mag stimmen, aber manchmal muss es trotzdem sein. Entschuldigung und vielen Dank an alle, die bis hierher geduldig mitgelesen haben.
Mit dieser Erkenntnis werde ich dann den Laptop schließen, meine Tränen trocknen und mein persönliches Mantra aufsagen:
Ich bin nicht krank, ich bin befallen und ich werde mich befreien.
Atemübungen helfen.
Sie beruhigen und irgendwie - fragt nicht warum - hilft es gegen die Depressionen.
Entspannt auf den Rücken legen. Augen schließen und zur Ruhe kommen, nach innen lauschen.
Dann bewusst ruhig ein- und wieder ausatmen.
Ebenso lang ein wie aus.
Ein ewiger Kreis... Es ist erstaunlich, wie einfach Atmung alleine funktioniert, um wieder ins Lot zu kommen. Oder vielleicht auch nicht.
Wenn man bedenkt, wie die Stimmung die Atmung beeinflusst - z.B. wie sie sich vor und nach einer Rede unterscheidet - dann spricht doch nichts dagegen, dass umgekehrt auch die Atmung die Stimmung beeinflusst.
Ich kann es nur empfehlen.
Im schlimmsten Fall hat man sich mit Sauerstoff versorgt.
Mir geht es jedenfalls eine halbe Stunde später wieder besser. Etwas.
Das Wochenende wird ganz toll.
Und auch der Montag kann kommen!
65:13
Ich will ja eigentlich nicht jammern, aber alles andere wäre gelogen. Wobei es mir nicht einmal körperlich so schlecht geht, sondern vor allen Dingen psychisch. Es ist schlimm, was dieses Chemogift mit dem Gehirn anstellt. Ich kann mir noch so fest einreden, dass ich nicht wirklich so mies drauf bin, dass meine Wahrnehmung verschoben ist und nichts mit der Wahrheit zu tun hat. Deshalb wäre es außerordentlich dämlich, sie zur Wirklichkeit zu erheben.
Trotzdem lässt sich mein Bauch nicht überzeugen. Er fühlt sich einfach schlecht. Mit Grund oder ohne. Das ist ihm schnurzwurst!
Daher ein guter Grund, das jetzt hier zu bloggen, denn vielleicht kommt es über die Tippfingerchen dann doch vom Hirn im Bauch an. Wobei schon der Umstand, dass ich bei dieser Betrachtungsweise unweigerlich früher oder später in der Schizophrenie landen werde, auch nicht gerade ermutigend ist.
Egal, so oder so - der Umgang mit diesen Stimmungstiefs ist echt schwer. Für mich und leider auch für mein Umfeld.
Ein Grund mehr, sich zu verkriechen.
Ich bin am Liebsten daheim, gehe nicht ans Telefon, arbeite und gönne mir zwei Bäder.
Und das trotz wundervollstem Frühlingswetter mitten im emotionalen Winter. April ist das ganze Jahr und November steht nur im Kalender.
Es ist sooo beschämend.
Ich kann mich nicht einmal zu meinem Körper-Krebs-Verwöhn-Programm aufraffen und selbst das Medizin nehmen fällt schwer. Wenn aber jeder noch so kleine Handgriff, ob angenehm oder nicht, so viel Kraft im Vorfeld zieht, wird das echt schwer, den Tag über durchzuhalten. Das kennt ja jeder, dass man morgens beim Aufstehen schon weiß, dass man nicht mag. Dass man betet, so alt zu werden, wie man sich fühlt - oder besser nicht!
Dass selbst Routinen wie das Zähneputzen zu einem Akt heroischer Selbstdisziplin werden. Und dass man vom Nichtstun auch ins Erschöpfungskoma fallen kann.
So, und mit Chemo ist das alles dreifach verstärkt. Super. Positiv daran ist nur, dass ich danach - wenn der ganze Mist vorbei ist - sowas von trainiert sein werde, dass der normale Alltagsfrust keine Chance mehr hat. Abgerechnet wird zum Schluss und meine Stunde kommt noch.
