Allerdings ist mein Chef bös auf mich, weil ich letzte Woche nur sehr wenig arbeiten konnte. Mich kränkt es, dafür dass ich überhaupt versuche, angesichts unseres chronischen Personalmangels und auf dem Zahnfleisch kriechender Kollegen, zu arbeiten, dann als unzuverlässig beschimpft zu werden.
Ich habe keine Kraft mehr, um mich zu wehren. Denn wenn ungleiches gleich behandelt wird, ist das ja auch wieder ungleiche Behandlung.
Und während ich das so niederschreibe, finde ich mich kleinlich und hässlich.
Was für ein Jammerlappen.
Denn meine Sorge, nichts mehr zu tun zu haben, wurde erhört und ich habe plötzlich zu viel zu tun. Nur ungeliebte, seit Monaten liegen gebliebene Arbeit, aber davon Mengen.
Da will ich mich aber nicht beschweren. Das ist besser als andersherum. Langeweile ist am Schlimmsten.
Aber es ist schon blöd, meinem Chef kann ich nichts recht machen, obwohl ich nichts falsch mache. Ich erkenne zwar aus einer distanzierten Sicht, dass der Krüppel rausgeekelt werden soll, aber es kränkt mich trotzdem ungemein. Und wenn ich dafür gerügt werde, dass ich mit einer Kaffeetasse in eine interne Besprechung komme, dass ich Schriftsatz A vor Schriftsatz B gemacht habe (obwohl beide fertig sind), dass ich selbständig mit Mandanten telefoniere, die mich anrufen - dann stimmt mich das trotzdem traurig.
Aber das ist eigentlich Arbeit und nicht so sehr Krebs. Wenigstens da ist er unschuldig.Und so lenke ich mich im Büro von meinen Nachwehen ab und auch vor meiner Aufregung wegen der OP.
Vor allem, weil ich wirklich zu tun habe, um so gesund zu werden, dass die OP überhaupt gleich im Anschluss stattfinden kann.
Wenn man unter Zeitdruck gesund werden will, ist das irgendwie eine ganz neue Form von Stress.
Meine Blutwerte fallen in den Keller und eine Augenentzündung will einfach nicht weggehen. Dafür muss ich sogar nochmals extra zum Arzt. Die Augen tränen schneller als Tropfen wirken können - das ist saublöd. Ich schau aus wie ein Bassett mit Heuschnupfen.
Mit 8 hochdosierten Chemo-Einheiten ist man konditionell am Boden. Mein Arzt meint, das sei überhaupt nicht so. Für die Dosierung Taxan, die ich bekommen habe, ginge es mir hervorragend. Höchstdosen fordern eben höchste Opfer.
Er lacht.
Es soll ermutigend sein. Ich lache mit, weil ich ihn nicht deprimieren möchte.
Na, dann möchte ich nicht sehen, wie es denen ging, denen es nur normal geht.
Das ist auch nicht schön, gar nicht.
Warum fällt es mir so schwer, für "relativ gut" dankbar zu sein.
Allerdings kommen die Knochenschmerzen wieder, wenngleich die eher geringer ausfallen. Leise Warnung, sich nicht zu übernehmen.
Die Ungeduld steigt. Und die Angst, dass sich das jetzt noch irgendwie weiter verzögern könnte.
Aus Sicherheitsgründen kann ich der schlechten Werte wegen die Feier eines guten Freundes nicht besuchen und in der Arbeit habe ich bei einer Büroveranstaltung das Obertrauma, als meine Augen so tränen, dass ich mich abschminken und in meiner ganzen verkrüppelten haarlosen Hässlichkeit zeigen muss, als ich durch das Foyer zum Taxi schleiche.

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