Als wäre die Gegenwart nicht schon düster genug, überschattet zunehmend auch der näherrückende nächste Chemozyklus meine Tage und vor allem die Nächte. Mir graut davor, dass sich das Chemo-Grauen im nächsten Zyklus wiederholt, zumal ich den beruflichen Stress als immer belastender empfinde. Mir werden das einfach zu viele Fronten. Ich verliere den Überblick, kann nicht mehr richtig priorisieren, verliere mich in Kopflosigkeiten und verbrenne meine ohnehin zu geringe Kraft in blindem Aktivismus. Auch das ist nicht zwingend Chemo. Das machen Kollegen und Freunde kaum besser. Nur als Krebspatient kriegt man das mehr mit, man lebt bewusster, analysiert mehr. Und auch das ist gut, denn diese Erkenntnisse kann man auch über den Krebs hinaus verwenden.
Dennoch ist die Situation im Augenblick einfach nur grotesk und mein Mann im Prinzip stocksauer, auch wenn er es nicht zugibt. Meine Beziehung versumpft, und „nett“ in dem Sinne ist mein Mann schon lang nicht mehr, wenn er sich nicht gerade fest vornimmt, es zu sein. Doch auch dann bleibt die innere Distanz und frustriert mich zusätzlich. Die Belastung für mein Umfeld ist spürbar, weil sie zunehmend - in unbeobachteten Momenten, unterschwellig als Folge der Hilflosigkeit und Überforderung - eben auch auf mich projiziert wird und sich damit verstärkt. Eine fiese Spirale, die ich allein nur durchbrechen kann, indem ich nicht übergriffig werde und vampirgleich meine Lieben aussage, ihnen die Kraft stehle. Das ist vielleicht das Schwerste, da man im Spagat zwischen erforderlicher Hilfe und sinnvoller Zurückhaltung auch noch auf die individuelle Leistungsbereitschaft eingehen muss. Tatsächlich sind die meisten Probleme überall dort angesiedelt, wo eine Hilfestellung von Helfer und Geholfenem unterschiedlich bewertet werden. Was für den einen ganz schrecklich ist, macht dem anderen nichts aus - und dabei ist es seltsamerweise völlig egal, wie herum die Diskrepanz besteht. Dass sie besteht, reicht für das Ungleichgewicht. Eigentlich logisch. Wenn die Beine unterschiedlich lang sind, ist es auch unerheblich, ob das linke oder das rechte kürzer ist.
Der Krebs zerfrisst also nicht meinen Körper, sondern in weit größerem Umfang mein Leben. Und ich weiß nicht, wie ich mich wehren soll. Es kommen so viele Probleme dazu, seit ich Krebs habe, mit denen ich nie gerechnet hätte und die so viele Kapazitäten kosten, dass neben Job und Krebs eigentlich für mein eigentliches Leben, für mich nichts übrig bleibt.
Ganz schlimm ist es immer Sonntag Nacht - da kann ich fast gar nicht schlafen, schrecke nachts hoch und fange mitten in der Nacht an zu heulen. Aber ich heule wegen der Kanzlei - wohlgemerkt - und nicht etwa wegen dem Krebs. Wenn ich mit dem Krebsbericht fertig bin, schreibe ich was über meine Büroabenteuer. Das ist Realsatire, eine Mischung aus Stromberg und Kehraus.
Superlustig für Außenstehende, blöd nur, dass ich mittendrin stecke.
Jammern hilft nicht, das mag stimmen, aber manchmal muss es trotzdem sein. Entschuldigung und vielen Dank an alle, die bis hierher geduldig mitgelesen haben.
Mit dieser Erkenntnis werde ich dann den Laptop schließen, meine Tränen trocknen und mein persönliches Mantra aufsagen:
Ich bin nicht krank, ich bin befallen und ich werde mich befreien.
Atemübungen helfen.
Sie beruhigen und irgendwie - fragt nicht warum - hilft es gegen die Depressionen.
Entspannt auf den Rücken legen. Augen schließen und zur Ruhe kommen, nach innen lauschen.
Dann bewusst ruhig ein- und wieder ausatmen.
Ebenso lang ein wie aus.
Ein ewiger Kreis... Es ist erstaunlich, wie einfach Atmung alleine funktioniert, um wieder ins Lot zu kommen. Oder vielleicht auch nicht.
Wenn man bedenkt, wie die Stimmung die Atmung beeinflusst - z.B. wie sie sich vor und nach einer Rede unterscheidet - dann spricht doch nichts dagegen, dass umgekehrt auch die Atmung die Stimmung beeinflusst.
Ich kann es nur empfehlen.
Im schlimmsten Fall hat man sich mit Sauerstoff versorgt.
Mir geht es jedenfalls eine halbe Stunde später wieder besser. Etwas.
Das Wochenende wird ganz toll.
Und auch der Montag kann kommen!
65:13
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